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Die Eindrücke des Jahrhundertsturms, der vergangenen November weite Teile Mallorcas verwüstete, sind nach wie vor in den Köpfen der Bewohner der betroffenen Gebiete präsent. Vier Tote und Schäden in Höhe von 24 Millionen Euro waren zu beklagen. Das vergisst man nicht so schnell. Die Bilder der Katastrophe bestimmten auch die Nachrichten der deutschen Fernsehsender. So mancher Ferienhausbesitzer zitterte fernab der Insel um seinen Besitz, und viele Menschen fragten sich besorgt: Kann man denn dort in absehbarer Zeit wieder Urlaub machen?

Drei Monate sind inzwischen vergangen, seit Orkanböen mit einer Geschwindigkeit von 130 Stundenkilometern über Mallorca hinwegfegten. Aber in manchen Küstenabschnitten im Nordosten sieht es immer noch so aus, als hätte das Unwetter erst kürzlich gewütet. Vor allem in Port de Pollença sind die Folgen der Katastrophe nach wie vor unübersehbar. Die Straßen sind zwar wieder befahrbar und das Stromnetz ist repariert, aber noch immer zeugen eingestürzte Mauern und ausgerissene Bäume von den verheerenden Folgen der Naturgewalt. Auch der Strand befindet sich in einem äußerst desolaten Zustand. An einigen Stellen nahezu abgetragen, verwandeln Sandberge andere Strandabschnitte in unnatürliche Dünenlandschaften. Bänke an der Promenade sind von Sand begraben, und eine dicke Schicht angetriebener Posidoniablätter grenzt den Strand zum Meer hin ab.

An der Uferpromenade künden großformatige Tafeln des spanischen Umweltministeriums, unter dessen Obhut alle Playas des Landes stehen, von umfassenden Sanierungsarbeiten. Seit drei Wochen, so der Umweltstadtrat von Pollença, Gabriel Serdà, werde bereits im Auftrag der Zentralregierung am nördlichen Strandabschnitt gearbeitet. „Bis Ostern”, so der Kommunalpolitiker, „sollen alle unsere Küsten wieder hergestellt sein.” Dies habe das Ministerium fest versprochen.

Bis zum Saisonstart bleibt allerdings nicht mehr viel Zeit, um seine Gemeinde herauszuputzen. Und an Arbeit mangelt es nicht. Noch immer sind verwüstete Yachten ineinander verkeilt, die damals von den bis zu 13 Meter hohen Brechern angespült wurden. Urlauber flanieren an den Wracks vorbei und posieren für ein Erinnerungsfoto. Die termingerechte Beseitigung der kaputten Boote wird wohl nicht möglich sein. Die Bergung der Schiffe ist aus rechtlichen Gründen kompliziert. Die zertrümmerten Boote können nur mit Erlaubnis der Eigentümer abtransportiert und entsorgt werden. Den Gemeindevertretern ist es aber noch nicht gelungen, alle betroffenen Schiffseigner ausfindig zu machen und zu benachrichtigen. Erst nach sechs Monaten darf ein aufgegebenes Schiff beschlagnahmt und von der zuständigen Küstenbehörde geborgen werden. So wird wohl auch in den kommenden drei Monaten die „Kai–Florian” aus Dresden am Stadtstrand den Kindern als Piratenspielplatz dienen. Der Holzkatamaran mit den zwei Masten hat nur noch Schrottwert. „Den kann man nur noch verheizen”, meint ein Passant und schüttelt verständnislos den Kopf.

Aber an Brennholz mangelt es in diesen Tagen nicht. Rund 180.000 Bäume wurden auf Mallorca vom Sturm entwurzelt. Auch rund um Port de Pollença liegen noch ungezählte Baumstämme und Haufen zusammengesägter Äste herum. Spätestens mit dem Einsetzen der ersten heißen Tage, und das wissen alle Verantwortlichen, müssen die Holzberge entsorgt sein. Zu groß ist die Sorge vor Insektenplagen und die Gefahr von Bränden. Wenig Verständnis für die aus ihrer Sicht schleppenden Aufräumungsarbeiten in der völlig vom Tourismus abhängigen Gemeinde haben deren Wirte und Hoteliers. Auch der Kellner des Restaurants Llenaire ist empört: „Direkt nach dem Sturm wurden zwar die gröbsten Schäden beseitigt, aber seitdem ist nichts mehr passiert.” Nur dort, wo die Gemeindevertreter wohnen, meint er sarkastisch, sehe es besser aus. „Wer heute Port de Pollença besucht, der kommt bestimmt nicht wieder.” Ganz so dramatisch wie der Mitarbeiter des in der ersten Meereslinie gelegenen Betriebes sieht Hans–Peter Bührer die Lage nicht. Dem Urlauber aus Freiburg im Breisgau gefällt es trotz der Sturmnachwehen gut. „Bei uns im Schwarzwald hatten wir auch schon schlimme Unwetter, und da wurde ebenfalls nicht immer alles sofort beseitigt und repariert.” Längst repariert wurde die vom Meer zerstörte Verbindungsstraße nach Alcúdia. Frisch aufgeschüttet und geteert ist der Weg zum Nachbarort wieder beidseitig passierbar. In Port d'Alcúdia erinnert nicht mehr viel an den Orkan. Lediglich der kilometerlange Strand befindet sich noch in einem abenteuerlichen Zustand. An seinem Ende steckt die „Nano–Nuna” aus Lübeck fest. Der 16 Meter lange Segler hat sich mit seinem Stahlrumpf tief in den Schlick gebohrt. Auch in Can Picafort sind die schlimmsten Spuren beseitigt. Die Sandverwehungen, die den halben Ort in eine Wüstenstadt verwandelt hatten, wurden mit Bulldozern wieder an ihren ursprünglichen Platz zurückgeschaufelt.

Nur noch an Privatgebäuden sind vereinzelt kaputte Scheiben und zerrissene Jalousien zu ersetzen. Die meisten Opfer müssen aber noch auf die ihnen zustehenden Entschädigungszahlungen warten. Der Betreiber des Bora–Bora–Beach–Lokals verspricht seinen Gästen auf einer in dem Open–air– Treff aufgestellten Tafel die baldige Beseitigung der Schäden: „In Kürze wieder behoben.”