Mit Johannes Rau hat erstmals ein deutscher Bundespräsident
Mallorca besucht. Und Rau war ein fröhlicher Besucher. Das deutsche
Staatsoberhaupt zeigte sich bester Laune, war zu Scherzen
aufgelegt, genoss das Bad in der Menge und suchte spontan den
Kontakt zu deutschen Residenten und Urlaubern.
Aber es war zugleich auch ein hochpolitischer Besuch, denn Rau
lobte die Anstrengungen Mallorcas, im Tourismus Ökonomie und
Ökologie miteinander zu verbinden. Damit würdigte er indirekt auch
die auf Mallorca umstrittene Touristen-Steuer, ohne das Wort
„Ecotasa” im Munde zu führen. Hochpolitisch war der Besuch aber
auch deshalb, weil einmal mehr die Spannungen zwischen der
konservativen Zentralregierung in Madrid und der links-regionalen
Balearen-Regierung zum Tragen kamen.
Dessen ungeachtet machte Johannes Rau nach Ansicht vieler
Beobachter eine gute Figur. Der Bundespräsident gab sich während
seines nur wenige Stunden dauernden Besuches am Mittwoch
staatsmännisch, konsensorientiert, einfühlsam, humanistisch. In
seiner Rede vor den Spitzen der mallorquinischen Gesellschaft und
herausragenden deutschen Mallorca-Residenten in der alten
Seehandelsbörse Lonja in Palma appellierte Rau an die Inselbewohner
und Zugewanderten, mit Verständnis aufeinander zuzugehen.
„Beide Seiten sollten versuchen, die Gefühlslage des anderen zu
verstehen.” Zugleich prangerte Rau Auswüchse des Massentourismus
an. Von den Touristen forderte der Bundespräsident, dem Gastland,
seinen Menschen und ihren Gewohnheiten mit Respekt zu begegnen.
„Auch mit Trinkgeld kauft man sich nicht das Recht, einen Kellner
schlecht zu behandeln.”
Doch der Reihe nach: Bei strahlendem Sonnenschein traf Johannes
Rau samt Gattin Christina und einer etwa 70-köpfigen Delegation
leicht verspätet aus Madrid gegen halb eins auf dem Flughafen Son
Sant Joan ein. Der Bundespräsident hatte sich im Rahmen seines
Staatsbesuches zunächst zwei Tage in der spanischen Hauptstadt
aufgehalten und war dort unter anderem mit König Juan Carlos und
dem Regierungschef José María Aznar zusammengekommen. Am ersten
Besuchstag war Rau vom deutschen Außenminister Joschka Fischer
begleitet worden.
Kurioses Detail am Rande: Anders als bei Staatsbesuchen üblich,
wurde Rau von der spanischen Zentralregierung bereits in Madrid
verabschiedet. Rau hatte sich ausdrücklich ausbedungen, am dritten
Besuchstag auf die Balearen reisen zu wollen. Da die Beziehungen
zwischen Madrid und Palma aber momentan in der Wahlkampfzeit
reichlich unterkühlt sind, wollte kein Vertreter der
Zentralregierung Rau nach Mallorca begleiten.
In Palma wurde Rau vom balearischen Ministerpräsidenten Francesc
Antich (PSOE) begrüßt. Vom Flughafen setzte sich die lange
Wagenkolonne, begleitet von zahlreichen Polizeifahrzeugen, mit
Blaulicht in Richtung Zentrum in Bewegung. Rau wurde zunächst im
Regierungssitz Consolat de Mar empfangen, wo sich der
Bundespräsident und seine Frau in das Gästebuch eintrugen. Kurz
nach 13 Uhr ging es zu Fuß durch den Garten in die Lonja, wo rund
300 geladene Gäste sowie eine Vielzahl Journalisten und Kamerateams
gespannt auf den Staatsgast warteten. Unter Beifall durchschritten
Rau – schwarzer Anzug, rote Krawatte – und Antich den gotischen
Saal.
In seiner kurzen Eröffnungsrede unterstrich der balearische
Ministerpräsident die traditionellen Bindungen zwischen den Inseln
und Deutschland, „einem Land, zu dem wir eine besonders enge und
herzliche Beziehung haben”. Antich äußerte den Wunsch, die Kultur
und die Sprache seiner Heimat mögen für die deutschen Residenten
ein Mittel zur Integration und des Miteinanders werden. Die
Balearen strebten die Vorreiterrolle in einem neuen
Tourismuskonzept an, in dem wirtschaftliches Wachstum, sozialer
Fortschritt und ökologische Nachhaltigkeit mitander
harmonisieren.
Johannes Rau zeigte sich in seiner gut halbstündigen Rede
indirekt mit Antich einig und sagte: „Tourismus und Umweltschutz
müssen keine Gegensätze sein, sondern sie können sich ergänzen.”
Die Mallorquiner haben nach seinen Worten begonnen, in diesem Sinne
zu handeln. Ausdrücklich lobte Rau die Gemeinde Calvià, die beim
diesjährigen Umweltgipfel in Johannesburg für ihr Engagement im
Umweltschutz ausgezeichnet worden war.
Später von Journalisten zur Ecotasa befragt, antwortete Rau:
„Ich finde es nicht gut, wenn man am dritten Tage eines
Staatsbesuchs zu einer innenpolitischen Frage des Gastlandes
Stellung nehmen will.” Gleichwohl verwies Rau auf die in
Deutschland an vielen Orten zu zahlende Kurtaxe, um schmunzelnd
anzufügen: „Diese ist einerseits eine wichtige Einnahmequelle und
andererseits ein großes Ärgernis für die, die sie bezahlen.”
Nach seinem mit großen Beifall aufgenommenen Vortrag ließ es Rau
sich nicht nehmen, sich durch die dicht gedrängte Lonja geleiten zu
lassen. Umringt von hektischen Fotografen und angespannten
Leibwächtern schüttelte Rau zahllose Hände und ließ sich geduldig
mit deutschen Residenten fotografieren. Bei Gesprächen mit den
mallorquinischen Gästen stand dem Bundespräsidenten als Dolmetscher
der Gesandte der Balearen in Berlin und MM-Mitarbeiter Josep Moll
Marquès zur Seite. Hier und da erhielt der Bundespräsident ein
Geschenk zugesteckt.
Zum Beispiel von Autor Herbert Heinrich eines seiner
Wanderbücher. Andere Mallorca-Residenten brachten Rau manche
Anregung oder Sorge zu Gehör, wie etwa der Vorsitzende des
Deutsch-Mallorquinischen Vereins, Horst Abel, der mehr
Unterstützung für deutsche Schüler auf Mallorca forderte. „Ich bin
nicht die Regierung, aber ich werde es weiterleiten”, antwortete
Rau.
Im Gespräch mit Pressevertretern im Hof sagte Rau, die an ihn
herangetragenen Anliegen der deutschen Residenten betrafen neben
der Schulfrage vor allem die als zu gering erachteten
Hilfsmöglichkeiten für alte und pflegebedürftige Deutsche auf der
Insel. In Sachen Schule plädierte er zwar für ein breites Angebot.
„Aber wie in Deutschland, wo ich hoffe, dass die, die dauerhaft bei
uns leben, auch deutsche Schulen besuchen, so wünsche ich mir das
auch bei denen, die dauerhaft hier leben.”
Den Rückgang des Tourismus auf Mallorca wollte Rau nicht näher
kommentieren. „Ich glaube, dass die Besucherströme auf die Balearen
bleiben und wieder steigen werden – unter anderem natürlich nach
meinem Besuch.” Nachdem sich Rau noch spontan mit einem Dutzend
deutscher Touristen vor dem Consolat de Mar unterhalten hatte,
wurde die Besuchsdelegation mit Blaulicht ins Restaurant Bahía
Mediterráneo am Passeig Marítim kutschiert. Das Menü hielt
Hummerragout, gefüllte Wachteln mit Trüffelsauce und einen
exotischen Früchtesalat vor. Kredenzt wurden Sekt und Weißwein
sowie ein Tinto Reserva des Weingutes Ferrer aus Binissalem.
Nach dem Mahl, dass sich gut zwei Stunden hinzog, blieb nur noch
wenig Zeit für den Besuch der Kathedrale von Palma. Als Johannes
Rau durch das Hauptportal das festlich beleuchtete Gotteshaus
betrat, ertönten triumphatische Orgelklänge. Rau zeigte sich
begeistert von der Schönheit der Kirche und bedauerte, nicht länger
auf Mallorca bleiben zu können. Noch einmal wurden ausgiebig Hände
geschüttelt, dann ging es für Rau zurück nach Berlin.
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