„AfD und Vox weisen bei allen landesspezifisch eigenen Merkmalen große programmatische Gemeinsamkeiten auf“, sagt der deutsch-spanische Historiker Carlos Collado Seidel. „Beide stehen für einen markanten Nationalismus sowie die Ablehnung einer sich als divers verstehenden Gesellschaft.“ Seiner Meinung wenden sich beide Parteien gegen den Feminismus, verfechten traditionelle Geschlechterrollen, vertreten eine xenophobe Grundhaltung und wollen von einer Erinnerungskultur nichts wissen, bei der die mahnende Erinnerung an die in der jeweiligen diktatorischen Vergangenheit begangenen Verbrechen im Mittelpunkt steht. Nicht zuletzt ziehen sie darüber hinaus über ein als diskreditiert gebrandmarktes politisches "Establishment" her.
Doch auch wenn AfD und Vox inhaltlich viele Gemeinsamkeiten haben, gibt es markante Unterschiede. Während die AfD die Europäische Union in ihrer heutigen Form ablehnt und von einem "Deutschland zuerst" träumt, steht Vox für eine unteilbare spanische Nation. Autonome Regionen wie Katalonien oder das Baskenland sind für die Partei ein Dorn im Auge. „Die programmatischen Inhalte von PP und Vox stehen sich deutlich näher, als es bei CDU/CSU und AfD der Fall ist“, analysiert Collado Seidel.
AfD hat in Deutschland keine konservative Konkurrenz
Die AfD hingegen hat in Deutschland keine vergleichbare konservative Konkurrenz, die sich ihr programmatisch so sehr annähert. „CDU und CSU grenzen sich (noch) von der AfD ab, während in Spanien der PP lange bereit war, mit Vox zusammenzuarbeiten.” Doch während die AfD in Deutschland zunehmend als ernstzunehmender Machtfaktor betrachtet werden muss, hat sich Vox in Spanien mit seiner eigenen Strategie in die politische Isolation manövriert.
Lange sah es so aus, als könnte Vox auf den Balearen mitregieren. Doch der politische Flirt mit der konservativen Volkspartei (PP) endete unschön: Die Spannungen zwischen PP und Vox eskalierten im Dezember 2024, als es zu Meinungsverschiedenheiten über die Aufnahme unbegleiteter minderjähriger Migranten kam. Vox warf der PP vor, ihre Prinzipien zu verraten, indem sie einer neuen Verteilung dieser Minderjährigen zustimmte. Infolgedessen kündigte Vox alle regionalen Vereinbarungen mit der PP auf und zog sich in die Opposition zurück.
Nach dem Rückzug von Vox verfügt die PP nicht mehr über die notwendige Mehrheit im balearischen Parlament. Die Opposition, bestehend aus PSIB, MÉS per Mallorca, Més per Menorca und Unidas Podemos, forderte eine Erklärung von Ministerpräsidentin Prohens zur aktuellen Regierungssituation. Diese Forderung wurde jedoch von PP und Vox gemeinsam abgelehnt – ein bemerkenswerter Schulterschluss nach der Trennung.
Stimmung zwischen Vox und PP gilt als vergiftet
Jetzt steht Prohens immer noch mit einer Minderheitsregierung da, aber mit Vox, die dieses Modell bis dato tolerierte, in der Opposition. Das Dilemma: Ohne Vox hat die Regierung nicht genügend Stimmen, um den Haushalt zu verabschieden. Das politische Klima auf den Balearen ist entsprechend vergiftet.
Und nicht nur dort. „Die Bündnisse und Koalitionsregierungen zwischen Vox und PP auf regionaler Ebene sind vielerorts zerbrochen, und der Umgangston miteinander ist vergiftet“, so der Historiker. Doch während Vox in Spanien ins Straucheln gerät, sieht es für die AfD in Deutschland anders aus. Die Partei steht Umfragen zufolge vor einem historischen Erfolg bei den kommenden Bundestagswahlena am 23. Februar. Und anders als Vox, das Koalitionen schmiedete und daran scheiterte, bleibt die AfD in Deutschland bisher eine Protestpartei ohne direkte Regierungsbeteiligung.
Doch wie lange noch? „Die durch Friedrich Merz angeführte CDU hat vor wenigen Tagen einen Tabubruch begangen, als sie die Stimmen der AfD in Kauf nahm, um eine verschärfte Migrationspolitik gesetzlich zu verankern“, warnt Collado Seidel. Ist das der Anfang eines politischen Dammbruchs?
In Spanien zeigte sich bereits, dass eine Zusammenarbeit mit der extremen Rechten nicht zwingend von Dauer ist. Die PP dachte, sie könne Vox zähmen – doch am Ende war Vox der sprunghafte Partner, der sich jederzeit aus der Verantwortung stehlen konnte. Ein Lehrstück für Deutschland? „Die programmatischen Inhalte von PP und Vox stehen sich deutlich näher, als es bei CDU/CSU und AfD der Fall ist“, analysiert Collado Seidel.
Spanien ist klar in links und rechts aufgeteilt
Anders als in Deutschland bestehe in Spanien eine sich klar in Links und Rechts, in „Fortschritt“ und „Reaktion“ unterteilende politische Lagerbildung. Große Koalitionen als Ausdruck politischer Mäßigung und Kompromissbereitschaft seien unvorstellbar. Die in Deutschland bestehende Koalitionsfähigkeit über die politischen Lager hinweg und die damit als eine Alternativlosigkeit empfundene Parteienlandschaft spielt wiederum der AfD in die Hände. Hieraus und aus einer Ernüchterung über die traditionellen Parteien lässt sich maßgeblich der Zuspruch erklären, den sie genießt.
Ähnlich sieht es Pere Sales, Professor für europäische Politik an der Balearen-Uni. „Die aktuelle politische Situation in Deutschland und in Spanien ist vollkommen unterschiedlich. Das Problem der ungebremsten Immigration ist in Spanien kein Thema, das sich von rechtspopulistischen Parteien für den Stimmenfang ausschlachten lässt”, meint Sales. Die Vox-Partei kämpft zwar auch um die nationale Integrität des Landes, aber hier heißt der Feind nicht Einwanderer sondern Separatisten, allen voran die Katalanen, die seit Jahren für die Unabhängigkeit kämpfen”.
Spanien sei im Vergleich zu Deutschland noch eine junge Demokratie, der Übergang von der Franco-Diktatur verlief vollkommen unspektakulär, Politik sei für viele Spanier heute noch relativ uninteressant. Dass Vox eines Tages einen ähnlichen politischen Aufstieg hinlegen könnte wie derzeit die AfD, glaubt er nicht. „Rechtspopulisten nähren sich an wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Problemen in einem Land. In Deutschland sind viele Menschen unzufrieden, fürchten um Arbeitsplätze, um ihre Zukunft. In Spanien blickt man derzeit gelassener drein, die Wirtschaft läuft.” Und das sei kein Nährboden für rechtsextreme Polit-Parolen.
„Blickt man zu unseren europäischen Nachbarn, sei es nach Österreich, Italien, Frankreich, oder über den Atlantik hinweg, lassen sich leider nirgendwo Zeichen ausmachen, die im Sinne der sowohl in Spanien, als auch in Deutschland seit Jahrzehnten bewährten freiheitlich-demokratischen Grundordnung verheißungsvoll wären“, sagt der Historiker Seidel.
Situation auf den Balearen als Vorbote für ganz Spanien?
Die Entwicklungen auf den Balearen könnten aber als Vorbote für ganz Spanien und darüber hinaus gelten. Vox zeige, was passiert, wenn eine rechtsextreme Partei Koalitionen eingeht und dann über eigene Maximalforderungen stolpert. Deutschland könnte daraus lernen: Wer mit der AfD kooperiert, könnte am Ende selbst ins Chaos stürzen.
Und so bleibt es spannend – auf Mallorca und in Deutschland. Während sich Vox scheinbar selbst demontiert, wächst die AfD. Aber wie lange? Vielleicht lohnt sich ein Blick auf die Balearen, um die Zukunft der extremen Rechten in Europa zu erahnen. Denn eines ist sicher: Einfache Lösungen für komplexe Probleme scheitern früher oder später an der Realität.
4 Kommentare
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Tacheles= Diese unsägliche Hetze der ""angeblich demokratischen" Parteien gegen ihren "angeblich undemokratischen" Gegner, hat mittlerweile ein Niveau erreicht, das weit unter der Gürtellinie und des politische Anstandes operiert. Sie führen sich selbst auf, wie Rechtspopulisten! >> Denn nur sie haben recht und sind die wahren Demokraten und alle anderen sind Parias! <<- Woher nehmen sie eigentlich das Recht, sich derartig "faschistisch" selbst aufzuführen? Denn was sie da tun, ist purer Faschismus, wie es im Lexikon definiert ist.. PUNKT ! Sind 4,8 Millionen Wähler, die die AfD gewählt haben keine "Demokraten", obwohl sie doch gemäß Art. 38 GG ihr "demokratisches" Stimmrecht ausgeübt haben, so wie z.B. 5,2 Millionen die die FDP wählten?? Ferner, die Verrohnugn der politischen Sitten im Bundestag, und auch ausserhalb, hat sogar die Präsidentin des Parlamentes gezwungen die etablierten Parteien zu ermahnen, sich gesittet zu benehmen. -- Mein Gott, sind wir schon wieder vor 1945? Extremismus ist es doch, anderen Parteien, die von den Bürgern korrekt in den Bundestag gewählt wurden, Mitarbeit und Stimmrecht zu untersagen, sie sogar erpresserisch zu bedrohen, falls sie das ausübten? Also den Anträgen anderer Fraktionen zu zustimmen. Das ist doch wirklich vor 1945. Absolut lächerlich, lauthals zu erklären man wolle keien Zustimmug der Gegner zu eingebrachten Anträgen, was zur Frage führt, WAS bitte wollen sie denn dagegen tun, wenn sie es doch tun? -- Sich aus dem Kellerfenster stürzen??
Völlig richtig. Dieses Knäuel grün-linker Ideologiepolitik schädigt Wirtschaft und Bürger, während die Verursacher sich weiterhin Kuchen genehmigen. Die AFD legt ein Wirtschaftskonzept zur Sache vor. Der AFD Feind heißt Einwanderer? Es geht um „das Problem der ungebremsten Immigration“, wie Sales selber bemerkt. „Schüren von Ängsten“, doch eher Taktik der Klimahysteriker und „die Nazis kommen“- Omas. Ablehnung der jetzigen Form der EU? Aber unbedingt. Die Entwicklung zu zentralistisch ausgerichteter Macht nicht gewählter Kommissare unter einer mehr höchst fragwürdigen vor der Leyen, lehnt das freiheitliche Gründungsmotiv „Europa der Vaterländer“ ab unterwirft die EU den Lobbyisten. Und was versteht Seidel unter „freiheitlich-demokratischer Grundordnung“ die in Gefahr sei? Antifa die wie einst die SA daherkommt, ideologisch strikt eingenordete Presse, frühmorgendlicher Staatsschutzeinsatz wegen Habeck Dummkopf? Schade, dass hier ein durchaus interessanter Vergleich von Vox und AFD mit „wissenschaftlicher“ Unterstützung der üblichen oberflächlich-populistischen Art betrieben wird. Es grüßt ein Migrant
Der deutsche Wähler muss nicht nach Mallorca schauen um die Inkompetenz der Rechtspopulisten zu beurteilen. Ein Blick nach Sonneberg in Thüringen mit ihrem AfD-Landrat Sesselmann zeigt, was passiert wenn jemand aus dieser Pippi-Langstrumpf-Partei (Ich mache mir die Welt wie sie mir gefällt...) mit der Realität konfrontiert wird, Wahlversprechen: Kita-Preise runter, Gesundheitsversorgung bleibt. Realität: Die Klinik mit über 100 Mitarbeiter im Ort ist geschlossen. die Kita.Gebühren steigen, Alles natürlich nicht die Schuld dieses Landrats. Weitere Wahlkampfthemen: Migration, Friedensverhandlungen mit Russland, weg mit dem Euro. 52,8 % sind auf diese Hetzparolen reingefallen. Inzwischen musste er zugeben, das diese Themen nicht ansatzweise in den Kompetenzbereich eines Landrats fallen, Fazit: Gibt man rechtsradikalen Schaumschlägern Verantwortung fallen die die Versprechungen in sich zusammen wie ein Soufflé in der Zugluft. Eins hat Sonneberg zumindest geschafft: Die Zahl der rechtsradikalen Angriffe hat in der Zwischenzeit verfünffacht.
"Spanien und Deutschland sind seit Jahrzehnten Bastionen linksextremistischer Strömungen!" So müsste es richtig im Artikel lauten. Ausserdem ist die AfD die einzige demokratische Partei der Mitte in dieser BRD. AfD, die einzige liberal-konservative Partei, im Stile einer CDU und FDP der 80er und 90er Jahre! Wenn die CDU/CSU wegen der Merkel keine sozialistische antiliberale Verbots-Partei geworden wäre, hätte es eine AfD nicht gebraucht.