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Am Himmel über Mallorca hat sich einiges geändert. Im Mai sind die Flugrouten neu gestaltet worden. Dadurch werden Gegenden überflogen, die jahrzehntelang verschont wurden. Deswegen häufen sich auch die Beschwerden der Anwohner. Die neuen Luftkorridore, die das Kontrollzentrum im Flughafen Palma die an– und abfliegenden Maschinen passieren lässt, sind in der offiziellen spanischen AIP (Aeronautical Information Publication) aufgeführt.

Der Grund für die Änderung: Von zwei existierenden Kontrollsektoren (ein abgegrenztes Gebiet, das von den Lotsen beaufsichtigt wird) war vor allem der westliche, in dem sich Flugzeuge in Richtung Großbritannien und Deutschland aufhielten, stark überlastet. Jetzt wurden der östliche und westliche Sektor jeweils in einen nördlichen und südlichen Abschnitt eingeteilt, in denen die Jets flüssiger geleitet werden können. Diese Abschnitte heißen Feeder (Zubringer).

Voraussetzung für die Festlegung der Routen der Flugzeuge ist die Windrichtung. Denn, wenn irgend möglich, wird gegen den Wind gestartet und gelandet. Da der auf Mallorca meist vom Meer zum Landesinneren weht, sieht man die Flieger von Son Sant Joan in der Regel Richtung Meer abheben und vom Inselinneren landen.

Der Flughafen Son Sant Joan verfügt über zwei parallele Pisten, die in südwestlich–nordöstlicher Richtung verlaufen. Die Pisten heißen 06 rechts (06R) und 06 links (06L), wenn sie aus südlicher Richtung, und 24 rechts (24R) und 24 links (24L), wenn sie aus nördlicher Richtung betrachtet werden. Gestartet wird immer rechts, gelandet immer links. Auf diese Weise wird erreicht, dass landende und startende Flugzeuge so weit wie möglich von dem dichtbesiedelten Can Pastilla entfernt fliegen, nämlich auf der nördlicheren, weiter entfernten Piste.

Die Lotsen im Kontrollzentrum leiten die ankommenden Flugzeuge zu den Feedern. Diese Luftstraßen liegen direkt im Südwesten und Nordosten der Insel. Wenn, wie meistens, der Wind aus vornehmlich südlicher Richtung weht, die Flieger also von Norden Richtung Landebahn 24L einschweben müssen, werden die Jets auf den nördlichen Feeder geleitet. Dabei nimmt der nördlich gelegene Feeder 1 den Verkehr aus Westen auf (etwa von Madrid oder Großbritannien).

Die Jets müssen Andratx überfliegen, dann parallel zur Landebahn weiter Richtung Norden. Bei Costitx „wenden” sie, um zur Landebahn zu kommen. Diesen Flugkorridor hat es vor Mai noch nicht gegeben. Pro Tag dürfte die Zahl der Flugbewegungen über Andratx die Zahl von 60 oder 70 nicht übersteigen. Ohnehin fliegen sie mindestens 7000 Fuß (2130 Meter) hoch. Nach Angaben der spanischen Flughafenbehörde Aena ist Fluglärm in der Regel unter einer Höhe von 3000 Fuß (914 Meter) zu hören.

Joachim Hans Beckers, Vizepräsident für Lärm und Technik der Bundesvereinigung für Fluglärm, sieht das anders: „Bei 1000 bis 2000 Metern stört jedes Flugzeug”, einige ältere Gegenwind mögen Piloten gerne – jedenfalls wenn es ums Starten und Landen geht. Denn damit eine Maschine fliegt, muss die Luft mit einer bestimmten Geschwindigkeit die Flügel umströmen.

Flugkapitän Roland Sabatschul, Flugbetriebsleiter bei Air Berlin, erklärt, dass seine Boeing 737-800 vollgeladen eine Abhebegeschwindigkeit von 290 km/h benötigt. Pustet der Wind dem Jet beispielsweise mit 30 km/h entgegen, muss der Pilot die Maschine noch auf 260 km/h Rollgeschwindigkeit beschleunigen, damit die Luft in der Summe (260 plus 30 gleich 290) die Flügel umströmt und für den nötigen Auftrieb sorgt. „Rückenwind dagegen kann den Startweg deutlich verlängern”, so Sabatschul. Deswegen beträgt bei seinem Flugzeugtyp der maximal erlaubte Rückenwind beim Start lediglich 10 Knoten, etwa 18 km/h. Beim Landen gelten dieselben Prinzipien.

Der südlich gelegene Feeder 2 nimmt den Verkehr auf, der von Deutschland kommt. Auch der Verkehr aus Richtung Süden geht in diesem Zubringer, dazu muss er bei Cabo Blanco über Land fliegen, dann parallel weiter bis zum „Eingang” des Feeders. Manchmal, bei viel Verkehr, müssen Flieger eine weitere Schleife fliegen, dabei führt sie der Weg über Calas de Mallorca. Ein Gebiet, das vor der Veränderung nicht überflogen wurde. Hier beträgt die Flughöhe mit 5000 bis 7000 Fuß mehr als die offiziell lärmkritische Höhe.

Während die Jets in den Feedern fliegen, haben sie voneinander einen Abstand von 10 nautischen Meilen (18.520 Meter). Die Luftkontrolleure lotsen zum Landeanflug, abwechselnd aus Feeder 1 und 2. In Kontakt mit dem automatischen Landesystem ILS (Instrumental Landing System) haben die Jets einen Abstand von fünf Meilen. Genau die Hälfte wie in den Feedern, weswegen diese von den Kontrolleuren auch unabhängig voneinander gefüttert werden können, denn alles, was in die beiden Feeder hereinfliegt, kommt auch ohne Verzögerung wieder aus ihnen heraus.

Starts bei südlichem Wind erfolgen Richtung Meer, dabei müssen die Jets mindestens acht Meilen geradeaus fliegen und auf eine Höhe von 4000 Fuß kommmen, bevor sie die Richtung ändern dürfen. Auf 6000 Fuß drehen sie über Cabo Blanco in Richtung Porto Colom ab, um dann über Menorca und Marseille nach Deutschland zu fliegen. Maschinen, die Richtung Westen müssen, drehen laut Vorschrift sämtlich über dem Meer ab, lediglich einigen Turboprops wird die Genehmigung erteilt, mallorquinischen Boden im Südwesten der Insel zu überfliegen.

Für Palmas Kontrolleure des Luftraums hat die beschriebene Abwicklung (im Jargon Start 24 genannt) kaum Probleme. Ganz im Gegensatz zu Start 06. Denn beim Abheben in Richtung Norden kommen die abfliegenden der Mehrzahl der ankommenden Maschinen entgegen.

Die Flugzeuge, die nach Nordwesten (England, Nordspanien) wollen, steigen nach dem Abheben so schnell wie möglich auf 4000 Fuß, die sie über Costitx längt erreicht haben. Dort drehen sie Richtung Inca, wo sie schon bei mindestens 5000 Fuß fliegen, und dann weiter nach Barcelona.

Die Jets, die die Startbahn 06R (also die südlichere) nehmen, steuern bei 4000 Fuß über Costitx Richtung Cabo Salina, wo sie sich mit dem Großteil der ankommenden Flieger ins Gehege kommen. Deswegen bleiben sie auf etwa 5000 Fuß, bis sie Cabrera erreichen, steigen dann erst auf 12.000 Fuß. Auch letzteres ist ein Novum, seit die Flugrouten geändert worden sind.

Da das „Procedimiento 06” den Kontrolleuren die meisten Schwierigkeiten bereitet, wird, so weit möglich, Startrichtung 24 (also über das Meer) bevorzugt. Also etwa bei Seitenwind. Das ist in etwa 75 Prozent der Starts der Fall.