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Viele können sich gar nicht vorstellen, dass ältere Menschen eine eigene Sexualität haben”, sagt Mario Scheib. Sex im Alter sei selbst in den Arztpraxen ein Tabuthema. „In letzter Zeit bin ich auch auf Mallorca zunehmend oft über Probleme gestolpert”, sagt der Facharzt für Psychotherapeutische Medizin, der unlängst in Palma eine Praxis eröffnet hat und schon länger Fortbildungskurse für deutsche Ärzte auf Mallorca gibt.

Typisch sei zum Beispiel der Fall einer Frau, Journalistin, Mitte 50, die kürzlich für eine Woche aus Deutschland angereist war, um eine einwöchige Psychotherapie bei ihm zu machen. Die Frau hatte eine Reihe von psychosomatischen Beschwerden, wie immer wiederkehrende Unterleibsschmerzen und Kopfweh, und das seit ihrem 18. Lebensjahr. Mario Scheib stellte fest, dass noch kein Arzt zuvor die Frau jemals nach ihrem Sexualleben befragt hatte. In Gesprächen stellte sich heraus, dass sich die Beschwerden nach dem ersten Geschlechtsverkehr eingestellt hatten. „Immer wenn sie keinen Partner hatte, verschwanden die Schmerzen.” Für Mario Scheib zeigen dieser und viele andere Fälle, dass die meisten Ärzte, auch Gynäkologen, während ihrer Ausbildung nicht lernen, über das Thema Sexualität zu sprechen. Fällt die Unterhaltung zwischen Arzt und jüngeren Patienten noch leichter, tun sich vor allem jüngere Ärzte schwer, mit älteren Patienten offen darüber zu reden. „Dabei sind viele Patienten durchaus bereit, darüber zu reden, wenn man ihnen ein Signal gibt. Manchmal geben sie auch selbst diskrete Hinweise, dass irgendetwas nicht stimmt”, sagt der Psychotherapeut.

Juckreiz am Geschlechtsorgan sei bei älteren Frauen ein ganz häufig auftretendes Problem, ohne dass ein Krankheitserreger vorliegt. „Der Ausdruck Erreger ist dabei doppeldeutig: Es gibt keine Keime, aber auch sonst keinen, der sie erregt.” Je älter Frauen sind, desto weniger Männer und damit potentielle Sexualpartner gibt es für sie. Frauen mit diesem Problem haben in der Regel Cremes, um den Juckreiz zu lindern. Laut Mario Scheib ist das Eincremen eine Art Ersatzhandlung für den fehlenden Sex, im Prinzip eine Masturbation, die sie sich selbst nicht eingestehen will.

Sexualstörungen können auch Ausdruck sein für latente Partnerschaftskonflikte. Bestimmte Formen der Inkontinenz, Schmerzen beim Geschlechtsverkehr oder Lustlosigkeit, beim Mann auch Erektionsprobleme, könnten darauf hindeuten, dass in der Partnerschaft etwas nicht stimmt. „In der Regel sind Sexualstörungen partnerbezogen”, sagt der Psychotherapeut. Dass die Lust am Sex im Alter automatisch nachlasse, sei ein unbegründetes Vorurteil. „Selbst wenn Erektionsstörungen vorliegen, kann es Spaß machen. Schließlich besteht Sex auch aus Zärtlichkeit, Erotik.” Welches Sexualverhalten normal ist, sei eine ganz schwierige Frage. „Die Hormone haben einen relativ geringen Einfluss. Der Wunsch nach Zärtlichkeit nimmt nicht ab. Beim Sex im Sinne von Koitus gibt es breite Schwankungen je nach körperlicher Verfassung. Auch viele 70- und 80-Jährige haben noch regelmäßig Sex.” Man schätze, dass generell 60 bis 90 Prozent der Krankheiten psychosomatischer Natur sind: „Bis sie ordnungsgemäß behandelt werden, vergehen oft fünf bis zehn Jahre.” Die Therapiechancen seien aber besser, wenn das Problem relativ schnell erkannt und behandelt wird. Nach Scheibs Erfahrung gibt es in dieser Hinsicht ein Ausbildungsdefizit bei den Fachärzten. Seine Kurse zu diesem Thema auf Mallorca würden gut angenommen.

Therapien für Inselresidenten bietet Scheib in seiner Praxis in Palma an. Patienten aus Deutschland sind während ihrer Therapie im Hotel untergebracht.j
Mario Scheib, Tel. 971-735858.