Der angeschlagene Ruf Mallorcas macht auch vor Deutschlands
Bildungselite nicht Halt. „Als Studienort ist die Insel etwas
verschrieen”, sagt BWL-Student Markus Hilmes, und gibt zu, dass die
Universitat de les Illes Balears (UIB) für ihn nur dritte Wahl war.
Bei Sabine Dürre brachte es die hiesige Uni immerhin bis auf Platz
zwei der Wunschliste. Alicante wäre der Studentin der Ravensburger
Berufsakademie lieber gewesen.
Nach zwei Monaten Aufenthalt haben sich die beiden
Austauschstudenten mit der Baleareninsel ganz gut etabliert. Von
der Politik hinter den Kulissen bekommen sie freilich nichts mit.
Dabei flogen wegen des zu wählenden Standorts bereits lange vor der
ersten Vorlesung die Fetzen. Denn Mitte der Siebziger schieden sich
die Geister, wo die zukünftige Balearen-Universität ihren Sitz
haben soll – im Stadtgebiet Palmas oder abgelegen an der Landstraße
nach Valldemossa. Dass sich letztendlich der erste Rektor Nadal
Batle durchsetzen konnte, liegt nach Ansicht des damaligen
PSOE-Vorsitzenden der Balearen, Josep Moll Marquès, an dessen
„guten Beziehungen zur Zentralregierung in Madrid”. Wie weite Teile
der Gesellschaft findet Moll auch heute noch die Entscheidung gegen
Palma „sehr unvernünftig”.
Was acht Kilometer schmale Landstraße ausmachen können, hat
unlängst Antonio Verd Noguera in einem Meinungsartikel in der
Tageszeitung Ultima Hora beschrieben. Darin attestiert das
Universitätsratmitglied der UIB eine gescheiterte Integration in
die Gesellschaft. Für Außenstehende sei die Bildungseinrichtung ein
unbekanntes Wesen, ein Dialog mit der Bevölkerung finde nicht
statt.
Dafür mitverantwortlich hält Noguera den linguistischen Kreuzzug
des Ex-Rektors Batle gegen das hochspanische Castellano. Er habe
der 1978 eröffneten Bildungsanstalt mit aller Macht den
nationalistisch-katalanischen Stempel aufdrücken wollen. Jüngstes
Beispiel, dass Nogueras Kritik nicht unbegründet ist: Seit 27.
November läuft auf dem Universitätsgelände eine Ausstellung über
die Folgen und Konsequenzen der Erderwärmung. Finanziert wird die
Schau unter anderem von der balearischen Regierung und der
Sparkasse Sa Nostra. Stellt sich nun die Frage, wer außer den
Studenten davon etwas mitbekommen wird.
Wer nun meint, all die Konzentration nach innen führe
unweigerlich zu einer Top-Uni, sieht sich getäuscht. Im
landesweiten Universitätsranking landete die UIB 2002 mit ihren
knapp 13.000 Studenten im unteren Mittelfeld, Platz 30 von 46.
Hochschulexperten der Universitat de Barcelona und der University
of Pennsylvania bewerteten unter anderem Forschungs– und
Entwicklungsgeist, Organisationsstruktur, Dozenten und Ausstattung
sowie den Frauenanteil.
Nur im letzten Punkt erreichte die UIB einen Spitzenplatz (58%),
bei Ausgaben für Forschung und Entwicklung hingegen hält sie
spanienweit die Rote Laterne. Vielleicht hat es die Balearenjugend
schon immer geahnt: In keiner Region Spaniens sind umgerechnet auf
die Bevölkerungszahl weniger Studenten eingeschrieben.
Und es werden immer weniger, wenn auch langsam. Begannen im
Studienjahr 2000/2001 noch 13.912 Abiturienten mit einem Studium an
der UIB, waren es in diesem Herbst nur noch 12.992. Der
Vizedirektor des Auslandsamts (Relacions Internacionals), Avellí
Blasco Esteve, begründet diese Entwicklung mit den
geburtenschwachen Jahrgängen. Und versucht dem Negativtrend eine
gute Seite abzugewinnen: „Überfüllte Vorlesungsräume gibt es kaum
noch, allenfalls bei den Wirtschaftswissenschaften.” Die
Tageszeitung „El Mundo” will noch zwei weitere Gründe für den
Studentenschwund ausgemacht haben: den bereits oben angesprochenen
Katalanismus und die staatliche Fernuniversität UNED. Rund 16
Prozent Plus meldet die UNED für dieses Studienjahr.
Bleibt noch das politisch heikle Thema Catalán. „Wir sind eine
Universität, die den Gebrauch der katalanischen Sprache fördert”,
sagt Blasco. Ein Großteil der Vorlesungen findet daher in Catalán
statt. Allerdings, gezwungen werde keiner. „Jeder Student hat bei
Prüfungen die Wahl zwischen Castellano und Catalán.” Dass vor allem
ausländische Studierende oft Probleme mit dem Katalanischen haben,
verstehe er durchaus. Die könnten sich entweder einen Kurs in
Castellano suchen oder sich im Zuhören üben. Denn: „Sie müssen ja
nur verstehen und nicht reden.” Den Dozenten bleibe es selbst
überlassen, in welcher Sprache sie ihre Vorlesungen halten.
Für eine Universität auf einer international ausgerichteten
Insel verwundert, dass außer Anglistik sonst kein Studiengang mit
Auslandsbezug angeboten wird. Übersetzungswissenschaften?
Fehlanzeige. Vizerektor Noguera sieht vor allem das Problem der
Finanzierung. Dozenten, vor allem aus dem Ausland, seien teuer. Und
was passiert, wenn sich kaum ein mallorquinischer Abiturient dafür
interessiert? „Dann können wir den Studiengang nicht so ohne
weiteres wieder absetzen”, sagt er. Das Angebot kann sich trotzdem
sehen lassen. Die UIB vergibt 34 Abschlüsse der verschiedenen
spanischen Grade Licenciatura, Diplomado und Master, von Biochemie
über Erziehungswissenschaft bis hin zu katalanischer Philologie.
Seit 1995 gehört auch die benachbarte Tourismusfachschule Escola
Oficial de Turisme zur UIB.
Viel lieber redet Noguera über EGSG. Dahinter verbirgt sich
European Graduate Studies Group, ein Projekt von acht europäischen
Universitäten, das kommenden Herbst starten soll. Das Angebot an
Aufbaustudiengängen werde sowohl das geisteswissenschaftliche als
auch das naturwissenschaftliche Spektrum abdecken. Von Rennern wie
Betriebswirtschaft, Jura und Architektur ganz zu schweigen. Das
Prinzip, erklärt Noguera, ist ganz einfach. „Jede Uni stellt die
Programme auf die gemeinschaftliche Internetplattform, die sie hat
und anbieten will.” Der Beitrag der UIB werde sich voraussichtlich
zunächst auf Tourismus konzentrieren. Ganz ausgereift ist die Sache
allerdings noch nicht. So ist noch unklar, wie die in ganz Europa
verteilten Online-Studenten geprüft werden sollen.
Die beiden Austauschstudenten Sabine und Markus dürfte der
politische Hickhack im Hintergrund wenig interessieren. „Insgesamt
bin ich sehr glücklich hier”, sagt die Tourismusstudentin.
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