Freundliche Menschen streifen nackt und ohne Scham durchs
Paradies: Mallorca-Fans verklären die Insel gerne zum Garten Eden.
Zu Unrecht. Zwar gehen Deutsche hier oft unbekleidet. Aber
Freundlichkeit heucheln viele nur. Schamlos sind sie vor allem im
Umgang mit anderen.
Experten gehen davon aus, dass die Kriminalität der Alemanes auf
Mallorca sehr viel höher ist als die der Daheimgebliebenen. ,,Auf
Mallorca leben in etwa so viele Deutsche wie in Schweinfurt”, sagt
der Anwalt Hans von Rothenhan. Aber in dem Städtchen am Main mit
seinen knapp 60.000 Einwohnern geschehen nicht jedes Jahr ein bis
zwei Morde wie unter den Mallorca-Deutschen.
Der deutsche Konsul Peter-Christian Haucke sorgt sich aber nicht
nur um spektakuläre Gewaltverbrechen. Hilflos steht er vor der
Dimension der Alltagskriminalität seiner Landsleute: Drogenhandel,
Diebstähle, Einbrüche, Schlägereien. ,,Wir kriegen jeden Tag ein
bis zwei Anrufe der spanischen Polizei. Die lassen die Leute aber
meist nach kurzer Zeit wieder laufen.” Erst recht keine Handhabe
finden Polizei und Justiz gegen die innerhalb der deutschen Kolonie
fast als Volkssport betriebene Abzocke vom ausgeklügelten Betrug
bis zur simplen Weigerung, Rechnungen zu bezahlen.
Das hat mit der Vorgeschichte vieler Mallorca-Deutscher zu tun,
die sie beim Neustart in der Sonne so trefflich abstreifen können.
Haucke und Rotenhan sind sich einig, dass die Hälfte der auf der
Insel lebenden Alemanes nicht freiwillig hier ist: Viele flüchten
vor der Justiz, vor Gläubigern, vor Unterhaltszahlungen für Kinder
oder geschiedene Frauen.
Andere Mallorca-Einwanderer sind in der Heimat gescheitert. Sie
versuchen auf der Insel wieder auf die Beine zu kommen und
verfallen auf unehrliche Aktivitäten. ,,Jeder lässt sich etwas
einfallen, um Geld zu verdienen”, sagt Haucke”. ,,So viele
Hochstapler wie hier rumlaufen, das habe ich noch nirgendwo
erlebt”, seufzt ein Deutsch-Amerikaner, der selbst leidvolle
Erfahrungen machte. ,,Ein Großteil unserer deutschen Landsleute hat
ihr Unrechtsbewußtsein im Flieger zurückgelassen”, meint der
Konsul.
Kleinkriminelle haben, so klagen die Experten, nicht viel zu
befürchten: ,,Wenn der Delinquent nicht mehr in Deutschland und die
Gesellschaft vor ihm geschützt ist, sieht der deutsche Staat das
Rechtsinstitut der Generalprävention als erfüllt an”, erklärt
Jurist Rotenhan.
Weniger weich ist das Ruhekissen für gesuchte Schwerkriminelle,
von denen sich auch viele nach Mallorca absetzen. Zuletzt nahm die
Guardia Civil Mitte Juni in Llucmajor drei junge Deutsche fest, die
in Bocholt bei einem Raubversuch eine Seniorin umgebracht haben
sollen. ,,Wenn jemand zur Fahndung ausgeschrieben ist, klappt das
ganz gut”, sagt der Konsul.
In Orten wie Cala d'Or, Cala Millor, Portals, Calvià oder
Arenal, wissen Ermittler, sind auch organisierte Gruppen deutscher
Krimineller am Werk, die Autos und Yachten verschieben, naive
Geldanleger betrügen, Drogen handeln, hehlen, Geld waschen.
Auch im Alltag normaler Menschen ist die Unrechtskultur
eingezogen. Fast jeder Resident kennt Geschichten, wie meist
Neuankömmlinge gelinkt wurden. Nicht jeden trifft es so hart wie
jenen Deutschen, der in drei Monaten seine gesparte Viertelmillion
Mark loswurde. Erst ließ er sich ein Mietappartement als
Eigentumswohnung aufschwatzen. Dann kaufte er eine Yacht, die er
beim Abholen auf dem Grund des Hafens von Mahón (Menorca) fand.
Die Zahl der Deutschen, denen andere Deutsche Geld schulden, ist
enorm: ,,In meinen Gottesdiensten sitzen mehr Gläubiger als
Gläubige”, pflegte Pater Theobald Schmidt zu sagen, lange Jahre
Pfarrer der deutschen katholischen Gemeinde in Arenal.
Viele Neuankömmlinge machen es Betrügern leicht. Grund für die
Vertrauensseeligkeit sind meist mangelnde Sprachkenntnisse. Selbst,
wer nur kurz auf der Insel ist, hat vermeintlich Insidervorsprung.
Rotenhans Kollege Eckehard Boxberger: ,,Viele lassen sich von
Landsleuten leichter überreden. In der Euphorie, auf der
Sonneninsel zu sein, vergessen sie alle Vorsichtsmaßnahmen.”
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