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Peinlich, peinlich: In den 23 Jahren, die ich auf der Insel lebe, bin ich nicht einmal mit der Inca-Bahn gefahren. Zumindest bis letzten Montag. Da ließ ich das Auto in der Tiefgarage an der Plaza España und fuhr mit der Bahn von Palma über Inca nach Manacor und zurück.

Anlass war die (Wieder-) Eröffnung der Bahnstrecke Inca-Manacor tags zuvor. 1977 war der Zugbetrieb wegen mangelnder Rentabilität eingestellt worden; jetzt soll er sich nach offiziellen Studien angeblich wieder lohnen. Außerdem sehen Balearen- und Mallorca-Regierung in der neuen Verbindung eine touristische Attraktion und die Möglichkeit, tourismusbedingten Wohlstand auch ins Inselinnere zu transportieren.

Das alles wird sich weisen. Wenn es nach dem letzten Sonntag ginge, wird die Bahn ein Knaller: 3000 Menschen empfingen am Mittag in Manacor begeistert den ersten Zug, in den sich fast die gesamte Politprominenz der Insel gezwängt hatte (schließlich wird am 25. Mai gewählt).

Und vielleicht wird die Bahn tatsächlich auch für Urlauber attraktiv: Am Montag saßen schon einige Deutsche im Zug, die die neue Strecke Inca-Manacor kennen lernen wollten. Keine schlechte Idee. Schließlich lässt sich die Bahnfahrt prima mit Ausflügen kombinieren: Man steigt zwischendurch aus, sieht sich in Binissalem, Sineu oder Petra um und steigt wieder in einen späteren Zug.

Noch lässt der Fahrplan dafür begrenzten Spielraum. Sieben Verbindungen pro Tag in beide Richtungen gibt es derzeit; ab Juni wird sich ihre Zahl jedoch verdoppeln.

Ich kaufte am SFM-Schalter (SFM ist die mallorquinische Bahngesellschaft Serveis Ferroviaris de Mallorca) ein Rückfahrticket Palma-Manacor-Palma zum Preis von 6'85 Euro – eher wenig für eine Fahrzeit von rund zwei Stunden und eine Gesamtstrecke von etwa 120 Kilometern.

„Bei uns in Kassel”, kommentierte Reinhard Besse denn auch überrascht den Fahrpreis, „kostet ein Ticket für eine einfache Fahrt ins Umland schon zwei Euro.” Besse leitet eine 19-köpfige Schülergruppe, die im Rahmen eines Schüleraustauschs zwei Wochen in Sineu bleibt und die neue Bahnlinie zur Fahrt dahin nutzte.

Die Züge mit S-Bahn-Charakter sind neu, spartanisch ausgestattet und verfügen weder über Toiletten noch Speisewagen – verschmerzbar angesichts der kurzen Fahrzeiten. Immerhin sind die Wagen klimatisiert, und das wärmedämmende Glas der großen Fenster hält die Sonnenbestrahlung ab.

Vor allem aber ist es in den Wagen laut. Beim Halt, aber auch während der Fahrt wummern die Maschinen vor sich hin, als handele es sich um die eines alten Lastkahns. Den Nasen der Passagiere bleibt dabei keinesfalls verborgen, dass es sich um Dieselantrieb handelt.

Und die Züge sind unpünktlich. Auf der Hinfahrt betrug die Fahrzeit Palma-Manacor statt einer eineinhalb Stunden, auf der Rückfahrt war die Bahn zehn Minuten schneller. Ähnlich soll es nach Berichten von Fahrgästen auch an den Folgetagen gewesen sein.

Also doch lieber mit Auto oder Bus fahren? Nein. Denn einen Vorteil hat die Bahn auch auf Mallorca: Die Bahnhöfe sind (fast überall) im oder ganz nahe am Ortszentrum. Parkplatzsuche entfällt; Spaziergänge durch die Orte bieten sich an.

Die Bahnhöfe übrigens sind fast immer Schmuckstücke. Die meisten wurden restauriert; die Bahnsteige sehen ähnlich geleckt aus. Besonders schön: die alten Bahnhöfe von Sineu und Manacor.

Wenn einer eine Reise tut, dann kann er bekanntlich was erleben. Mal stoppt der Zug, weil eine Schranke nicht automatisch geschlossen hat, der Schaffner lotst ihn durch den Autoverkehr. Mal hält er, weil der Schaffner den Lokführer zu Hilfe holen muss, um einen Streit mit einem Bauern zu schlichten.

Von der Landbevölkerung sind schon am ersten Verkehrstag viele im Zug. Man steigt in Inca ein und in Manacor aus oder umgekehrt, oder man fährt nur eine Station mit: Die Bahn ist die Attraktion der Region.

Was sich auch an der Neugierde der Dörfler widerspiegelt. In Sineu, Petra und Manacor bestaunen winkende Passanten die Bahn wie das achte Weltwunder. Viele kommen nur aus diesem Grund zu den Bahnhöfen. In Manacor sind es an diesem Montagvormittag mindestens 200 Menschen, die nicht mitfahren, sondern nur schauen wollen.

Auch im Zug wird gestaunt. Es ist schon eindrucksvoll, was Mallorca im Vorbeifahren zu bieten hat: Zwischen Palma und Inca säumen die hohen Berge die Strecke, zwischen Inca und Manacor geht es durch die wunderschöne Hügellandschaft der Inselmitte. Alles ist grün um diese Jahreszeit, vieles blüht (vor allem Felder mit rotem Mohn), und vielerlei Getier tummelt sich auf den Weiden.

Im Zug allerdings keins. Die Mitnahme von Hunden ist strikt verboten. Dafür können Fahrräder gratis mitgeführt werden. Das macht Abstecher von den Bahnhöfen aus noch attraktiver.