Einer Landschaft und ihrer Kultur kann sich der Reisende auch
lesend annähern. Ein paar Zeilen Kafka vor der Ankunft in Prag, ein
bisschen ,,Manhattan Transfer” vor dem Tripp nach New York, eine
Prise Balzac im Zug nach Paris, und man kommt nicht ahnungslos
an.
Nur für Mallorca war diese Art der literarischen Vorbereitung
bisher für deutsche Leser kaum möglich. Zwar haben sich reisende
Vorgänger im Dutzend über die Unbill, Schönheiten und Eigenarten
der Insel ausgelassen – die illustre Reihe von George Sand über
Albert Camus bis Paul Theroux lässt sich in den vielen
Mallorca-Lesebüchern studieren. Aber was die Insulaner selber
geschrieben haben, das weiß niemand, der des Katalanischen oder
wenigstens des Spanischen nicht mächtig ist.
Und dabei haben die Mallorquiner gerade in den letzten 20 Jahren
eine für eine kleine Mittelmeerinsel bemerkenswert lebhafte
literarische Kultur entwickelt. An Büchern, aus denen der
deutschsprachige Leser Interessantes über das Wesen seiner
Gastgeber oder neuen Mitbürger erfahren könnte, mangelt es nicht.
Viele Autoren haben die Qualität, dass man die Lektüre nicht als
integrationsfördernde Arbeit, sondern als lustvolle
Freizeitgestaltung begreifen kann.
Wenn nur die vermaledeite Sprachbarriere nicht wäre. Darum ist
es nur zu begrüßen, wenn das balearische Kultusministerium jetzt
Übersetzungen mallorquinischer Literatur ins Deutsche und in andere
Sprachen subventioniert. Umgerechnet ein paar tausend Mark
Steuergeld pro Werk sind gut angelegtes Geld. Die Regionalregierung
von Katalonien tut das übrigens schon seit 20 Jahren. Mallorca hat
mehr zu bieten als Strand, Sonne und schöne Landschaft. Und das
kulturelle Schaffen hat auch nicht mit Ramon Llull und dem Bau der
Kathedrale aufgehört.
Auch für das Zusammenleben von Einheimischen und Zugezogenen
kann Literatur hilfreiche Informationen liefern. Aus einem viel
gelesenen Roman erfährt man mehr über die Befindlichkeiten der
Mallorquiner als aus zig oberflächlichen Gesprächen am Tresen. Dass
bei den Gästen großes Interesse an Gedrucktem über die Insel
besteht, belegen die vielen Neuauflagen der Werke von George Sand,
Robert Graves und anderen. Wenn echte Mallorca-Romane an den
Kiosken liegen, werden viele Besucher zugreifen und mehr über die
Insel erfahren. Das ist gut so.
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