Rau hatte kaum Zeit für Landsleute auf der Straße – der Mallorca-Besuch dauerte nur sechs Stunden. Foto: Miquel A. Cañellas

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Mit Johannes Rau hat erstmals ein deutscher Bundespräsident Mallorca besucht. Und Rau war ein fröhlicher Besucher. Das deutsche Staatsoberhaupt zeigte sich bester Laune, war zu Scherzen aufgelegt, genoss das Bad in der Menge und suchte spontan den Kontakt zu deutschen Residenten und Urlaubern.

Aber es war zugleich auch ein hochpolitischer Besuch, denn Rau lobte die Anstrengungen Mallorcas, im Tourismus Ökonomie und Ökologie miteinander zu verbinden. Damit würdigte er indirekt auch die auf Mallorca umstrittene Touristen-Steuer, ohne das Wort „Ecotasa” im Munde zu führen. Hochpolitisch war der Besuch aber auch deshalb, weil einmal mehr die Spannungen zwischen der konservativen Zentralregierung in Madrid und der links-regionalen Balearen-Regierung zum Tragen kamen.

Dessen ungeachtet machte Johannes Rau nach Ansicht vieler Beobachter eine gute Figur. Der Bundespräsident gab sich während seines nur wenige Stunden dauernden Besuches am Mittwoch staatsmännisch, konsensorientiert, einfühlsam, humanistisch. In seiner Rede vor den Spitzen der mallorquinischen Gesellschaft und herausragenden deutschen Mallorca-Residenten in der alten Seehandelsbörse Lonja in Palma appellierte Rau an die Inselbewohner und Zugewanderten, mit Verständnis aufeinander zuzugehen.

„Beide Seiten sollten versuchen, die Gefühlslage des anderen zu verstehen.” Zugleich prangerte Rau Auswüchse des Massentourismus an. Von den Touristen forderte der Bundespräsident, dem Gastland, seinen Menschen und ihren Gewohnheiten mit Respekt zu begegnen. „Auch mit Trinkgeld kauft man sich nicht das Recht, einen Kellner schlecht zu behandeln.”

Doch der Reihe nach: Bei strahlendem Sonnenschein traf Johannes Rau samt Gattin Christina und einer etwa 70-köpfigen Delegation leicht verspätet aus Madrid gegen halb eins auf dem Flughafen Son Sant Joan ein. Der Bundespräsident hatte sich im Rahmen seines Staatsbesuches zunächst zwei Tage in der spanischen Hauptstadt aufgehalten und war dort unter anderem mit König Juan Carlos und dem Regierungschef José María Aznar zusammengekommen. Am ersten Besuchstag war Rau vom deutschen Außenminister Joschka Fischer begleitet worden.

Kurioses Detail am Rande: Anders als bei Staatsbesuchen üblich, wurde Rau von der spanischen Zentralregierung bereits in Madrid verabschiedet. Rau hatte sich ausdrücklich ausbedungen, am dritten Besuchstag auf die Balearen reisen zu wollen. Da die Beziehungen zwischen Madrid und Palma aber momentan in der Wahlkampfzeit reichlich unterkühlt sind, wollte kein Vertreter der Zentralregierung Rau nach Mallorca begleiten.

In Palma wurde Rau vom balearischen Ministerpräsidenten Francesc Antich (PSOE) begrüßt. Vom Flughafen setzte sich die lange Wagenkolonne, begleitet von zahlreichen Polizeifahrzeugen, mit Blaulicht in Richtung Zentrum in Bewegung. Rau wurde zunächst im Regierungssitz Consolat de Mar empfangen, wo sich der Bundespräsident und seine Frau in das Gästebuch eintrugen. Kurz nach 13 Uhr ging es zu Fuß durch den Garten in die Lonja, wo rund 300 geladene Gäste sowie eine Vielzahl Journalisten und Kamerateams gespannt auf den Staatsgast warteten. Unter Beifall durchschritten Rau – schwarzer Anzug, rote Krawatte – und Antich den gotischen Saal.

In seiner kurzen Eröffnungsrede unterstrich der balearische Ministerpräsident die traditionellen Bindungen zwischen den Inseln und Deutschland, „einem Land, zu dem wir eine besonders enge und herzliche Beziehung haben”. Antich äußerte den Wunsch, die Kultur und die Sprache seiner Heimat mögen für die deutschen Residenten ein Mittel zur Integration und des Miteinanders werden. Die Balearen strebten die Vorreiterrolle in einem neuen Tourismuskonzept an, in dem wirtschaftliches Wachstum, sozialer Fortschritt und ökologische Nachhaltigkeit mitander harmonisieren.

Johannes Rau zeigte sich in seiner gut halbstündigen Rede indirekt mit Antich einig und sagte: „Tourismus und Umweltschutz müssen keine Gegensätze sein, sondern sie können sich ergänzen.” Die Mallorquiner haben nach seinen Worten begonnen, in diesem Sinne zu handeln. Ausdrücklich lobte Rau die Gemeinde Calvià, die beim diesjährigen Umweltgipfel in Johannesburg für ihr Engagement im Umweltschutz ausgezeichnet worden war.

Später von Journalisten zur Ecotasa befragt, antwortete Rau: „Ich finde es nicht gut, wenn man am dritten Tage eines Staatsbesuchs zu einer innenpolitischen Frage des Gastlandes Stellung nehmen will.” Gleichwohl verwies Rau auf die in Deutschland an vielen Orten zu zahlende Kurtaxe, um schmunzelnd anzufügen: „Diese ist einerseits eine wichtige Einnahmequelle und andererseits ein großes Ärgernis für die, die sie bezahlen.”

Nach seinem mit großen Beifall aufgenommenen Vortrag ließ es Rau sich nicht nehmen, sich durch die dicht gedrängte Lonja geleiten zu lassen. Umringt von hektischen Fotografen und angespannten Leibwächtern schüttelte Rau zahllose Hände und ließ sich geduldig mit deutschen Residenten fotografieren. Bei Gesprächen mit den mallorquinischen Gästen stand dem Bundespräsidenten als Dolmetscher der Gesandte der Balearen in Berlin und MM-Mitarbeiter Josep Moll Marquès zur Seite. Hier und da erhielt der Bundespräsident ein Geschenk zugesteckt.

Zum Beispiel von Autor Herbert Heinrich eines seiner Wanderbücher. Andere Mallorca-Residenten brachten Rau manche Anregung oder Sorge zu Gehör, wie etwa der Vorsitzende des Deutsch-Mallorquinischen Vereins, Horst Abel, der mehr Unterstützung für deutsche Schüler auf Mallorca forderte. „Ich bin nicht die Regierung, aber ich werde es weiterleiten”, antwortete Rau.

Im Gespräch mit Pressevertretern im Hof sagte Rau, die an ihn herangetragenen Anliegen der deutschen Residenten betrafen neben der Schulfrage vor allem die als zu gering erachteten Hilfsmöglichkeiten für alte und pflegebedürftige Deutsche auf der Insel. In Sachen Schule plädierte er zwar für ein breites Angebot. „Aber wie in Deutschland, wo ich hoffe, dass die, die dauerhaft bei uns leben, auch deutsche Schulen besuchen, so wünsche ich mir das auch bei denen, die dauerhaft hier leben.”

Den Rückgang des Tourismus auf Mallorca wollte Rau nicht näher kommentieren. „Ich glaube, dass die Besucherströme auf die Balearen bleiben und wieder steigen werden – unter anderem natürlich nach meinem Besuch.” Nachdem sich Rau noch spontan mit einem Dutzend deutscher Touristen vor dem Consolat de Mar unterhalten hatte, wurde die Besuchsdelegation mit Blaulicht ins Restaurant Bahía Mediterráneo am Passeig Marítim kutschiert. Das Menü hielt Hummerragout, gefüllte Wachteln mit Trüffelsauce und einen exotischen Früchtesalat vor. Kredenzt wurden Sekt und Weißwein sowie ein Tinto Reserva des Weingutes Ferrer aus Binissalem.

Nach dem Mahl, dass sich gut zwei Stunden hinzog, blieb nur noch wenig Zeit für den Besuch der Kathedrale von Palma. Als Johannes Rau durch das Hauptportal das festlich beleuchtete Gotteshaus betrat, ertönten triumphatische Orgelklänge. Rau zeigte sich begeistert von der Schönheit der Kirche und bedauerte, nicht länger auf Mallorca bleiben zu können. Noch einmal wurden ausgiebig Hände geschüttelt, dann ging es für Rau zurück nach Berlin.