In dem Dorf im Inselosten ist man sowohl stolz auf das Sportzentrum als auch auf die 100-jährige Vereinsgeschichte. | Andi Nowey

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Es ist ein ganz normaler Mittwochvormittag. Die meisten Fensterläden sind dicht, das Gelb der sandfarbenen Hausfassaden dominiert, an dem örtlichen Mini-Eroski geben sich gefühlt nur zu jedem Glockenschlag Kunden die Klinke in die Hand, und neben dem schnuckeligen Stadtkern mit seinen schmalen Straßen und den Hauptplätzen zu Fuße der Kirche gibt es auch sonst nicht viel zu sehen. Hätte man das Dorf nicht mit dem Betreten sogleich unheimlich sympathisch gefunden, müsste man es wahrscheinlich als langweilig katalogisieren. Nichts, aber auch rein gar nichts deutet hier darauf hin, dass wir uns aktuell auf eben jener Insel befinden, die von Touristenwellen nahezu überspült wurde. Das Dorf Sant Llorenç des Cardassar, nur jeweils knappe zwölf Kilometer südlich von Artà und westlich von Cala Millor gelegen, scheint geradezu in einen hundertjährigen Schlaf versunken zu sein.

Wäre da nicht der örtliche Fußballverein C.E. Cardassar, der just in diesem Jahr genau seinen 100. Vereinsgeburtstag feiert. Am Ortsausgang, wo die Ma-3323 quasi ins Nichts führt, steht direkt neben dem städtischen Freibad das Sportzentrum Camp Municipal d’Esports und reiht sich in den Dornröschenschlaf mit ein. Zugegeben, auf überregionaler Ebene hat der Club trotz seiner stolzen Historie nie eine Rolle gespielt, in den 1950er Jahren schaffte man als höchstes Spiellevel den Sprung in die Drittklassigkeit.

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Das Sportzentrum in Sant Llorenç: Man ist stolz auf die 100-jährige Vereinsgeschichte.

Dennoch, ein Meilenstein war das Spieljahr 1956/57, als der Club an der Amateurmeisterschaft teilnahm und sich mit Barcelona Junior messen durfte. Mit Pedro Caldentey brachte dieser kleine Verein immerhin einst einen Torwart hervor, der es bis zum großen FC Barcelona und zu Real Oviedo schaffte, zudem brachte es Guillem Febrer zu Einsätzen für Celta de Vigo. Und über all dem strahlt in der Vereinsgeschichte der Besuch von Atlético Madrid im Rahmen des Pokalwettbewerbs Copa del Rey im Dezember 2020. Die Inselkicker zogen sich trotz der klaren Außenseiterrolle mit einem 0:3 ordentlich aus der Affäre.

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Nun also im Jahr 2024 das 100-jährige Vereinsjubiläum als ein weiteres Ereignis, das den Verein und den ganzen Ort in Betriebsamkeit versetzt. Es ist eine Marke, die zuvor erst wenige Clubs auf Mallorca erreicht haben, entsprechend wurde dieser Geburtstag auch begangen. Auf Gemeindeebene verlieh der Stadtrat von Sant Llorenç des Cardassar die „Medalla de Oro Municipal” (die kommunale Verdienstmedaille in Gold) an den Club, um die gesamte Geschichte und Bedeutung des Vereins anzuerkennen und wertzuschätzen.

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Schwarz-Gelb sind die Farben des Vereins.

Auf sportlicher Ebene fanden einige Veranstaltungen statt, beispielsweise das 100-Jahr-Turnier des Vereins, an dem sich alle aktiven Mannschaften des Clubs beteiligten. Das Einlagespiel zum Patronatsfest von Sant Llorenç ging dann gegen Real Mallorca B über die Bühne, gespielt wurde in Sondertrikots zum Jubiläum. „Wir verstehen Fußball als soziales Instrument, an dem junge Menschen teilnehmen und ihre Fähigkeiten durch Sport und Bildung weiterentwickeln können”, verdeutlicht Jaume Soler, der Präsident des Vereins. 550 Mitglieder hat der Club, dessen erste Mannschaft in der Liga „División de Honor Mallorca” (vergleichbar mit der 5. Liga) beheimatet ist.

Nach einem ordentlichen Saisonstart ist die Hoffnung auf einen Sprung und die Rückkehr in die balearenweite Regionalliga vorhanden. Doch Soler betont die Priorisierung im Verein: „Wir konzentrieren uns auf Breitenfußball, indem wir stets die Werte von Sport und Bildung vermitteln.” Es sind vorbildliche Ziele, die sich die Verantwortlichen insbesondere in Zeiten, in denen der Vereinssport bei Jugendlichen immer mehr an Bedeutung verliert, gesteckt haben. Ziele, die für die Menschen aus Sant Llorenç aus dem Dasein in einem weitgehend unspektakulären Dorf dennoch ein attraktives Miteinander erzeugen.