Sie frisieren die Hunde ihrer deutschen Kundschaft, sie
streichen ihre Häuser an, sie reparieren ihre Fernseher, verkaufen
ihnen Versicherungen, Vollkornbrot oder Leberkäse: Es gibt auf
Mallorca fast nichts, was Deutsche nicht für andere Deutsche täten,
wie ein Blick in den MM-Anzeigenteil beweist. Vor allem in den
vergangenen fünf Jahren haben der Immobilienboom und der Zuzug von
immer neuen deutschen Residenten und Zweitresidenten einen
Rattenschwanz von Unternehmern und Selbstständigen in allen
Branchen nach sich gezogen. Mallorca – Land der unbegrenzten
Möglichkeiten?
Es gibt sie in der Tat – die Storys, die die Karriere vom
Tellerwäscher zum Millionär erzählen. Oder zumindest die Menschen,
die vom armen Schlucker zum wohlhabenden Mann aufgestiegen sind.
Namen wie Karl Oberst (Wurstfabrikant) oder Wolfgang Rädlein (Grupo
Caprice) stehen für die Pioniere unter den deutschen Unternehmern
auf Mallorca. Sie kamen schon vor 20 oder 30 Jahren auf die Insel,
um mit viel Glück, Fleiß oder einer guten Idee Neuland zu betreten,
Produkte oder Dienstleistungen anzubieten, die es bis dahin in
dieser Form nicht gab.
Den richtigen Riecher zur richtigen Zeit hatte offenbar auch
Immobilienunternehmer Matthias Kühn, der heute 23 Filialen
betreibt. Er kam 1987, also noch vor dem Immobilienboom Mitte der
90er, auf die Insel. Geschenkt worden sei ihm allerdings nichts:
,,Es ist hier viel schwieriger als in Deutschland, ein Unternehmen
zu gründen.” Die Mallorquiner seien clevere Geschäftsleute, ,,die
haben nicht auf die Deutschen und auch nicht auf einen Kühn
gewartet.” Nur wer viel Disziplin und Leistungsbereitschaft
aufbringt, könne es schaffen.
Wie viele deutsche Unternehmer sich mittlerweile niedergelassen
haben, kann niemand sagen – weil die Firmen in der Regel als
spanische S.L. oder S.A. eingetragen sind und eine deutsche
Beteiligung in Statistiken nicht erscheint. Auch nicht die vielen
Freischaffenden, die sich als ,,Autonomos” selbstständig
machen.
Klar ist, dass der Trend zur Firma oder Zweitfirma auf Mallorca
ungebrochen ist. Neben den ernsthaften Geschäftsleuten lernen die,
die in solchen Fällen meistens als erste Anlaufstelle kontaktiert
werden, allerdings auch seltsame Vögel kennen. ,,Ich bekomme
regelmäßig merkwürdige Anfragen. Dies scheint aber unter dem
Einfluss von Urlaub, Wein und Sonne nicht verwunderlich, da beginnt
die Fantasie zu blühen”, berichtet Wirtschaftsberaterin Ursula
Müller-Breitkreutz, die Delegierte der Deutschen Handelskammer für
Spanien auf den Balearen ist. ,,Viele kommen recht blauäugig her”,
sagt auch Peter-Christian Haucke, der Deutsche Konsul auf Mallorca.
Oft fehlen klare Vorstellungen und Konzepte, dafür kommen viele mit
Fragen, die aber ein Konsulat nicht beantworten kann.
,,Was etwa ein Werkzeugbauer tun muss, um hier erfolgreich ein
Geschäft aufzuziehen, können wir auch nicht sagen. Dazu fehlt uns
das fachliche Wissen”, sagt Konsul Haucke. Er könne lediglich auf
ein Merkblatt des Bundesverwaltungsamtes Köln verweisen, das
Auswanderern allgemeine Infos über die Situation in Spanien an die
Hand gibt. ,,Das Problem ist, dass es hier wenige vernünftige
Anlaufstellen gibt. Meistens verweisen wir auf die Deutsche
Handelskammer.”
Allerdings führt Ursula Müller-Breitkreutz in ihrer Funktion als
ehrenamtliche Mitarbeiterin der Handelskammer keine
Unternehmensberatungen durch. Die Unternehmen müssen ihr Projekt
schriftlich einreichen und werden dann an die entsprechende
Kontaktperson der Handelskammer in Madrid weitervermittelt. Eine
umfassende Beratung muss auch dort bezahlt werden.
Wer eine Unternehmensberatung auf der Insel konsultiert, um bei
der Gründung einer Firma den Packen an Bürokratie zu bewältigen,
sollte auf die Reputation des Beraters achten, rät
Müller-Breitkreutz. Der Konsul empfiehlt, sich die Insel erst
einmal in Ruhe anzuschauen und mit denen zu sprechen, die in der
jeweiligen Branche bereits Erfahrungen gesammelt haben.
,,Es gibt viele fleißige und findige Leute, die es hier
geschafft haben”, so der Konsul. Insgesamt sei es heute aber sicher
schwieriger als vor 30 Jahren. ,,Viele scheitern.” Das ist dann der
Zeitpunkt, wenn sie wieder beim Konsulat anklopfen, weil sie völlig
mittellos dastehen.
Besonders stark vertreten zu sein scheint die Zahl der Träumer
unter den Gastronomen. Die Steigerung der Volksweisheit ,,Wer
nichts wird, wird Wirt” ist offenbar ,,Wer nichts wird, wird Wirt
auf Mallorca”. Der Drang nach einem Leben im Süden ist häufig
stärker als alle natürlichen Sicherheitsmechanismen. ,,Vielleicht
wird die Idee von der Kneipe auf Mallorca oft in der Kneipe
geboren”, vermutet Ursula Müller-Breitkreutz. ,,Die packen dann
meistens schnell wieder ein.”
Die besten Chancen haben ihrer Erfahrung nach diejenigen, die
schon in Deutschland in der Branche tätig waren und die nötige
Ahnung vom Business mitbringen. ,,Die können das dann überall
machen”, sagt die Diplom-Kauffrau. Wichtig sei, dass die
Kalkulation von Anfang an stimmt, und dass das be-rühmte schwierige
erste Jahr als Anlaufphase einberechnet wird.
Beispiel für eine Firma, ,,die es überall machen kann”, sind
offenbar die Malerwerkstätten Heinrich Schmid S.L. in Santa Ponça.
Sie ist Filliale eines Unternehmens, das seinen Sitz im
schwäbischen Reutlingen hat. Der Familienbetrieb hat sich zu einem
Giganten mit 65 Zweigstellen in Deutschland und 105 im Ausland
entwickelt. Das Geschäft in Santa Ponça ist das erste in Spanien.
In einem Jahr ist es auf sieben Mitarbeiter gewachsen – und derzeit
werden weitere qualifizierte Kräfte gesucht.
,,Wir haben am Anfang schon ein paar Schwierigkeiten mit dem
Papierkram gehabt”, berichtet Geschäftsführer Renato Franco. Aber
die Erfahrungen mit den anderen Auslandsfilialen und die
Zusammenarbeit mit spanischen Beratern hätten bei der
Unternehmensgründung geholfen.
Wie auch andere Handwerker wirbt diese Firma mit ,,deutscher
Wertarbeit”, die anvisierte Klientel sind betuchte Deutsche, die
entweder den einheimischen Firmen nicht vertrauen oder nicht gut
genug Spanisch sprechen. Allerdings hat sich mittlerweile auch bei
ihnen herumgesprochen, dass nicht jeder Landsmann ein ehrlicher
Geschäftsmann ist. ,,Auch unter den deutschen Handwerkern gibt es
viele schwarze Schafe. Man muss sich das Vertrauen der Kunden
erarbeiten”, sagt Renato Franco.
,,Die, die vor zehn Jahren hergekommen sind, sind jetzt ganz
oben”, hat er beobachtet. Neue Firmen hätten es schwer. ,,Man
braucht Durchhaltevermögen.” Gerade diese Fähigkeit scheint manchem
unter der südlichen Sonne geradezu wegzuschmelzen. Der tägliche
Anblick von Urlaubern am Strand erhöht die Motivation nicht gerade.
Und auch in der Umgebung einer schönen Villa mit Pool und Blick
aufs Meer dreht mancher durch, der anstatt des Cocktailglases den
Hammer schwingen soll.
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