Die Balearen-Regierung will dem zunehmenden Verkehrschaos auf
Mallorca durch den Ausbau des Straßen-, vor allem aber des
Schienennetzes begegnen. Auch der öffentliche Nahverkehr wird
verstärkt gefördert. Am 22. September soll Palmas Zentrum autofrei
bleiben. Langsamer fahren, dafür sicherer und flüssiger
durchkommen: Nach diesem Motto will die Balearenregierung Mallorca
vor dem Verkehrsinfarkt bewahren. An einigen gefährlichen und viel
befahrenen Straßen-Abschnitten soll die erlaubte
Höchstgeschwindigkeit reduziert werden. Für Palmas Ringautobahn Vía
Cintura ist ein Tempolimit von 100 statt bisher 120
Stundenkilometern vorgesehen.
Der neue Plan de Transportes hat zum Ziel, ,,die Mobilität der
Bürger zu garantieren, und das bei guten Sicherheitsbedingungen und
geringstmöglichem Schaden für die Umwelt”, wie es Präsident
Francesc Antich (PSOE) bei der Präsentation des Plans
ausdrückte.
Weil die Balearen mit mehr als 900 Autos und Motorrädern pro
1000 Einwohner den höchsten Motorisierungsgrad Europas erreicht
haben, ist die Lösung der Verkehrsprobleme eine Überlebensfrage.
Schon Antichs Amtsvorgänger Jaume Matas (PP), heute Umweltminister
in Madrid, hatte die Losung ausgegeben, die Zahl der Autos
zumindest konstant zu halten.
Die Autobahnen, die die alte konservative Regierung der Partido
Popular zwischen Palma und Manacor, Inca und Alcúdia sowie
Palmanova und Santa Ponça bauen wollte, hat die Koalition, wie im
Wahlkampf versprochen, beerdigt. Stattdessen werden diese Strecken
nun vierspurig als Schnellstraßen ausgebaut.
Zu viel Flächenverbrauch und zu hohe Kosten angesichts der
kurzen Distanzen auf der Insel: Das sind schon lange die Argumente
der Autobahn-Kritiker, die die Regierung gerne übernommen hat.
Schnellstraßen passten besser als Autobahnen zu der in der gesamten
Planungspolitik geltenden Devise, das Wachstum durch Bau-Moratorien
zu bremsen, sagte Inselratspräsidentin Maria Antònia Munar (Unió
Mallorquina).
Der Umweltschutzgruppe GOB sind vier Spuren zu viel, sie
fordert, den Ausbau auf die Anlage einer dritten Spur zu
beschränken. Jedoch hat das Madrider Verkehrsministerium die Anlage
von Landstraßen mit zwei Fahrbahnen in einer Richtung und einer in
Gegenrichtung als zu unsicher verboten. Die Unfallzahlen seien weit
höher als auf zweispurigen Trassen.
Das Sicherheitsargument bemüht auch Antich, um seinen Verzicht
auf Autobahnen zu begründen: Mehr Autopistas, so der Sozialist,
würden die ohnehin sehr hohen Unfallzahlen auf den Balearen weiter
ansteigen lassen. Verfechter der Autobahnen wenden ein, dass gerade
die Landstraße nach Manacor die höchste Todesrate aller Straßen auf
den Balearen aufweist und dass Autobahnen pro gefahrenem Kilometer
der sicherste Straßentyp seien.
Bisher liegt die Unfallquote auf den Balearen höher als auf dem
spanischen Festland. Auf den Inseln ereignen sich pro 1000 Autos
2'5 Unfälle mit Personenschaden, auf dem Festland sind es nur
2'1.
Eine Studie der nationalen Verkehrsbehörde Tráfico hat die
Unfallzahlen pro Straßenkilometer aufgeführt und stuft die Balearen
mit 0'7 Unfällen pro Kilometer als viertgefährlichste Region des
Landes ein. Im laufenden Jahr verloren bereits 113 Personen auf den
Straßen der Inseln ihr Leben, allein 13 in der ersten
Septemberhälfte.
Ob der Verzicht auf Autobahnen die Sicherheit der Autofahrer
erhöht oder nicht, sei dahingestellt. Sicher ist, dass die neue
Verkehrspolitik der Mitte-Links-Koalition auf den Inseln zum
Konflikt mit der PP-geführten spanischen Regierung geführt hat.
Denn Madrid hatte kurz vor der Wahl im Sommer 1999 mit Antichs
Vorgänger Matas einen Convenio de Carreteras, einen
Straßenausbauplan, mit einem Investitionsvolumen von 57 Milliarden
Pesetas (670 Mio. Mark) vereinbart. Zwei Drittel dieses Geldes
waren für den Bau von Autobahnen eingeplant.
Nun will die Balearen-Koalition das Geld anders ausgeben, zumal
erst sehr wenige Projekte tatsächlich begonnen haben, wie etwa der
Ausbau der Strecke Palma-Son Ferriol oder die Ortsumfahrungen von
Vilafranca und Capdepera. Wenn das für Autobahnen bewilligte Geld
aus Madrid gespart wird, hätte die Balearenregierung nun genug
Mittel frei, um den als prioritär erachteten Ausbau der Zufahrten
nach Palma sowie einige bisher nicht enthaltende Ortsumgehungen
bequem zu finanzieren.
Jedoch ist es dem balearischen Bauminister Josep Antoni Ferrer
(PSOE) trotz mehrfacher Intervention in Madrid nicht gelungen, ein
O.K. der Zentralregierung zu den veränderten Plänen zu erreichen.
So gilt nach wie vor, was die PP-Opposition in Palma schon lange
warnend vermeldet: Die Balearen könnten bis zu 36 Milliarden
Pesetas (423 Mio. Mark) Subventionen aus Madrid ersatzlos
verlieren.
Antichs Koalitionäre betonen wie auch die Kommentatoren der
örtlichen Medien stets, die Kompetenzen für die Verkehrsplanung
lägen in Palma und man könne sich von Madrid nicht vorschreiben
lassen, welche Straßen auf den Inseln gebaut würden. Antich
beschuldigte Jaume Matas, Chef der balearischen PP, in Madrid
Stimmung gegen die neue Verkehrspolitik zu machen.
Antich & Co geben sich dennoch entschlossen, ihre Projekte
auch ohne eine definitive Finanzierungszusage aus Madrid
umzusetzen: Für fünf besonders dringliche Projekte will die
Regionalregierung bis zu zehn Milliarden Pesetas (117 Mio. Mark)
aus eigener Tasche vorstrecken.
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