Auf einer Insel wie Mallorca zu leben, hat nicht nur Vorteile. | sepasgosarian

TW
0

Mehr als 200 Strände, ringsherum das Mittelmeer, 300 Sonnentage – wer will sich da ernsthaft beklagen? Zumal, wenn dann auch noch die Wirtschaft brummt und Millionen Touristen Jahr für Jahr bereitwillig viele Milliarden Euro dalassen. Und doch: Dass die Insellage einen enormen Standortnachteil bedeutet, gehört zu den am häufigsten vorgebrachten Klagen mallorquinischer Unternehmer, Gewerkschafter und Politiker aller Parteien. Seit einigen Monaten gibt es an der geografischen Fakultät der Balearen-Universität sogar einen eigenen Lehrstuhl zum Thema.

Dessen Leiter sind die Professoren Joana Seguí und Maurici Ruiz, die nun ein erstes Seminar veranstaltet haben, in dem es in der vergangenen Woche um das vorherrschende Thema im Zusammenhang mit der Insellage ging: die hohen Transportkosten, die balearische Unternehmer tragen müssen und die einen erheblichen Wettbewerbsnachteil bedeuten. Seguí beziffert die Mehrausgaben auf 15 bis 18 Prozent. Es sei unerlässlich, dass der spanische Staat und die Europäische Union Inselregionen gezielt fördern und einen Ausgleich schaffen.

Laut Joan Janer, Professor für internationales Recht an der Balearen-Hochschule, erkennt die EU die Insellage zwar grundsätzlich als Standortnachteil an, zu einer effektiven Politik, die diesen ausgleichen würde, habe das jedoch bis heute nicht geführt. An der Peripherie der Staatengemeinschaft gelegene Inseln wie etwa die Kanaren verfügten zwar bereits seit Jahren über einen Sonderstatus, für relativ nah am Festland gelegene Inseln wie die Balearen aber gelte das nicht. "Die Realität ist frustrierend", sagt Janer. Schuld daran sei jedoch in erster Linie der spanische Staat, der die Interessen der Balearen nicht ausreichend vertrete.

Ähnliche Nachrichten

Immerhin gibt es seit einigen Jahren spezielle Sonderregelungen, mit denen die Zentralregierung in Madrid die Insellage der Balearen ausgleichen will. Das so genannte Régimen Especial de las Illes Balears (REIB) von 2019 hob unter anderem den Residentenrabatt bei Inlandsreisen auf 75 Prozent an. Außerdem sieht es Investitionen in die Infrastruktur in Höhe von mehreren hundert Millionen Euro vor. Für Unternehmen gibt es derweil massive steuerliche Vorteile. Jordi Mora, der Vorsitzende des Verbandes der kleinen und mittelgroßen Unternehmen auf Mallorca (Pimem), bezeichnet das REIB als "mächtiges Instrument", verweist aber gleichzeitig auf die EU-Regelung, dass Beihilfen für Unternehmen innerhalb von drei Jahren nicht die Höchstsumme von 300.000 Euro überschreiten dürfen. Hier müsse eine Sonderregelung für auf Inseln ansässige Firmen gefunden werden. Auch Joana Seguí spricht sich klar dafür aus, dass etwa Subventionen im Bereich der Transportkosten nicht unter die Beihilfe-Regelung der EU fallen sollten.

Aber nicht nur der Zugang zu den Märkten ist durch die Insellage erschwert. Es gilt ferner als erwiesen, dass das Bildungsniveau auf Inseln grundsätzlich niedriger ist als auf dem Festland, wo das Angebot an Hochschulen größer ist. Dazu kommt, dass Inselregionen besonders anfällig für Umweltprobleme sind. Der Klimawandel, Trockenheit und der steigende Meeresspiegel werden die Balearen besonders treffen. Auch die Abhängigkeit von der externen Versorgung mit Strom und Lebensmitteln belegen den Standortnachteil. Ein weiteres Problem sind die exorbitant hohen Immobilienpreise.

Als ein wesentliches Problem bei der Durchsetzung balearischer Interessen hat der Historiker und Geograf Miguel Carranza derweil das fehlende Zusammengehörigkeitsgefühl der Inselbewohner ausgemacht. Eine gemeinsame Identität der Mallorquiner, der Menorquiner und der Bewohner Ibizas und Formenteras existiere nicht. Auf den Kanaren beispielsweise sei das anders. Das fehlende gemeinsame Bewusstsein führe dazu, dass es keine Vertretung balearischer Interessen in Madrid gibt. Bei den Wahlen zum spanischen Parlament gewinnen auf den Inseln tatsächlich stets die Kandidaten der landesweiten Parteien, die sich im zweifelsfall den Vorgaben ihrer Parteizentralen in der Hauptstadt beugen müssen. Und so dürfte es auch weiterhin ein zäher Kampf bleiben, in Madrid und Brüssel die Erkenntnis voranzutreiben, dass nicht alles eitel Sonnenschein ist auf Mallorca.