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Zwei deutsche, eine britische und eine spanische Gruppe von Tierschützern mobilisieren ihre Mitglieder und drohen mit einem Boykott der Inseln. „Ich möchte nicht auf einen Besuch auf den Balearen verzichten, noch möchte ich mich dazu gezwungen sehen, meinen Bekannten von einem Besuch abzuraten”, lautet der Schlusssatz eines an die Balearenregierung gerichteten Musterbriefes, der dreisprachig über das Internet abgerufen und verschickt werden kann. Die Tierschützer protestieren damit gegen die Pläne des Inselrates, die den Abschuss von 28.500 Bergziegen vorsehen.

Nach Angaben der Behörden haben sich die Bestände der Cabra Orada so sehr vergrößert, dass die Ziegen das ökologische Gleichgewicht der Insel gefährden. „Die Ziegen haben keine natürlichen Feinde, vermehren sich prächtig und fressen alles ab”, sagt der zuständige Behördenchef im hiesigen Umweltministerium, Antonio Gómez. Bereits 70 Prozent der Inselfauna seien gefährdet.

0'12 Ziegen pro Hektar wären laut Gómez eine ideale Größe. Dies entspreche einer Gesamtzahl von 12 bis 13.000 wild lebenden Tieren. „Wir haben aber etwa 40.000.”

Bei den Dezimierungsplänen handle es sich auch nicht, wie die Tierschützer behaupten, um ein Massaker. „Wir knallen doch nicht von heute auf morgen 28.500 Ziegen ab.” Das Problem werde auf Jahre hin bestehen.

Ab dem 1. Oktober beginnt auf Mallorca die Jagdsaison für Großwild. Dann darf bis zum 26. April täglich außer Mittwoch in den als Jagdgebiet ausgewiesenen Zonen scharf geschossen werden. Das einzige Großwild in der Tramuntana und den Bergen um Artà sind Ziegen. Ob sich die Jäger den Aufruf des Umweltministeriums zu Herzen nehmen, bleibt abzuwarten. Die überwiegende Mehrzahl der zum Abschuss freigegebenen Tiere sind keine Böcke, die meisten Geweihe dementsprechend mickrig.

„Jägern ist nicht das Wohl der Tiere wichtig, sie haben nur ein Ziel, nämlich zu töten”, heißt es in dem Schreiben der Tierschützer. Sie fordern eine humane Artenkontrolle, bei der keine tödlichen Schüsse fallen. Durch den Einsatz von Sterilisationspfeilen, so ihr Vorschlag, könnte eine effektive Populationskontrolle erzielt werden. Auch könnten mit Betäubungspfeilen die Tiere eingefangen und an einem anderen Ort ausgesetzt werden, wo ihre Existenz die Umwelt nicht belaste.

Ob die Kampagne der Tierschützer tatsächlich Spuren in der mallorquinischen Urlauberstatistik hinterlassen wird, ist fraglich. Weder das balearische Umweltministerium noch die spanischen Fremdenverkehrsämter in Deutschland sind bisher mit Protestschreiben überschwemmt worden.

Auch die Zahl derer, die aus Deutschland zur Ziegenjagd nach Mallorca fliegen, wird überschaubar bleiben. „Die Kunden, die sich für einen Strandurlaub auf Mallorca mit integriertem Jagdausflug interessiern,” so ein Mitarbeiter der auf Jagdreisen spezialiserten Firma Westfalia in Mönchengladbach, ließen sich pro Jahr an einer Hand abzählen. Nicht weil ein Jagdtag mit um die 700 Euro das Budget belaste, sondern weil Ziegentrophäen in deutschen Jägerkreisen nicht zu den begehrtesten Mitbringseln zählten.

„Ich verstehe die ganze Aufregung überhaupt nicht. Warum protestieren Tierschützer, die weit weg von Mallorca leben, und die Verbände vor Ort sehen das Problem, wie wir”, fragt sich nicht nur Antonio Gómez.

„Bei den beiden deutschen Tierschutzorganisationen, die zu einem Inselboykott aufgerufen haben, handelt es sich um sehr kleine Gruppen, die möglicherweise nicht mit den spezifischen Eigenheiten der Insel vertraut sind”, versucht Toni Muñoz zu beschwichtigen. Auch der GOB sei gegen das Töten von Tieren, wenn es Alternativen gibt. „Die Ziegen bedrohen massiv das ökologische Gleichgewicht und rauben anderen Tierarten den Lebensraum.” Das Problem könne leider nur mit scharfer Munition und nicht mit Sterilisierungspfeilen gelöst werden.