Deutsche Botschafterin in Spanien: „Mallorca muss die Balance finden”

Wie Maria Margarete Gosse die Entwicklung auf der Insel sieht und welche Parallelen aus ihrer Sicht zwischen der Bundesrepublik und Spanien bestehen. Das vollständige Interview

Maria Margarete Gosse vertritt die Bundesrepublik seit 2022 als Botschafterin in Madrid. | Patricia Lozano

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Wenn der Begriff Vollblut-Diplomatin auf jemanden zutrifft, dann sicherlich auf die Deutsche Botschafterin in Spanien, Maria Margarete Gosse. Die 64-jährige Münchnerin hat ihr diplomatisches Handwerk von der Pike auf gelernt. Nach einem Studium der Rechtswissenschaften sowie dem Zweiten Juristischen Staatsexamen trat Gosse 1994 in den Auswärtigen Dienst. Zu ihren Stationen gehörte die Leitung des spanischen Generalkonsulats in Barcelona sowie eine dreijährige Dienstzeit als Presseattaché an der deutschen Botschaft in Peking. Seit 2022 ist sie Botschafterin der Bundesrepublik in Spanien. In der vergangenen Woche besuchte sie Mallorca und traf MM zum Gespräch.

Mallorca Magazin: Wieso floriert die spanische Wirtschaft aktuell, während Deutschland strauchelt?
Maria Margarete Gosse: Spanien hat in den letzten Jahren gezielt EU-Fördergelder genutzt, um in zukunftsträchtige Bereiche wie erneuerbare Energien und Digitalisierung zu investieren. Gleichzeitig profitiert das Land von engen wirtschaftlichen Verbindungen nach Lateinamerika. Auch deutsche Unternehmen sind in Spanien sehr aktiv. Rund 1200 deutsche Firmen sind Mitglied in der deutschen Außenhandelskammer, tätig sind in Spanien sicherlich viele mehr.

MM: Wie viele Deutsche leben dauerhaft in Spanien?
Gosse: Offiziell sind es etwa 200.000 Deutsche, die in Spanien gemeldet sind, auf Mallorca rund 20.000. Die tatsächliche Zahl dürfte jedoch höher liegen.

MM: Viele deutsche Rentner sehen sich mit doppelter Steuerlast konfrontiert. Ist das gerechtfertigt?
Gosse: Es besteht ein Doppelbesteuerungsabkommen zwischen Spanien und Deutschland. Danach muss ich in Spanien Steuern zahlen, wenn ich in Spanien wohne. Ich kann dann aber von der spanischen Steuer abziehen, was ich schon in Deutschland an Steuern gezahlt habe. So wird eine doppelte Besteuerung vermieden.

MM: Könnte eine längere Frist das Briefwahl-Chaos, wie bei den vergangenen Bundestagswahlen der Fall, für Auslandsdeutsche verhindern?
Gosse: Die knappen gesetzlichen Fristen der vorgezogenen Bundestagswahl haben allen beteiligten Institutionen einen Kraftakt abverlangt. Ein Aufenthalt im Ausland führt immer dazu, dass politische Partizipation in Deutschland schwieriger wird. Wir haben alle verfügbaren Maßnahmen ergriffen, um die Teilnahme an der Wahl für Auslandsdeutsche zu erleichtern und – bei einer rechtzeitigen Zustellung – den sicheren Rücktransport der Briefwahlunterlagen nach Deutschland zu unterstützen.

MM: Digitale Nomaden und steigende Mieten – ein Problem für Mallorca?
Gosse: Ja, das ist eine Entwicklung, die nicht nur Mallorca betrifft, sondern auch Städte wie Madrid oder Barcelona. Durch den Zuzug von „Remote-Workern” aus anderen Ländern steigen die Mietpreise, was zu einer Verdrängung der einheimischen Bevölkerung führen kann. Hier sind sowohl lokale als auch europäische Lösungsansätze gefragt.

MM: Europa diskutiert eine stärkere militärische Zusammenarbeit. Gibt es konkrete Pläne?
Gosse: Gespräche über eine engere sicherheitspolitische Zusammenarbeit laufen bereits. Eine europäische Verteidigungsstruktur ist jedoch ein langfristiges Projekt. Deutschland und Spanien arbeiten in diesem Bereich eng zusammen, sowohl innerhalb der NATO und der EU als auch auf bilateraler Ebene.

MM: Sie sind mit einem Spanier verheiratet, richtig?
Gosse: Richtig, seit 26 Jahren.

MM: Und wird dann zu Hause auch oft mal diskutiert, das ist die spanische Sicht, das ist die deutsche Sicht, so könnte man es besser machen, so könnte man es anders machen?
Gosse: Es macht den Reiz einer binationalen Ehe aus, dass man sehr viel voneinander lernen kann und die Dinge von unterschiedlichen Standpunkten aus zu betrachten.

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MM: Was unterscheidet Deutsche von Spaniern?
Gosse: Ich habe den Eindruck, dass Spanier sich sehr viel leichter tun im Kommunikativen. Sie können schnell auf Menschen zugehen, sie sind herzlich, sehr offen. Deutsche sind nicht weniger herzlich, aber sie sind oft etwas introvertierter. Ein weiterer Unterschied ist die Gestaltung des Soziallebens, etwa die intensive Rolle von Familie und Freunden in Spanien.

MM: Was können die Deutschen von den Spaniern lernen? Und im Umkehrschluss, was können die Spanier von uns lernen? Abgesehen von Pünktlichkeit.
Gosse: Bezüglich der Pünktlichkeit bin ich nicht mehr ganz sicher. Was ich an den Deutschen sehr zu schätzen gelernt habe, gerade wenn ich im Ausland bin, ist dies: Die Deutschen haben ein hohes Verständnis von Verlässlichkeit, von Zuverlässigkeit. Wenn ich sage, ich komme, dann komme ich auch. Wenn ich sage, ich komme nicht, dann komme ich nicht. Das ist etwas sehr Angenehmes.

MM: Wann kamen Sie erstmals mit Mallorca in Berührung?
Gosse: Das war 1996, als ich am deutschen Generalkonsulat in Barcelona tätig war. Schon damals war Mallorca für viele Deutsche ein absolutes Traumziel. Ich hatte regelmäßig beruflich mit der Insel zu tun und nutzte später die Gelegenheit, sie auch privat kennenzulernen. Die Faszination, die Mallorca auf viele Menschen ausübt, konnte ich sehr gut nachvollziehen. Die Schönheit der Landschaft, das angenehme Klima und die herzliche Gastfreundschaft machten die Insel zu einem besonderen Ort.

MM: Wie hat sich Ihr Eindruck seither verändert?
Gosse: Die Entwicklung Mallorcas ist beeindruckend. Der Tourismus hat in den vergangenen Jahrzehnten enorm zugenommen und die Insel wirtschaftlich stark vorangebracht. Gleichzeitig ist Mallorca internationaler geworden, nicht nur durch Touristen, sondern auch durch viele Menschen, die hier dauerhaft leben oder arbeiten. Trotz dieser Veränderungen hat die Insel ihren einzigartigen Charme bewahrt. Natürlich gibt es Herausforderungen, vor allem im Bereich Nachhaltigkeit, aber ich bin überzeugt, dass Mallorca den richtigen Weg findet.

Jeder Tourist verantwortungsvoll handeln

MM: Muss man als Deutscher wegen der zunehmenden Proteste der Bevölkerung gegen die Auswirkungen des Massentourismus auch in anderen spanischen Feriengebieten wie den Kanaren ein schlechtes Gewissen haben, wenn man hier Urlaub machen möchte?
Gosse: Nein, ein schlechtes Gewissen ist nicht angebracht. Der Tourismus ist ein enorm wichtiger Wirtschaftsfaktor für Spanien und macht rund 14 Prozent des spanischen Bruttoinlandsprodukts aus. Millionen von Arbeitsplätzen hängen direkt oder indirekt mit dem Tourismus zusammen. Spanien ist ein offenes und gastfreundliches Land, das deutsche Besucher nach wie vor mit großer Herzlichkeit empfängt. Natürlich sollte jeder Tourist verantwortungsvoll handeln und respektvoll mit der Umwelt und der lokalen Bevölkerung umgehen. Nachhaltiger Tourismus ist ein Thema, mit dem sich sowohl Deutschland als auch Spanien intensiv beschäftigen müssen.

MM: Gibt es Forderungen an die Botschaft zur Regulierung des Tourismus?
Gosse: Nein, solche Forderungen erreichen uns nicht. Die Diskussion über eine mögliche Begrenzung der Besucherzahlen wird auf regionaler Ebene geführt. Ich sehe, dass die Balearen-Regierung sich bewusst ist, dass ein Gleichgewicht gefunden werden muss zwischen wirtschaftlicher Abhängigkeit vom Tourismus und dem Schutz der natürlichen Ressourcen. In bestimmten Regionen, insbesondere in Naturschutzgebieten oder stark frequentierten Orten, könnten Maßnahmen zur Begrenzung sinnvoll sein – ähnlich wie in anderen beliebten Reisezielen, etwa in den Alpen. Wichtig ist, dass diese Entscheidungen gut durchdacht und langfristig tragfähig sind.

MM: Wie sehen Sie den Party-Tourismus deutscher Urlauber?
Gosse: Es gibt immer wieder Schlagzeilen über Exzesse, aber das betrifft nur einen kleinen Teil der deutschen Urlauber. Die überwiegende Mehrheit verhält sich respektvoll gegenüber der Insel und ihren Einwohnern. Gleichzeitig hat die balearische Regierung bereits Maßnahmen ergriffen, um Auswüchse des exzessiven Party-Tourismus einzudämmen, etwa durch strengere Regeln für den Alkoholkonsum in bestimmten Zonen. Es geht darum, ein gesundes Gleichgewicht zu finden: Mallorca soll weiterhin ein Ort sein, an dem man sich entspannen und genießen kann, aber ohne negative Begleiterscheinungen für die Anwohner.

MM: Wäre es sinnvoll, Mallorca als „sensibles Gebiet“ einzustufen, um Tourismuszahlen oder die Zahl der Immobilienkäufe zu deckeln?
Gosse: Diese Entscheidung liegt bei den balearischen Behörden. Die Insel lebt vom Tourismus, aber ihre Ressourcen sind begrenzt. Es geht meines Erachtens nicht darum, Touristen fernzuhalten, sondern um nachhaltiges Wachstum. Eine kluge Stadt- und Regionalplanung kann dabei helfen, Überlastung zu vermeiden. Auch beim Thema Immobilienkäufe gibt es Diskussionen, aber Maßnahmen müssen rechtlich fundiert und verhältnismäßig sein.

MM: Wenn Sie mal Urlaub auf Mallorca machen, was sind Ihre Lieblingsplätze?
Gosse: Ich mag die Stadt Palma sehr gerne, auch den Westen der Insel. Aber insgesamt ist die Insel einfach wunderbar. Es gibt so viele schöne Orte! Ich bin beeindruckt davon, wie es die Mallorquiner schaffen, trotz des großen Zustroms von Besuchern, die Schönheit der Insel zu erhalten, sodass es immer wieder eine Freude ist, hierher zu kommen.