,,Die Krise ist wieder ausgebrochen”: Mehr ließ sich der
balearische Energieversorger GESA am Donnerstag offiziell nicht
entlocken. Denn wer geglaubt hatte, nach den inselweiten
Stromausfällen und -abschaltungen der vergangenen Woche sei der
Notstand überwunden, hatte sich getäuscht.
Am Dienstag legte ein Feuer in einer gerade reparierten Turbine
des Kraftwerks Es Murterar bei Alcúdia die Versorgung in 30
Gemeinden bis zu eineinhalb Stunden lahm. Einen Tag darauf brach
eine Produktionslinie im alten Kraftwerk Sant Joan de Déu bei Palma
zusammen. Damit war die Reserve der GESA aufgezehrt, nur haarscharf
schrammte die Insel am Mittwoch abend an einem weiteren
Stromausfall vorbei.
Nach Ansicht von Kritikern wie Carlos Bravo von Greenpeace legt
die Havarie-Serie, die am Donnerstag dem 15. Juni mit einem
Kurzschluss im Umspannwerk Llubí begonnen hatte, die Anfälligkeit
des zentralisierten Systems offen. Es werde hohe Zeit, kleine
dezentrale Kraftwerke zu bauen und mehr Strom aus Sonne, Wind und
Meereswellen zu gewinnen und ins Netz einzuspeisen.
Die Kunden sind sauer: Unternehmensverbände schätzen die Schäden
für die Wirtschaft der Insel durch stillstehende Maschinen,
aufgetaute Kühltruhen und außer Betrieb gesetzte Kassen vorsichtig
auf eine Milliarde Pesetas (11'8 Mio. Mark). GESA-PRäsident
Bartomeu Reus sagte zu, Entschädigungen zu zahlen, falls die von
der Balearenregierung eingesetzte Untersuchungskommission
Versäumnisse des privaten Strom-Monopolisten feststellen werde.
Nach Einschätzung aller Experten ist es aber klar, dass GESA an
der Pannenserie der vergangenen Tage eine Mitschuld trägt. Die
Mitarbeiter der inzwischen zum Anhängsel des spanischen
Energie-Giganten Endesa herabgesunkenen Unternehmens haben schon
vor Monaten vor Personalmangel und unzureichender Wartung des
Materials gewarnt.
,,Wir hatten zum Jahreswechsel deswegen im Kraftwerk Es Murterar
einen Streik ausgerufen”, sagt Andrés Rodríguez von der
Gewerkschaft Comisiones Obreras (CC.OO) GESA wollte die
Mitarbeiterzahl in Mallorcas mit Abstand wichtigstem Kraftwerk
weiter von 164 auf 160 verringern. Nach den Protestaktionen sind
dort jetzt 184 Mann im Schichtdienst tätig, keiner zuviel, um die
Turbinen nach den Pannen wieder anzuwerfen.
Die Arbeiter berichten auch, dass GESA die Wartung der Maschinen
vernachlässigt hat. Nach einem Kurzschluss in einer ausgehenden
Leitung sei es normal, dass die Turbinen stehen bleiben, sagt
Rodríguez. Eine solche Panne sei aber in einer halben Stunde zu
beheben. Nämlich dann, wenn die Not-Anlagen einwandfrei
funktionieren. Aber die Batterien, die die Kugellager an den
Turbinen am Laufen halten, hatten statt für vier Stunden nur für
zehn Minuten Saft gehabt. Deswegen blieben die Kugellager stehen,
das unter dem mehr als 500 Grad warmen Dampf heißgelaufene Material
verzog sich und die Techniker konnten nicht mit der Reparatur
beginnen, weil das Metall zwei Tage zum Abkühlen brauche, bis man
es anfassen konnte.
Dem Chef der GESA-Mutterfirma Endesa Generación, Manuel Morán,
werfen die Gewerkschafter eine gnadenlose Kostensenkungspolitik
vor, die nun ihren Tribut fordere. Auf Weisung von oben wolle GESA
den Rhythmus für eine Generalrevision ihrer Maschinen von zwei auf
vier Jahre verdoppeln, nennt Rodríguez ein weiteres Beispiel. Oder
das als Reserve vorgehaltene Uralt-Kraftwerk Sant Joan de Déu: Hier
sei seit Jahren nichts investiert worden: ,,Sogar die Mauern fallen
um.” Das balearische Ministerium für Energie drängt darauf, dass
die spanische Regierung in Madrid ein eigenes Gesetz für die
Energieversorgung auf den Inseln erlässt. Auf den Balearen und den
Kanaren greift die Liberalisierung des Strommarkters nicht, weil es
nur einen Energieversorger gibt. Energieministerin Misericòrdia
Ramón (PSOE) erwartet Rahmenbedingungen, diees anderen Unternehmen
ermöglichen, sich auf den Insen anzusiedeln und der GESA Konkurrenz
zu machen. Das wird aber nur mit öffentlicher Förderung möglich
sein, weil die Stromerzeugung auf den isolierten Inseln teurer ist
als auf dem Festland, folglich also jedes Privatunternehmen ohne
Subventionen die gewaltigen Investitionen scheut. Zwar hat Endesa
vor kurzem zugesagt, 75 Milliadren Pesetas (882 Millionen Mark) auf
den Inseln zu investieren. Schriftlich habe sie diese Versicherung
aber noch nicht vorliegen, so Ministerin Ramón.
Bisher fehlt die rechtliche Handhabe, GESA beziehungsweise
Endesa für eventuelle Versäumnisse zur Rechenschaft zu ziehen und
aus dem Geschäft zu drängen. Erst in einem demnächst zu
beschließenden Energie-Plan sollen Vorgaben der Comunidad Autónoma
fixiert werden, die GESA dann einhalten muss. Falls sie das nicht
tut, sollen sich andere Firmen um die geforderten Aufgaben bewerben
können.
Solange wird GESA trotz der Stromausfälle weiter kräftige
Gewinne einfahren: 1998, dem letzten Jahr, in dem GESAs
Geschäftszahlen noch eigenständig veröffentlicht wurden, machte der
Monopolist auf den Balearen bei einem Umsatz von 66 Milliarden
Pesetas (776 Mio. Mark) zehn Milliarden (117 Mio. Mark) Gewinn.
Daran dürfte sich auch unter dem Dach der großen Endesa kaum etwas
geändert haben.
GESA-Chef Reus schlug im Fernsehsender ,,Telenova” vor, wie der
Service der GESA zu verbessern sei: Die Kunden sollten höhere
Strom-Tarife zahlen.
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