Für Maria M. ist das einer der spannendsten Momente, wenn sie
einen Mann kennenlernt und er sie beim ersten Rendevouz zum Essen
einlädt: Die Rechnung kommt – und das Gegenüber muss Farbe
bekennen. Lässt er lässig ein paar Münzen ins Tellerchen klimpern,
rechnet er genau nach („Ich gebe immer 7'8 Prozent”), oder entpuppt
sich der Märchenprinz etwa als Geizhals oder Großprotz? Vielleicht
sollte Maria nicht so streng sein: Trinkgeld zu geben ist eine
Kunst. Umso mehr im Ausland, wo meist andere Sitten herrschen.
Im Vergleich zu den USA, wo strenge Regeln zum Umgang mit dem
„Tip” herrschen (weil das Bedienungsgeld nicht automatisch mit der
Rechnung kassiert wird), versteht man in Spanien das Trinkgeld
grundsätzlich als freiwillige Belohnung, um eine Dienstleistung zu
honorieren. Die Beschäftigten in den Servicebranchen dürfen zwar
kein Extra-Geld erwarten. Doch sollte jedem klar sein, dass sie in
den meisten Fällen recht schlecht bezahlt werden – und mancher auf
die zusätzlichen Einnahmen dringend angewiesen ist, um seinen
Lebensunterhalt zu bestreiten.
723 Euro netto im Monat: Soviel verdient in Spanien laut
Tarif ein Tankwart. Ein Zimmermädchen bringt es auf 905 Euro bei 14
Monatsgehältern brutto, und der Tariflohn für Rezeptionisten liegt
bei 1006 Euro brutto bei 14 Monatsgehältern. Bei den hohen
Mietpreisen und Lebenshaltungskosten auf Mallorca sind zusätzliche
Trinkgeldeinnahmen für viele unverzichtbar.
Gerade die Kleinverdiener schmerzt es sehr, dass die
Bereitschaft, Trinkgeld zu geben, seit der Einführung des Euro in
fast allen Branchen zurückgegangen ist. „Bei unseren geringen
Löhnen kann das Trinkgeld fast die Hälfte des Lohns ausmachen”,
sagt ein Kellner in der Bar Lirico in Palma. „Seit der Einführung
des Euro ist es aber deutlich zurückgegangen. Ließen die Ausländer
früher 200 bis 300 Pesetas liegen, so geben sie heute vielleicht
noch 40 oder 50 Cent.” Auch der Tankwart an der Tankstelle an der
Plaça Progreso hat seit dem Währungswechsel abends deutlich weniger
im Portemonnaie. Die Taxifahrer am Borne beklagen sich, sie hätten
im Januar so gut wie gar kein Trinkgeld bekommen. Erst allmählich
ändere sich das wieder, wohl „weil die Leute nun mit den anderen
Münzen vertraut sind”, wie eine Fahrerin vermutet. Bislang wurde im
Taxi meistens auf 100 Pesetas aufgerundet. „Es ist weniger
geworden”, sagt auch ein Mitarbeiter des Frisörsalons Udo Walz in
Palma. Er nimmt an, dass die Peseta den Deutschen nie so wertvoll
vorgekommen ist wie jetzt der Euro, der zudem leichter in die alte
D-Mark umgerechnet werden kann. Für seinen spanischen Kollegen
Bernat vom Salon Nuovo Linea hat sich wenig geändert: In der Regel
geben seine Kunden einen Euro Trinkgeld, sagt er.
Generell seien die Deutschen und Briten großzügiger als die
Spanier, heißt es in der Bar Lirico. „Die ausländischen Residenten
nehmen allerdings nach einer Weile die spanischen Gepflogenheiten
an”, bedauert der Kellner.
Generell wird auf Mallorca in besseren Hotels und Restaurants
auch ein höheres Trinkgeld gegeben. Im Packpacker-Hostal
Apuntadores in der Calle Apuntadores in Palma wird auf Heller und
Pfennig abgerechnet – da wird kein Cent mehr als unbedingt nötig
ausgegeben, wie eine Mitarbeiterin sagt. In feineren Lokalen sind
fünf bis zehn Prozent der Rechnung üblich.
Im Hotelgewerbe gibt es laut Christine Crespo, die für die
Hotelbetriebe der Schörghubergruppe auf Mallorca die Pressearbeit
macht, für die Gäste „gar keine Regeln. Der Gast zahlt, was er für
angemessen hält und wird auch nicht komisch angeschaut, wenn er
nichts gibt.” Sie hat festgestellt, dass die Bereitschaft zu geben
heute nicht mehr so groß ist wie noch vor zehn Jahren. „Ich glaube,
dass die Menschen preisbewusster geworden sind. Und dass heute eher
leistungsbezogen Trinkgeld gegeben wird”, so Crespo.
Kein Kommentar
Um einen Kommentar schreiben zu können, müssen Sie sich registrieren lassenund eingeloggt sein.
Noch kein Kommentar vorhanden.