„Ravel! Lässt sich das Atmosphärische seiner Musik überhaupt in Worte fassen?“ schwärmte Hans Renner in seinem Konzertführer (Reclam, 1959). Und weiter: „Bestimmender Eindruck zunächst: das ist durch und durch französische Musik. Nicht aus dem rauhen normannischen Norden des Landes stammt sie, die liebliche Landschaft des Südens ist ihre Heimat.“ Um seine Musik zu verstehen, braucht man nur einen Blick in das Domizil des Komponisten in einem kleinen Dorf westlich von Paris zu werfen. Das Interieur des Hauses mit seinen Ornamenten aus Marmor auf dem Kamin, selbstentworfenen Tapeten, einer künstlichen Nachtigall („Ich fühlte ihr Herz schlagen“, hat er einmal gesagt), zierlichen Möbeln und, im Garten dieser Spielzeugschachtel, den Bonsais und ähnlichen kunstvoll hergerichteten Zwergpflanzen – dieser Mikrokosmos spiegelt Ravels Kunstauffassung in allen Details. Seine Partituren sind akribisch ausgetüftelt, mit viel Liebe zum Detail, delikat instrumentiert. Seine Orchesterfassung von Mussorgskis Klavierzyklus „Bilder einer Ausstellung“ ist bis heute verbreiteter als das Original. Auch viele eigene Kompositionen entstanden zunächst für Klavier, bevor er sie für großes Orchester gesetzt hat. „Ma mere l’oye“ war zunächst eine Sammlung von relativ einfachen Klavierminiaturen, die er 1908 für die Kinder eines befreundeten Ehepaares geschrieben hatte. 1911 wurde dann daraus das reizende Kinderballett, wie wir es heute kennen und lieben. Der Titel (deutsch: „Mutter Gans“) geht auf eine Märchensammlung von 1695 zurück. Einen Eindruck von der märchenhaften Stimmung bekommen Sie hier. – Auch „Le tombeau de Couperin“ schwelgt in der Vergangenheit, indem es den Geist des französischen Barockkomponisten François Couperin (1668-1733) mit fast impressionistischen Klangfarben wieder aufleben lässt. Ähnlich wie er später in seinem G-dur-Klavierkonzert Mozart gehuldigt hat.
Manuel de Falla (1876-1946) war durch und durch Spanier. Wer vor der Euro-Einführung in Spanien unterwegs war, kennt sein Portrait von den 100-Peseten-Scheinen, die die Banco de España 1970 herausgegeben und damit de Falla zum Nationalkomponisten erhoben hat. Darauf wirkt er wie ein etwas trockener, asketischer alter Mann. Aber auch er war einmal jung und Klangschwelgereien durchaus nicht abhold. 1907 ging er nach Paris und lernte dort die Impressionisten Claude Debussy, Maurice Ravel sowie Isaac Albéniz kennen. Ihr Einfluss gipfelte 1911 in den sinfonischen Impressionen für Klavier und Orchester Noches en los jardines de España, einem verkappten dreisätzigen Klavierkonzert , das mit seinem atmosphärisch fließenden Duktus bis heute fasziniert. 1919, als er sein Ballett El sombrero de tres picos in Angriff nahm, kehrte er wieder zu klarer Linienführung zurück, behielt aber die große Besetzung bei. Die Tänze daraus, vor allem der dritte, haben es in die Wunschkonzerte der Radiosender und auf CDs wie „Best of de Falla“ geschafft. – Das einaktige Ballett „El amor brujo“ für Orchester und eine Gesangsstimme (deutsch „Der Liebeszauber“ – und nicht, wie der Facebook-Übersetzer glauben machen will, „Die Liebe der Hexe“!) sieht eine Besetzung mit zwei Flöten, einer Oboe, zwei Klarinetten, einem Fagott, zwei Hörnern, zwei Trompeten, Pauken, einer Streichergruppe und Klavier vor. Wenn Sie vorab reinschauen und reinhören möchten: bei YouTube gibt’s ein Video mit dem WDR-Sinfonieorchester. Karten wie immer hier. Das Konzert wird am 20.10. in Manacor wiederholt.
Kein Kommentar
Um einen Kommentar schreiben zu können, müssen Sie sich registrieren lassenund eingeloggt sein.
Noch kein Kommentar vorhanden.