Die Olympischen Spiele von Sydney hatten ihren deutschen
Überraschungshelden. Nils Schumann holte Gold über 800 Meter.
Dieser Sieg machte den 22-Jährigen zum Star, zum deutschen Sportler
des Jahres 2000. Bei der Wahl konnte Schumann Michael Schumacher
und Jan Ullrich schlagen.
Im nacholympischen Jahr lief es dagegen für Nils Schumann nicht
ganz so rund. Eine Oberschenkel-Verletzung und nicht zuletzt der
gewaltige Rummel um den Thüringer beeinträchtigten die Leistung.
Bei der WM wurde er „nur” Fünfter. Eigentlich hatte er eine
Medaille angestrebt. Außerdem war der deutsche Rekord über die 800
Meter im Visier, den immer noch Willi Wülbeck hält. „Ja, ich habe
mir Ziele gesetzt, konnte die aber unter anderem durch ziemliches
Verletzungspech nicht erreichen. Aber das ist ja auch das Schöne am
Sport, dass man nicht alles planen kann”, meint Nils Schumann im
MM-Gespräch. Der 23-Jährige hielt sich gerade zu einem
Trainingslager in Colonia Sant Jordi auf.
„Nach den Olympischen Spielen war das Öffentlichkeitsinteresse
sehr groß. Und Sportler des Jahres wird man wahrscheinlich auch nur
einmal”, meint Schumann, der sich künftig mehr Ruhe gönnen will und
weniger die Show-Bühne sucht. „Ständig Termine zu haben, das
funktioniert einfach nicht. Ich will mich über meinen Sport
definieren”, betont der Motorrad-Freak, der vor wenigen Wochen zum
Ehrenbürger seiner Geburtsstadt Bad Frankenhausen ernannt wurde.
„Ich möchte mich auf Training und Wettkämpfe fokussieren. Das ist
zwar manchmal ein bisschen langweilig, ein bisschen trostlos, aber
ich glaube, nur ohne Kompromisse kann man gegen die Konkurrenz
bestehen.”
Schumann, der in Erfurt lebt, aber für die LG Nike Berlin
startet, steht nach eigener Ansicht vor einer besonderen Saison.
„Für mich kommt ein sehr schönes Jahr, weil alle Titel, die
anstehen, im deutschsprachigen Raum vergeben werden. Der
Hallen-Europameistertitel in Wien, später der
Freiluft-Europameistertitel in München.” Bei der letzten
Freiluft-EM 1998 wurde Schumann Erster, das gelang ihm auch bei der
Hallen-EM im selben Jahr. 2000 holte Schumann in der Halle nur
Silber.
Nils Schumann hat schon jetzt erreicht, wovon viele Sportler
weltweit träumen. Neue Ziele zu formulieren fällt da nicht leicht.
„Es ist natürlich richtig, dass für mich ein Motivationsloch
entstanden ist nach dem Olympiasieg”, räumt der Läufer ein. „Ich
bin schon als kleiner Junge im Sport aktiv gewesen, und ein
Olympiasieger ist immer etwas ganz Außergewöhnliches gewesen. Ich
habe nie gedacht, dass ich das auch schaffen könnte, und dann war's
halt so.”
Mit Abstand betrachtet behauptet Schumann: „Ich wäre nicht sauer
gewesen, wenn ich Zweiter oder Dritter geworden wäre. Dann hätte
ich nämlich noch vier Jahre ein Ziel vor Augen gehabt. So ist es
natürlich schwierig. Ich habe den größten Sieg erreicht, aber noch
nicht den deutschen Rekord, habe auch noch keine Medaille bei einer
Weltmeisterschaft gewonnen. Das sind Ziele, die natürlich nicht so
groß sind wie ein Sieg bei den Olympischen Spielen, die aber auch
wichtig sind.”
Der blonde Sportler mit dem auffälligen Tattoo auf dem linken
Oberarm weiß, dass die Jahre bis zu den Olympischen Spielen 2004 in
Athen kein Zuckerschlecken werden: „Es ist schwieriger, auf dem
hohen Niveau zu bleiben, als einmal hochzukommen.” Und selbst wenn
er 2004 wieder ganz oben auf dem Treppchen stehen sollte, ist
Schumann schon jetzt klar, dass es anders sein wird: „Man wird
einmal Olympiasieger. Wenn man es das zweite Mal schafft, ist das
nicht das selbe. Man kann die Erfolge beim ersten Mal richtig
genießen.”
Doch zunächst steht das Jahr 2002 vor der Tür. Die
Saison-Vorbereitung begann auf Mallorca, direkt am Meer. „Es ist
schon schön, wenn man morgens aufsteht und den Sonnenaufgang sieht.
Das erleichtert das Training mental.”
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