Ohne viel Federlesen streift der Mann seine
Badehose ab, läuft splitterfasernackt ins Wasser. Seine
Handtuchnachbarn tuscheln: Er ist der einzige Unbekleidete am
Strand von Can Pastilla. „Ist das hier etwa ein FKK-Beach?“,
wundert sich die 26-jährige Sonja aus Hamburg, die hier mit ihrem
Freund Mark das erste Mal in der Sonne liegt. „Die meisten glauben
immer noch, man dürfe nur in ausgesprochenen FKK-Zonen hüllenlos
sein“, sagt Francisco Sastre, Sprecher der „Asociación Naturista
Balear“, des FKK-Verbandes der Inseln. Ausgewiesene
Nacktbadestrände gebe es auf der Insel nicht, erklärt der seit zehn
Jahren bekennende Nudist.
Etwa ein Dutzend Strände der Insel sind bei FKK-lern besonders
beliebt. Einige, etwa der Mittelteil des Es Trenc oder die Cala
Mago, sind sogar einst eigens von den Gemeindeverwaltungen
offiziell dazu erklärt worden. Letzterer nur, weil die Gemeinde
Calvià damit in einer Touristenflaute Anfang der 80er Jahre
Urlauber anlocken wollte. In den meisten Buchten hat es sich aber
lediglich eingebürgert, dass hier die Anhänger freier Körperkultur
ihresgleichen finden. „Was die wenigsten wissen: Wer Lust dazu hat,
kann sich in Spanien eigentlich überall ausziehen. Auf der Terrasse
ebenso wie am Strand, im Park – egal wo. Natürlich rein theoretisch
gesprochen. Jede Situation hat ja ihren Moment.“ Denn sich
unbekleidet in der Öffentlichkeit zu zeigen, gilt seit 1989 nicht
mehr als „Erregung öffentlichen Ärgernisses“, wie es etwa in
Deutschland auch heute noch der Fall wäre.
Damals wurde das Strafgesetzbuch erst modizifiziert, 1995 dann
darin endgültig besiegelt, dass öffentliches Nacktsein nur dann
einen Verstoß darstellt, wenn es mit eindeutig sexueller oder
exhibitionistischer Intention geschieht. „Obwohl wir uns seit
vielen Jahren dafür einsetzen, ist diese Regelung immer noch
weitgehend unbekannt“, beklagt sich der 46-Jährige. Jedes Jahr
komme es vor, dass die Polizei gerufen werde, weil jemand in einer
Bucht Anstoß an zwei „Nackedeis“ nehme. Sastre zieht einen Ausdruck
des Gesetzestextes hervor: „Deswegen raten wir jedem, der nackt
baden will, immer den Gesetzestext parat zu haben. So kann man den
Polizisten beweisen, dass sie uns verteidigen müssen – und nicht
umgekehrt.“
An den Stränden von Cadiz und Tarifa sowie an der Costa Brava
waren in den vergangenen Monaten Strafen zwischen 100 und 750 Euro
ausgesprochen worden, wenn sich Badegäste außerhalb der
ausgewiesenen Nudista-Abschnitte entblößten. „Eine Frechheit“, sagt
Sastre verärgert. Nachdem dort der lokale Nudistenverband auf die
Barrikaden gegangen war, zog Cadiz vor wenigen Tagen die Regelung
nun wieder zurück.
Auf den Balearen gehe es „Gott sei Dank“ ruhiger um die Nudisten
zu, erzählt Sastre. Allerdings verwässere sich die Bewegung stark:
Kein eingefleischter Nudist gehe im Sommer noch an den Es Trenc,
„mitten in der angestammten FKK-Zone siehst du nur noch Badehosen.
Ein bisschen mehr Respekt wäre angebracht“. Denn lege man sich
notgedrungen dann doch dazu, sei man immer noch Zielscheibe
neugieriger Blicke, „wobei die Toleranz und das Interesse am
Nudismus langsam aber stetig zunimmt“.
Sastre erklärt, dass unterschieden werden müsse zwischen den
„Naturistas“ und den „Nudistas“. Während Letztere sich einfach ohne
Kleider wohler und befreiter fühlen oder es vorziehen, nahtlos
braun zu werden, sei „Naturismo“ eine Lebensphilosophie: gesunde
Ernährung, Sport, Leben in Einklang mit der Natur. „Aber zu 99
Prozent sind alle nur Nudistas.”
Laut des spanienweiten Verbandes machen rund eine halbe Million
Spanier sporadisch FKK – jährlich kommen über 1'5 Millionen
Touristen dazu, die es ebenfalls vorziehen, nackt zu sein. Auch auf
Mallorca sind die meisten der Nacktbader Touristen, vornehmlich aus
Deutschland und Frankreich, den Ländern, in denen FKK in Europa am
stärksten vertreten ist. „Eigentlich eine interessante Marktnische,
die man hier touristisch mehr ausschöpfen könnte“, überlegt Sastre.
Laut einer internationalen Studie kommen Nudisten aus gut
situierter Mittelschicht, haben ein überdurchschnittliches
Einkommen. Vergeblich suchen sie auf Mallorca ein Nudisten-Zentrum,
wie es rund 20 auf dem Festland gibt: Clubs und Hotels, in denen
alle nackt sind – nur in der Cafeteria und im Restaurant herrscht
selbst dort Bekleidungspflicht. Auf Mallorca hatte es mehrere
Versuche gegeben, ein Angebot für Nackttouristen zu schaffen: 2003
etwa wurde der Antrag gestellt, in Sant Jordi ein
Fünf-Sterne-FKK-Hotel bauen zu dürfen, doch Palmas Stadtverwaltung
wiegelte ab.
Hüllenlos gibt sich Francisco Sastre deswegen nur bei sich zu
Hause oder am Strand – Urlaub macht er in den Zentren auf dem
Festland. Als 2004 rund 450 nackte Passagiere auf dem ersten
Nudisten-Kreuzer Europas von Barcelona über Ibiza dann Nizza
ansteuerten, war auch er an Bord. „In Amerika sind solche
Kreuzfahrten gang und gäbe, hier hinken wir noch hinterher.“ Es
möge daran liegen, dass die Spanier noch zu kämpfen hätten, die
Scham gänzlich abzulegen. „Noch nicht mal in der Sauna ziehen
Spanier ihre Badehosen aus.“ Auch er habe sich überwinden müssen,
dann habe die Neugierde gesiegt – schließlich habe ihn das Erlebnis
überzeugt: „Ohne klebenden Stoff im weichen Wasser, Sonne, Salz und
Wind auf der Haut, das ist einmalig.“
Kein Kommentar
Um einen Kommentar schreiben zu können, müssen Sie sich registrieren lassenund eingeloggt sein.
Noch kein Kommentar vorhanden.