Seit Monaten habe ich keine Schwierigkeiten mehr, mir mit
Unbekannten die Zeit zu vertreiben. Wir haben ein gemeinsames
Thema. Nicht das Wetter, auch nicht die Politik und schon gar nicht
der Euro. Ob mit dem Taxifahrer, der Bäckersfrau oder beim Frisör,
die „Operación Triunfo” liefert uns den Grund für einen netten
Plausch.
Jeder zweite Fernsehzuschauer verfolgte am Montag wieder eine
weitere Folge der wöchentlichen Talentshow. Ich war dabei, so wie
ich Woche für Woche dabei bin, mitfiebere, mich mit den Siegern
freue und mich mit den Ausgestoßenen solidarisiere. „Operación
Triunfo” ist keine Container-Ödnis nach Art von „Big Brother”.
Nein, hier fließen richtig Schweiß und Tränen. Woche für Woche wird
in einer Akademie trainiert, werden die neuen Songs
einstudiert.
Nicht nur das Training wird immer härter, sondern auch die Qual
der Wahl der Kandidaten, der Jury und des Publikums. Denn alle drei
Parteien dürfen mitbestimmen, wer bleibt oder geht. Ich tippe
drauf, dass Rosa das Rennen macht. Die Bäckersfrau rechnet mit der
Mallorquinerin Chenoa, und die männliche Solidarität zwingt den
Taxifahrer dazu, auf David Bisbal zu setzen.
Seit Monaten kennen wir die Stärken und Schwächen der Bewerber,
werden auf den Programmen TVE eins und zwei über ihre Fortschritte
und Rückfälle informiert, erleben anhand der Video-Analysen mit,
wie schwer das Geschäft mit der Musik ist.
Nicht allein, weil jede Menge Profit aus der Leidenschaft des
Publikums geschlagen wird, muss die Geschichte der „Operación”
weitergehen. Jetzt wissen wir wie: Das Auswahlverfahren wird
verlängert, und der Sieger wird Spanien beim Grand Prix vertreten.
Der findet erst im Mai in Estland statt, das heißt, ich habe noch
jede Menge Zeit, jeden Small Talk zu einem Grand Talk werden zu
lassen. Was danach kommt, mag ich mir noch gar nicht ausmalen. Über
was werden wir reden? Das Wetter war schließlich noch nie mein
Thema. Traurig wird dieses Schweigen sein.
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