"Die Deutschen sind einige unserer besten Kunden", sagt Lluc Mir und muss grinsen. "Ihnen gefällt die Ordnung, die wir schaffen." Mit einer Handbewegung deutet er auf die Baustelle vor ihm: ein privates Grundstück in Lloret de Vistalegre. Hier errichtet Mir ein Eingangstor und verändert den Lauf der alten Trockensteinmauer, die das Grundstück umgibt. Feiner Staub bedeckt die Werkzeuge. Man sieht: Hier wurden Steine gehauen. "Erst liegt da nur ein Berg aus Steinen aus der Umgebung, und dann ist da plötzlich eine solide Mauer. Das finden die Deutschen gut." Mir ist 40 Jahre alt, aufgeschlossen, sprachgewandt und übt einen der traditionellsten Berufe aus, die Mallorca zu bieten hat: Er ist "Marger", oder zu Deutsch: Trockensteinmaurer.
"Wenn es auf der Insel eines gibt, das wir gut können, dann mit Steinen umgehen", sagt Mir bestimmt. "Naja, und mit Touristen natürlich", fügt er hinzu. Mir ist ein Mann, der seinen Beruf liebt. Einer, der mit dem Auto anhält, wenn er eine Trockensteinmauer sieht, die besonders gut gemacht ist. "Dann steige ich aus und nehme sie genauer unter die Lupe", sagt er.
Das dürfte auf Mallorca oft passieren. Allein in der Tramuntana sind insgesamt rund 20.000 Kilometer an Trockensteinmauern zu finden. "Das ist länger als die Chinesische Mauer. Aber sie sind natürlich nicht alle an einem Stück." Trotzdem, so Mir, seien die mallorquinischen Trockensteinmauern eine Attraktion. "Sie formen an den Hängen Plattformen, auf denen angepflanzt wird." Meist sind es Olivenbäume, die die Terrassen zieren. Auch in den flachen Zonen der Insel sind viele Trockensteinelemente zu finden. "In Kanälen, in Brunnen, in landwirtschaftlichen Öfen, auf Wegen, an Wänden", zählt Mir auf und nimmt Hammer und Meißel zur Hand. "Insgesamt bestimmt 50.000 Kilometer", schätzt er.
Seit Mir 21 Jahre alt ist, sind Steine eines der wichtigsten Elemente in seinem Leben. "Es ist einfach ein tolles Gefühl, wenn man etwas erschafft und weiß, dass es gut ist und für lange Zeit auch gut bleiben wird." Zwei Jahre ging Mir auf eine der "Margers"-Schulen der Insel, dann suchte er sich einen Meister, erlernte die Praxis und machte sich anschließend selbstständig.
Klingt wie der normaler Werdegang eines Handwerkers in Deutschland. "Aber so ist es hier nicht. Und seit die Schulen vor rund 15 Jahren geschlossen wurden erst recht nicht mehr", sagt Mir und wischt sich über die Stirn. Der Beruf des "Margers" ist nicht geschützt, die Ausbildung nicht offiziell existent. Deshalb kann Mir die Anzahl der "Margers" auf Mallorca auch nur grob schätzen. "200 bis 250 vielleicht. Aber wir haben keine Zertifikate. Meister ist, wer ewig in dem Beruf arbeitet und seine Arbeit gut macht." Kleine Falten zwischen seinen Augenbrauen zeigen Mirs Unmut. "Wir kämpfen darum, die Profession offiziell zu registrieren und die Schulen wieder zu eröffnen."
Nicht zuletzt deshalb schlossen sich zahlreiche "Margers" im Januar 2017 zu einem Gremium zusammen - zum ersten Mal in dem Aberhunderte von Jahren alten Berufszweig. An der Spitze des Gremiums: Lluc Mir. "Es gibt so viele Seiteneinsteiger, die ihre Arbeit nicht gut machen, weil sie sie nie richtig gelernt haben." Denn Trockensteinmauern, das sei eine Kunst für sich.
Mir deutet auf die unförmigen Steine vor sich. "Das Besondere ist: Wir verwenden weder Mörtel noch Zement. Wir spielen mit den geometrischen Formen der Steine. Klare Linien gibt es in Trockensteinmauern nicht und auch keine ebene Oberfläche." An der Mauer neben Mir sind bereits erste Ergebnisse zu sehen. Kleine und größere Steine wurden hier so aufeinandergesetzt, dass sie ohne jegliches Bindemittel halten. "Das klingt vielleicht instabil und sieht manchmal auch so aus, aber es ist alles andere als das", so Mir. 200 bis 300 Jahre können gut gemachte Trockensteinmauern locker halten. "Es gibt sogar Überreste aus prähistorischen Siedlungen, in denen ähnliche Techniken verwendet wurden und die immer noch stehen."
Gerade Deutsche schätzen Haltbarkeit und gute Arbeit, erzählt er. Das Aussterben des Marger-Berufs Anfang der 1980er Jahre wurde nicht nur durch die Eröffnung der "Margers"-Schulen abgewendet, sondern auch durch das wachsende Interesse deutscher Residenten, die die mediterran-anmutenden Mauern gerne in ihren Gärten sahen. "Früher waren die Trockensteinmauern für die Landwirtschaft notwendig und verbreitet. Denn auf der Insel gibt es nunmal so viele Steine. Heute werden sie auf vielen Privatgrundstücken errichtet, weil die Menschen sie schön und natürlich finden." Sogar im Ausland ist die mallorquinische Technik gefragt. "Ich war mal verantwortlich für ein Projekt in der Schweiz. Da waren alle ganz begeistert. Dort steht man ja auf Nachhaltigkeit."
Und nachhaltig, das sind die Trockensteinmauern. "Fällt eine Mauer doch mal auseinander, dann hinterlässt sie keine Reste, sie zerfällt einfach in ihre natürlichen Bestandteile. Nachhaltiger geht es nicht", erklärt Mir. Auch als Wasserfilter dienen die Konstruktionen. "Und sie bieten zahlreichen Tieren Unterschlupf. Ich sehe Schlangen und Geckos aus meinen Mauern kriechen und Insekten sowieso."
Nicht zuletzt deshalb hat Mir mit seinem Gremium im Kampf um die Anerkennung des Ausbildungsberufs auch eine breite Front an Unterstützern hinter sich. "Im Inselrat sind sie auf unserer Seite, in der Balearen-Regierung auch. Eigentlich stehen uns alle bei", sagt er. Deshalb hat er auch keine Angst, dass das zentralspanische Bildungsministerium ihm eine Abfuhr verpassen könnte. Nachdenklich wischt er über einen der Steine, die vor ihm liegen. "Doch, ich bin mir sicher, wir schaffen das."
(aus MM 12/2017)
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