Florian Ganders Worte sind wohlerwogen, für Zweifel bleibt kein
Raum: „Ich fühle mich eigentlich nur als Spanier. Mein Herz liegt
ganz in Spanien.” Und es sind nicht nur Worte. Der 20-Jährige,
gebürtig aus dem Raum Karlsruhe, hat mittlerweile seinen deutschen
Pass abgegeben und die spanische Staatsangehörigkeit beantragt. Der
Sohn deutscher Eltern lebt seit seinem fünften Lebensjahr auf
Mallorca, absolvierte hier die Schule und studiert derzeit an der
Balearen-Universität Grafikdesign.
Gander ist einer der konsequentesten Vertreter der zweiten
Generation. Gemeint sind die Nachkommen jener deutschen
Mallorca-Residenten, die sich vor 20 und mehr Jahren auf der Insel
niederließen, um für immer zu bleiben. Die Kinder dieser rein
deutschen Elternpaare sind meist noch im Bundesgebiet geboren,
verbrachten aber doch den größten Teil ihres Lebens auf der Insel.
Sie gingen auf spanische Schulen, erlernten hier einen Beruf und
zogen meist Mallorquiner als Lebenspartner vor.
Obgleich diese Zugewanderten fließend Deutsch sprechen, deutsche
Namen und Pässe haben, betrachten sie Mallorca als ihre einzige
Heimat, als ihr Zuhause. Statistiken über diese deutschen
Mallorquiner gibt es nicht, aber die erwachsenen Vertreter in
zweiter Generation dürften an wenigen Händen abzuzählen sein. Die
Zahl der zweiten Generation aus bi-nationalen Partnerschaften, die
allein schon durch einen spanischen Elternteil einen ganz anderen
Integrationszugang in die mallorquinische Gesellschaft haben,
dürfte deutlich größer sein.
Die zweite Generation aus deutschem Elternhaus beherrscht
perfekt Spanisch und in den allermeisten Fällen selbst Mallorquín.
Mit der deutschen Rechtschreibung steht sie dagegen meist auf
Kriegsfuß. „Da mache ich viele Fehler”, räumt Sven Hintze in
Capdepera ein. Der 39-Jährige kam mit sechs auf die Insel und
bedauert heute, den privaten Bemühungen seiner Eltern, mit ihm
Deutsch schreiben zu üben, nur unwillig gefolgt sein.
Der private Freundes– und Bekanntenkreis der zweiten Generation
besteht fast ausschließlich aus Einheimischen. Kontakte zu anderen
deutschen Inselresidenten oder gar Touristen sind die Ausnahme. Die
Identifikation mit der Neu-Heimat geht soweit, dass manche dieser
Insel-Germanen es mitunter ablehnen, Deutsch zu sprechen. Sie
entwickeln darüber hinaus eine ausgeprägte Abneigung dagegen, mit
den anderen deutschen Residenten oder Touristen auf der Insel in
Zusammenhang gebracht zu werden.
Wissenschaftler, die das Verhalten von Aus–, Ein– und
Zuwanderern erforschen, haben das Phänomen wiederholt beschrieben.
Der Professor für Soziologie an der Universität von North Dakota,
William Sherman, untersuchte die Integrationsabläufe von deutschen
Auswanderern in der Prärie. „Die zweite Generation steht in beiden
Welten”, beobachtete Sherman. Sie neige aber dazu, ihre Herkunft zu
verbergen, ihr zu entkommen.
Diese These scheint auch auf die deutschen Mallorquiner
zuzutreffen. Doch für alle diejenigen, die das Verleumden der
deutschen Wurzeln mit Bedauern sehen, sei zum Trost laut Sherman
gesagt: „Erst die dritte Generation versucht, sich an das zu
erinnern, was die zweite zu vergessen versuchte.”
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