... präsentiert Udo Lindenberg auf seiner Deutschland-Tournee im Oktober und November. Während eines Mallorca-Besuchs sprach MM mit ihm über sein aktuelles Projekt „Atlantic Affairs”, eine Hommage an deutsche Emigranten in der Nazi-Zeit.

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NILS MÜLLER
N ach über einem Jahr Insel-Abstinenz verschlug es Udo Lindeberg wieder mal nach Mallorca. Anlass war die Hochzeit von Gitarrist Carl Carlton (S. 24), mit dem Lindenberg schon seit Jahren intensiv zusammenarbeitet. Die Feier nutzte der Panik-Rocker unter anderem, um mit seinem Tourneeveranstalter Hermjö Klein alles klar zu machen: „Die Tournee ist im Oktober und November. Durch die edelsten Theater”, verrät Lindenberg im MM-Gespräch. Zu sehen sein wird das aktuelle Projekt des wohl prominentesten Hut-Trägers Deutschlands, das am 5. Mai in Bremerhaven Premiere hatte: „Atlantic Affairs” (CD ist auch schon erhältlich). Es handelt sich dabei um eine Art Hommage an die deutschen Emigranten in der Nazi-Zeit. „Ich beschäftige mich ja schon lange mit den großen Songs der 20er Jahre. Mit Marlene, Kurt Weill, Bertholt Brecht. Deren Werk gehört zu unserer Kulturlandschaft.” Der 56-Jährige und seine Mannschaft stellten eine Titelsammlung mit Liedern von Komponisten wie Paul Abraham, Friedrich Hollaender, Werner Richard Heymann, Hanns Eisler oder Ralf Maria Siegel (senior) zusammen, die von Udo oder Gast-Interpreten im zeitgemäßen Gewand präsentiert werden. Irgendwo zwischen Pop, Punk und Rock. „Weil ich ja von den Flexibelbetrieben bin, bin ich nicht festgelegt nur auf Rock'n*Roll oder nur auf Hip-Hop.

Die Story zu „Atlantic Affairs”, aus der in diesen Tagen unter der Regie von Hark Bohm auch ein Fernsehfilm entsteht: „Ich bin nach New York gereist und erbe dort 20 Koffer.” In den Koffern ist kein Geld, sondern deutsches Kulturgut: „Wir machen einen goldenen Fund nach dem anderen. Total tolle Songs.” Lieder, die mit Lindenberg auf der „Queen Elisabeth 2” die Heimreise von New York nach Bremerhaven antreten. „Die Song-Auswahl war gar nicht so einfach”, erinnert sich Lindenberg, der auch einigen eigenen Titeln Platz einräumte. „Man kann sich in einem bunten Blumenfeld schwer entscheiden. Vielleicht folgt eine weitere Platte. Es gibt endlos geiles Material.” Eines der Lieder auf der CD ist „Lili Marleen”, das von dem in Portals Nous lebenden Norbert Schultze komponiert wurde, der nicht zu den Emigranten gehörte. „Norbert Schultze war ja einer der vielen unpolitischen Kulturschaffenden. Aber Kunst wird schnell missbraucht, gerade in der Nazi-Zeit. Deswegen finde ich es nicht statthaft, wenn Künstler gänzlich unpolitisch sind. Das sieht Norbert Schultze heute auch so. Ich habe mit ihm mehrmals komponiert.” Denn Lindenberg wollte den Text des berühmten Liedes ändern. „Lili Marleen ist ein Antikriegslied. Immer wenn dieses Lied lief, schwiegen die Waffen, es war die Zeit der Besinnung. Es erinnert an den Krieg. Daran, dass Frauen zu Hause warteten, dass ihre Männer irgendwann zurückkehrten – oder auch nicht.” In der neuen Version, die bei „Atlantic Affairs” von Ellen ten Damme gesungen wird, ist das etwas anders. „Die Frau wartet nicht, sondern sagt: Mein Mann zieht erst gar nicht in den Krieg.” („Und wieder zu den Fronten / ruft das Militär / doch dieses Mal da geb ich / meinen Mann nicht her / Ich will nicht im Laternenschein da ewig stehn und traurig sein / und warten bis sie kommen / er starb den Heldentod / Ich will nicht an der Laterne stehn / Ich will dem Krieg nicht stumm zusehn / und warten bis sie kommen / Ohne mich! Lili Marleen”).

Lindenberg, der sich freuen würde, wenn die Tournee auch auf Mallorca Station machte, nahm 1971 sein erstes Album auf und ist immer noch da, genießt im deutschsprachigen Raum einen unglaublichen Bekanntheitsgrad. Ein Phänomen, das Udo augenzwinkernd mit „meiner Schönheit, meiner Anmut, meiner Grazilität” zu erklären versucht. Sicher hat es auch etwas damit zu tun, dass sich der Künstler Lindenberg abseits aller Rock'n*Roll-Exzesse immer weiterentwickelt hat. Und dennoch bei den Wurzeln blieb. „Im nächsten Jahr feiern wir 30 Jahre Panikjubiläum. Am 13. August 1973 haben wir das Panikorchester gegründet.” Klar, dass daher viele panische Konzerte geplant sind. „Wir sollten wirklich auch hier auf Mallorca spielen”, meint Udo Lindenberg. Vielleicht klappt's ja.