Lügen, verdammte Lügen, Statistik. So steigerte schon Benjamin
Disraeli. Am meisten führen Durchschnittswerte in die Irre. Wie
der, dass das durchschnittliche Pro-Kopf-Einkommen auf den Balearen
das höchste in Spanien und eines der höchsten in der EU ist.
Nach einer jetzt vorgelegten Studie des balearischen
Finanzministeriums, die feinere Messinstrumente einsetzt, geht es
den Bürgern auf den Balearen zwar nicht schlecht. Aber sie sind in
Sachen Lebensqualität lange nicht Spitze.
Das bestätigt, was man sieht, wenn man mit offenen Augen die
Realität auf den Inseln betrachtet: Die Menschen arbeiten viel,
dafür leben sie wenig – nur in Andalusien wird früher gestorben als
hier. Sonne allein macht eben nicht glücklich, und Wohlstand drückt
sich nicht allein durch Nullen auf dem Gehaltsscheck aus.
Wer hat nun Schuld daran? In erster Linie die Politiker, vor
allem in Madrid, aber auch in Palma, die verhindern, dass die
öffentliche Hand auf den Balearen dem Bruttoinlandsprodukt
angemessen investiert. Denn dann wären die Zahlen in Sachen Bildung
und Gesundheit besser.
Schuld daran ist aber auch eine Struktur, die sehr zerbrechlich
ist. Denn das meiste Geld fließt durch den Tourismus auf die
Inseln, im Sommer in dicken Strömen, im Winter in einem Rinnsal.
Dadurch ist der Arbeitsmarkt instabil, viele Menschen schuften im
Sommer pausenlos, sind aber im Winter monatelang erwerbslos. So hat
der Industriezweig, der von der Sonne lebt, dunkle
Schattenseiten.
Die Forderung an die Politiker, über Parteigezänk hinaus Politik
zu machen, ist müßig, aber wieder einmal angebracht. Aber auch die
Unternehmer auf den Balearen, vor allem die Hoteliers, dürfen sich
nicht aus der Verantwortung stehlen. Es kann nicht angehen, dass
sie dicke Geschäfte machen, aber Angestellte nach Belieben auf die
Straße setzen – was die Gesellschaft, etwa in Form von
Arbeitslosengeld, zahlen muss.
Es hat nichts mit Neid zu tun, wenn man von Familien wie den
Escarrers, die die fünftreichste in Spanien ist, mehr soziales
Gewissen fordert. Nicht nur die Eigentümer der größten spanischen
Hotelkette Sol-Meliá verzerren mit ihren Mega-Einkünften die Zahl
des Durchschnittseinkommens. Warum sollten sie nicht auch zu einer
Verbeserung der allgemeinen Lebensqualität beitragen?
Kein Kommentar
Um einen Kommentar schreiben zu können, müssen Sie sich registrieren lassenund eingeloggt sein.
Noch kein Kommentar vorhanden.