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Wer jetzt nicht zugreift, der will nicht Urlaub machen. An den Preisen kann es jedenfalls nicht liegen”, sagt Francisco Martinez vom Reisebüro „Viajes Fama” in Palma. Viele Hoteliers auf Mallorca verkaufen ihre Zimmer über die Veranstalter in Deutschland, aber auch hier vor Ort derzeit so günstig wie nie. Mit Sonderangeboten soll den Residenten der Kurztrip übers Wochenende in den Norden oder Osten der Insel schmackhaft gemacht werden.

„Früher gab's das nicht im Sommer”, sagt Francisco Martinez. Im vergangenen Jahr hätten die Hotels begonnen, im Juni die Preise zu senken. Früher gingen die Geschäfte besser, auch mit regulären Preisen. Für den Kunden bringt die Krise Vorteile: Die Übernachtung im Drei-Sterne-Hotel mit Halbpension kann man derzeit in vielen Küstenorten schon für weniger als 30 Euro buchen. „Im Juli und August wird es wohl wieder teurer werden”, so der Fachmann.

Nach den vielen Klagen über die „Teuro-Insel” will MM die Probe aufs Exempel machen. Sind die Sonderangebote wirklich so günstig oder gibt es irgendwo versteckte Kosten, die den Preis in die Höhe treiben? Die selbst gestellte Aufgabe: Für maximal 100 Euro pro Person einen Weekendtrip auf Mallorca zu unternehmen.

Vor „der Reise” sind wir skeptisch: Bei den letzten Ausflügen nach Barcelona, Mailand oder München war es schier unmöglich, für weniger als 100 Euro pro Person auch nur ein halbwegs anständiges Hotelzimmer zu bekommen. Und hier sollen wir damit das ganze Wochenende auskommen? Da gute Laune vor allem auch durch den Magen geht, sichern wir erst einmal die Grundbedürfnisse: ein Dach überm Kopf und genug zu essen. Die Offerte des Hotels S'Entrador Playa in Cala Rajada erscheint uns dazu unschlagbar: Das Vier-Sterne-Hotel an der Playa Agulla in Cala Rajada bietet im Juni die Übernachtung von Samstag auf Sonntag für 58 Euro pro Person. Inklusive Mittag– und Abendessen am Anreisetag, Frühstück und Mittagessen am Abreisetag.

Mit gemischten Gefühlen machen wir uns auf den Weg: Pauschalangebote in den Hochburgen des Massentourismus sind sonst nicht unser Fall. Aber wir schöpfen Hoffnung aus der Erfahrung, dass auf Mallorca oft wenige Meter neben den ausgetretenen Pfaden touristisches Niemandsland beginnt.

Rechtzeitig zum „almuerzo” treffen wir am Samstag (nach anderthalb Stunden Fahrt von Palma aus) im Hotel ein. Beim Check-In eine kleine Unstimmigkeit: Der Rezeptionist erklärt, wir hätten nur Halbpension gebucht. Aha: Da musste ja was faul sein am Supersonderangebot. Oder? Ich krame den Zeitungsschnipsel mit der Anzeige hervor, auf dem die Leistungen aufgelistet sind. Eine Kollegin an der Rezeption ist offenbar besser informiert. Sie bringt die Welt wieder in Ordnung.

In Ordnung ist auch das Essen, nachdem der Maître im leeren Speisesaal umständlich nach einem freien Tisch für uns gesucht hat. Ein Buffet bietet mittags wie abends eine ordentliche Auswahl an Salaten, Beilagen, Fisch und Fleisch sowie Desserts an. Die Getränke kosten extra, wobei die Preise normal sind: Zwei Euro für einen halben Liter Wasser, 13 Euro für eine Flasche Weißwein – da kann man nicht meckern.

Auch das Zimmer ist passabel: sauber, hell und groß genug. Nur die Matratze ist ziemlich weich. Dafür geht der Blick über einen unverbauten Pinienwald und zum Strand von Cala Agulla. Die Ruhe lädt zu einer kleinen Siesta ein. Nur von der vielleicht 100 Meter entfernten Playa tönen leise seltsame Geräusche herüber – etwa so, als ob da am hellichten Tag eine Riesenparty im Gange wäre. Auch eine Gruppe von Männern, die sich mit schwarzen Langhaar-Perücken bekleidet auf den Weg zum Strand machen, lässt nichts Gutes erahnen...

Wir packen die Badehose ein: Die Playa Agulla zu unseren Füßen lockt mit türkisfarbenem Wasser. Ringsherum nichts als Natur. Um so größer ist der Schock, als sich am Strand das ganze Elend deutscher Saufkultur vor uns ausbreitet: Ungezählte leere Bierkisten und Sektflaschen erklären den stieren Blick eines Großteils der hier versammelten Männlein und Weiblein. Mit Polizeiabsperrungen haben diverse Grüppchen in Einheits-T-Shirts ihr Claim abgesteckt. Mehrere Musikanlagen wummern gegeneinander an. Und die Masse schunkelt, grölt und schwankt im Takt.

In der Mitte des Sandstrands liegen die Handtücher so eng beieinander, dass fast kein Durchkommen mehr ist. Die vorherrschende Hautfarbe an der Playa Agulla ist Rot-Braun. Ob die Aussicht, sich Hautkrebs einzuhandeln wohl weniger erschreckend ist, wenn man davon ausgehen kann, an Leberzirrhose zugrunde zu gehen?

Am anderen Ende der Playa verfliegt der Alkoholdunst zunehmend. Aus sicherer Entfernung betrachten mallorquinische Familien, die es sich mit Campingstühlen im Schatten bequem gemacht haben, das Geschehen. Nur wenige Meter hinter der Cala Agulla eröffnet sich eine kleine Felsbucht. Eine Hand voll Nudisten und Angler teilen sich das Terrain. Der Einstieg ins Meer ist zwar nicht ganz so einfach, aber die Mühe lohnt sich. Das Wasser ist kristallklar, wir schnorcheln die Küste entlang. Erstaunlich wie dicht das Grauen und der Hochgenuss beieinander liegen können.

Das angekündigte Gala-Diner am Abend im Hotel entpuppt sich als stinknormales Buffet. Im Patio des Hotels spielt eine Live-Band, einige ältere Paare und Kinder schwingen das Tanzbein und haben offensichtlich ihren Spaß dabei. Draußen herrscht Totenstille. Wo tobt nur das Nachtleben, für das Cala Rajada schließlich bekannt ist? Ein etwa viertelstündiger Fußmarsch führt an weniger gut besuchten Kneipen und Restaurants vorbei Richtung Ortskern. Mit Happy Hour und Mixgetränken für 2'50 Euro versuchen die Lokale, mehr Gäste anzulocken. Auch das Essen ist billig: Auf Deutsch preisen Schilder Pizza für vier Euro, ein Menü für 6'50 Euro an.

Am Hafenboulevard ist mehr los. Im „Noah's”, „Cafe 3” und „Pasta Pasta” gibt es keinen freien Tisch mehr auf der Terrasse. Und in der zweiten Linie geht die Party später abends weiter. Die angesagtesten Lokale wie etwa das „Bolero” brauchen nicht mit Billigangeboten locken, um den Schuppen voll zu kriegen. Modenschauen flimmern am laufenden Band über eine Riesenleinwand. Für einen Caipirinha und einen Mojito investieren wir 14 Euro. Auf dem Rückweg zum Hotel begegnen uns kurz vor Mitternacht Menschen jeden Alters, die nach einem harten und langen Tag am Strand nach Hause (oder in die nächste Bar?) schwanken.

Da das einzige Auflugsziel Cala Rajadas, der Skulpturengarten der Familie March, bei einem Unwetter zerstört und derzeit unzugänglich ist, wird am Sonntag schnell klar: Auch dieser Tag wird ein Strandtag. Eine einstündige Wanderung durch einen Pinienwald führt zur Cala Mesquida. Unterwegs treffen wir auf Urlauber, die mit Führer durchs Gelände reiten. Am Ziel begrüßen wilde Ziegen, die sich bis auf die Dünen vorwagen, die Wanderer. Die Cala Mesquida ist eine Postkartenidylle mit Nacktbadern, Familien, Urlaubern und Einheimischen. Hier zeigt sich Mallorca von einer seiner schönsten Seiten.

Kassensturz nach dem Mittagessen im Hotel: Zimmer, Ökosteuer, Getränke und Sonnencreme haben uns bislang 175 Euro gekostet. Auf dem Rückweg nach Palma können wir uns also noch einen Abstecher auf die Burg von Capdepera leisten. Viel Geld werden wir aber auch hier nicht los: Der Eintritt kostet zwei Euro. Allerdings wäre mehr auch nicht angemessen. Der Spaziergang durch die Ruine ist in einer Viertelstunde zu schaffen. Am Eingang gibt es auch auf Deutsch einen Prospekt, der die Geschichte des Castillos erklärt.

Am Abend kehren wir um 90 Euro pro Nase ärmer und eine Erfahrung reicher nach Hause zurück. Um in eine ganz andere Welt zu reisen, muss man nicht mal die Insel verlassen.