Mit der Jagd verhält es sich wie mit dem Stierkampf –
gleichgültig lässt sie niemanden, dafür ist der Emotionsfaktor zu
hoch. Auf den Balearen ist das Jagen tief in der Gesellschaft
verankert, Tierschützer stehen trotz mancher Rückendeckung aus
Brüssel oft auf verlorenem Posten. Andererseits unterliegt die
Aktivität einem dicken Regelwerk von Vorschriften.
Das Angebot vor der Flinte ist auf dem Archipel, verglichen mit
dem Festland, eher dürftig. Grundsätzlich wird unter Hochjagd (caza
mayor) und Niederjagd (caza menor) unterschieden. Letztere fasst so
ziemlich alles zusammen, was im Unterholz lebt oder am balearischen
Himmel auszumachen ist: Wachteln, Feldhasen, Rebhühner,
Turteltauben, Drosseln und weniges mehr.
In die Kategorie Hochwild fällt des Fehlens von Rotwild wegen
nur die Ziege. Das Mallorcaexemplar haben unlängst
Tourismusstrategen als Alternative zum Golf– und Yachturlaub
entdeckt. In einem Gemeinschaftsprojekt setzten der Inselrat und
die Stiftung Natura Parc im Frühjahr vier Ziegen und drei Böcke in
der Tramuntana aus. Hat der Bestand einmal eine gewisse Größe
erreicht, so die Idee dahinter, dürfen auch Urlauber zum Gewehr
greifen.
Geschossen werden darf freilich nicht überall. Da gibt es einmal
die privaten Jagdreviere (cotos privados de caza), die an den
allgegenwärtigen Schildern auszumachen sind. Und da sind die
öffentlichen Reviere, zu denen jeder Zutritt hat, der im Besitz der
entsprechenden Genehmigungen (Jagdausweis, Waffenschein,
Versicherung) ist.
Jaime Ripoll, Präsident des balearischen Jagdverbands, schätzt
die Zahl der Aktiven auf etwa 28.000, zehn Prozent davon Frauen.
„Besitzer von großen Landflächen vermieten ihre Jagdgründe privat
weiter”, so Oberjäger Ripoll, „während die Eigner von kleinen
Grundstücken sich zusammentun und ihre Reviere unentgeltlich dem
örtlichen Jagdverein überlassen.” Nicht selten lassen sich
Jagdgemeinschaften die Nutzung eines coto privado 30.000 Euro im
Jahr kosten.
Die vom balearischen Umweltministerium festgelegten Jagdzeiten
richten sich nach Tier und Disziplin. Drosseln dürfen in dieser
Saison zwischen 12. Oktober und Anfang Januar erlegt werden,
Rebhühner nur von Anfang Januar bis Anfang Februar und Kaninchen
von Ende Juni bis Ende Juli. Die Disziplin entscheidet in der Regel
über die Wochentage. Mit der Flinte dürfen Kaninchen samstags und
sonntags gejagt werden, mit ibizenkischen Hunden an Dienstagen und
Samstagen. Bewohnten Häusern dürfen sich Jäger mit Schusswaffen auf
100 Meter nähern.
Eine Besonderheit auf Mallorca ist die Drosseljagd mit Netzen,
die so genannte „Caça amb filats”. EU-weit längst verboten, fanden
findige Politiker dennoch einen Weg. Sie deklarierten die angeblich
über 1000 Jahre alte Tradition zum kulturellen und somit zu
pflegenden Kulturgut.
Regelmäßig Kritik kommt von Umweltschützern. So auch dieses Jahr
anlässlich des vorgezogenen Jagdbeginns auf Drosseln. Sie
argumentieren, dass den Zugvögeln die Chance genommen werde, sich
ohne Bedrohung auf die Insel einzustellen.
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