Nach BSE, Becker-Gespielinnen und der Maul– und Klauenseuche
treibt der deutsche Boulevard eine neue Sau durchs Medien-Dorf.
Mangels anderer Themen stürzt sich „Bild” (Auflage 4'2 Millionen)
auf den Urlaub, der immer teurer wird. Ganz oben auf der
Klage-Liste: Die in der vergangenen Woche vom Balearen-Parlament
beschlossene Ökosteuer, die von Hotelgästen bezahlt werden soll (je
nach Kategorie zwischen 0'25 und 2 Euro pro Person und Nacht).
Obwohl das, was „Bild” die Mallorca-Steuer nennt, noch gar nicht
kassiert wird – die Ausführungsbestimmungen liegen noch nicht vor,
möglicherweise legt eine Verfassungsklage des spanischen
Finanzministeriums die Taxe für Jahre auf Eis – forderte das
Massenblatt seine Leser auf, an den spanischen König Juan Carlos zu
schreiben: „Majestät, stoppen Sie diesen Unsinn!” Unbestätigten
Berichten zufolge soll die ,,Bild”-Redaktion sogar versucht haben,
über die deutsche Botschaft in Madrid die E-Mail-Adresse des
Monarchen zu erfahren.
Auf Mallorca herrschte am Donnerstag helle Aufregung, die
Lokalpresse berichtete ausführlich über die Kampagne.
Balearen-Ministerpräsident Antich blieb sachlich: „Der König hat
keinerlei Kompetenzen in dieser Angelegenheit”, was auch die
Pressesstelle des Königshauses so sieht.
Die MM-Schwesterzeitung „Ultima Hora” beurteilt das genauso,
doch in einem Kommentar weist Mallorcas führende Tageszeitung auf
die Tatsache hin, dass Mallorca durch die Kampagnen ein
Negativ-Image in Deutschland aufbaut. Die Balearen hätten das
Recht, solche Entscheidungen zu fällen. Die betroffenen Deutschen
hätten aber auch das Recht, diese Entscheidung zu kritisieren. Der
balearische Tourismusminister Alomar will die Ecotasa den deutschen
Medien und Meinungsbildnern noch in diesem Sommer erklären.
Zu spät, meint ,,Ultima Hora”. Deutsche Touristiker fragen sich
insbesondere, wofür die Einnahmen aus der Steuer ausgegeben werden
sollen. Obwohl die Balearenregierung bereits im September 2000
einen mehr als 100 Seiten starken Projektplan vorgelegt hat, ist es
offenbar nicht gelungen, diesen in der Öffentlichkeit zu
kommunizieren. Mit den erwarteten 12 Milliarden Pesetas (140
Millionen Mark), die jährlich per Ökosteuer in die Regionalkasse
fließen sollen, will man etwa Feuchtgebiete in touristischen Zonen
schüzen und erhalten, darunter Sa Gola in Port de Pollença, die
Restaurierung des Viertels Santa Caterina in Port de Sóller
durchführen oder von Can Picafort bis zum Naturpark Albufera einen
Radweg bauen.
Deutsche Touristik-Unternehmen sorgen sich jedoch wegen der
schlechten Presse um mögliche Rückgänge der Mallorca-Buchungen.
Noch hat die Kampagne keine Auswirkungen, erklärt ITS-Sprecherin
Annette Forré: „Gerade in letzter Zeit war die Buchungslage sogar
sehr erfreulich.” Die mallorquinischen Hoteliers beklagen schon
einen Rückgang der Reservierungen aus Deutschland. Laut
Verbandschef Pere Cañellas beträgt der zur Zeit 20 Prozent. Sollte
die Zahl stimmen, ist jedoch unklar, inwieweit die Ökosteuer, die
noch gar nicht kassiert wird, dafür verantwortlich ist.
Unklar ist auch, wie die Ecotasa überhaupt erhoben werden soll.
Denn das vorige Woche beschlossene Gesetz besagt lediglich, dass es
eine solche Steuer geben wird. Die Ausführungsbestimmungen liegen
noch nicht vor. Völlig offen ist daher, auf welche Art und Weise
die Taxe einkassiert werden soll.
Sowohl bei der TUI als auch bei Rewe-Touristik lehnt man das
Inkasso über den Reiseveranstalter kategorisch ab. Allerdings ist
für Dierk Berlinghoff, Bereichsleiter Flugreisen für Jahn-Reisen,
ITS, Tjaerborg und Smile&Fly der Einzug der Abgabe an der
Hotelrezeption für die Gäste unzumutbar. Deutsche Pauschalreisende
sind seit Jahren gewohnt, dass der Reisepreis alle Abgaben
enthält.
Auch ohne Öko-Steuer wird Reisen teurer. Das liegt vor allem am
Flugbenzin, dessen Kosten für die Airlines in den vergangenen zwei
Jahren drastisch angestiegen sind. 2000 mussten Fluggesellschaften
zwischen 60 und 80 Prozent mehr für den Treibstoff ausgeben, so
Aero-Lloyd-Sprecher Ansgar Schubert. Deswegen erhöhen die deutschen
Ferienflieger die Ticketpreise für die kommende Wintersaison um
acht bis zehn Prozent. LTU und Air Berlin bestätigen diese Erhöhung
für den Einzelplatzverkauf bereits, die anderen düften nachziehen.
LTU-Sprecher Marco Dadomo: „Ob wir mit dieser Preiserhöhung Erträge
erwirtschaften können, wissen wir noch nicht.” Weitere
Preissteigerungen wegen der Spritkosten sind also durchaus
möglich.
Noch ist nicht klar, inwieweit die Erhöhung auch auf den Preis
von Pauschalreisen durchschlagen wird. Gegenwärtig verhandeln
Reiseveranstalter und Airlines die Preise. Steigen werden sie wohl,
fragt sich bloß, wie hoch.
Und noch ein Kostenfaktor dräut: Der deutsche Finanzminister
Hans Eichel will in der EU die Besteuerung von Kerosin durchsetzen.
Für die zehnprozentige Abgabe hat er die Unterstützung seiner
Kabinettskollegen Trittin (Umwelt) und Klimmt (Verkehr).
Allerdings nicht die der betroffenen Fluggesellschaften:
„Ungerecht” findet Air-Berlin-Sprecher Peter Hauptvogel die Steuer,
weil Airlines bereits Gebühren für Luftwege oder Flughäfen
bezahlten.
Die künstlichen Preiserhöhungen über Steuern, sei es für Kerosin
oder für die mallorquinische Umwelt, werden so weit wie möglich an
die Kunden weitergegeben. „Fragt sich bloß, inwieweit das der Markt
zulässt”, bangt TUI-Sprecher Mario Köpers. Denn der ist in
Deutschland so heiß umkämpft, dass immer wieder Kunden mit
Sensations-Angeboten gelockt werden.
Das hat vor zwei Jahren dazu geführt, dass eine Pauschalreise in
die Dominikanische Republik (eine Woche All-inclusive) für 999 Mark
zu kriegen war. Der Erfolg: Viele Deutsche konnten sich erstmals
einen Karibik-Urlaub leisten. Oder die vielen Last-Minute-Flüge
nach Mallorca für 99 Mark. Auch Normalverdienen flogen mal eben zum
Wochenende auf die Sonneninsel. Dabei haben die Veranstalter
beziehungsweise die Airlines allerdings gnadenlos draufgezahlt.
Diese Zeiten sind vorbei: Jetzt wird auf Gewinn kalkuliert, wenn
auch messerscharf. Und dass bedeutet für den Verbraucher, dass er
nicht mehr so billig verreisen kann.
Einig sind sich Mallorca-Touristen und Residenten, die MM
in einer Umfrage zur Ecotasa befragte, dass die Schönheit der Insel
bewahrt werden muss. Vorausgesetzt, die Ökosteuer wird tatsächlich
für die Umwelt und die Verbesserung der Infrastruktur eingesetzt.
Gegenstimmen fanden sich unter den Befragten keine. Wiederkommen
wollen alle, mit oder ohne Ökosteuer.
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