Am Montag, 21. Mai 2001, trat ein, was Lokalpolitiker auf
Mallorca am liebsten unter den Tisch kehren: Ein Stromausfall legte
in Palma eine Pumpstation lahm, in den Abwasserrohren staute sich
der Dreck, die Leitungen drohten zu bersten. Palmas
Entsorgerbetrieb Emaya öffnete daraufhin ein Entlastungsrohr und
ließ die Abwässer ungeklärt ins Meer fließen. An Palmas Stadtstrand
gelangte die braune Dreckbrühe einen Kilometer vor der Küste durch
das Unterseerohr in die Fluten.
Die Havarie dauerte länger als zunächst angenommen. Die
„kontrollierte” Verklappung, die die Emaya am liebsten geheim
gehalten hätte, zog sich drei Stunden hin. Eine trübe
Wasserverfärbung breitete sich ovalförmig über Hunderte Meter im
Meer aus. Besorgte Anwohner riefen die Polizei. So kam die
Umweltverschmutzung, wenn auch erst drei Tage später, ans Licht.
Zur Beruhigung lieferten die Behörden die Entwarnung gleich mit:
Messungen am Folgetag ergaben, dass eine Verunreinigung nicht mehr
festzustellen sei. Ein weiteres Mal hatte das Meer den Dreck über
Nacht bis zur Nicht-Nachweisbarkeit verdünnt und fortgespült.
Der Vorfall entspricht jenem unappetitlichen Szenario, mit dem
Umweltaktivisten von Greenpeace vergangene Woche die Wellen in
Sachen Abwasser hochschlagen ließen. Nach einer jüngst
veröffentlichten Studie über den Zustand der spanischen Küsten gibt
es allein auf Mallorca 23 (legale) unterseeische Einleitungsrohre,
durch die laut Greenpeace „häufig” ungeklärte Abwässer ins Meer
gelangen. Vor allem im Sommer, wenn zahllose Touristen die Anzahl
der Toilettenspülungen vervielfachen, seien die Kläranlagen „nicht
immer” in der Lage, die Kloake zu verarbeiten. „Das ist eine
alltägliche Tatsache”, meint der Kampagenen-Direktor von
Greenpeace, Mario Rodríguez. Allerdings haben die Aktivisten selbst
keine Wasserproben am Auslauf der Rohre gezogen, räumt Rodríguez
ein. Die Daten wie etwa die Anzahl der Rohre stammen aus
Regierungsquellen.
Die Vorwürfe von Greenpeace widerprechen eklatant den beständig
von den Behördenen abgegebenen Erklärungen, auf Mallorca fließe –
von Havarie-bedingten Ausnahmefällen abgesehen – kein Abwasser
unbehandelt ins Meer. Die Replik der balearischen Umweltministerin
Margalida Rosselló (Grüne) ließ nicht lange auf sich warten: Alle
Abwässer, die zumindest von dem staatlichen Kläranlagen-Betreiber
Ibasan ins Meer eingleitet werden, seien „genauestens”
kontrolliert. Die Ministerin sprach von einer „Konfusion” bei
Greenpeace und glaubt, dass die Aktivisten geklärte Abwässer mit
unbehandelten gleichgesetzt haben könnten.
Nach Angaben des Ministeriums betreibt Ibasan (Balearen-Institut
für Sanierung) auf Mallorca 52 Kläranlagen. Damit wird allerdings
nur ein kleinerer Teil der Insel abgedeckt. Denn in Palma sowie in
den Touristenzentren Calvià und Alcúdia, aber auch in Inca,
Manacor, Sant Lorenç und Colònia de Sant Jordi werden die
Kläranlagen von den Kommunen betrieben.
Die Greenpeace-Vorwürfe zieht man auch dort in Zweifel. Durch
die drei Unterseerohre der Gemeinde Calvià solle ungeklärtes
Abwasser ausschließlich im Notfall fortgeschafft werden, „was
bisher noch nie vorgekommen ist”, so eine Sprecherin auf
MM-Anfrage. Es werde nur gereinigtes Wasser eingeleitet. 60 Prozent
werde ohnehin zum Bewässern der Golfplätze verwendet. „Greenpeace
hätte ruhig bei uns direkt vorbeischauen sollen”, findet der
Umweltreferent von Sant Lorenç, Miquel Galmés. „Unser Wasser wird
außerordentlich gut geklärt, und zudem nicht ins Meer geschüttet,
sondern in Brunnen gelagert und zum Gießen verwendet.
In Capdepera hält Umwelttechniker Javier Liy die
Greenpeace-Angaben für übertrieben. In der Gemeinde werde mehr als
die Hälfte des gereinigten Wassers wiederverwendet. „Zwei unserer
drei Anlagen verfügen sogar über die dritte Reinigungsstufe, die
neben den organischen Stoffen auch Tensinde und Nitrate aus dem
Wasser entfernt.” Das Einleiten von unbehandeltem Wasser gebe es
nur im Falle technischer Störungen, „und die sind sehr, sehr
selten”.
Dennoch häufen sich die Beschwerden von Urlaubern über
verschmutzte Strände und Dreck im Wasser. Für den Laien ist es
schwer zu erkennen, ob es sich dabei nur um den üblichen Abfall von
unbekümmerten Zeitgenossen oder Schiffen handelt, oder ob
tatsächlich „Ungeklärtes” den Badespaß verdirbt. Für alle bleibt
ein Trost, und darin ist sich Greenpeace mit den Behörden einig: Da
auf der Insel so gut wie keine Industrie existiert, sind
Einleitungen von Fabrikabwässern so gut wie ausgeschlossen.
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