TW
0

, 14. April – Wer an Mallorca denkt, sieht meist Sonne, Strand und Meer vor dem inneren Auge aufleuchten. Erst wer die Insel besser kennt, weiß, dass sie neben "sol y playa" auch hohe Berge und dichte Wälder zu bieten hat.

Bei einer Wanderung von Banyalbufar nach Port d'es Canonge an der Tramuntana-Küste etwa läuft es sich stundenlang im Schatten stattlicher Kiefern, während durch das dichte Nadelgrün türkisfarbenes Wasser schimmert.

Noch archaischer umfängt einen das Halbdunkel der Eichenwälder, etwa bei den Wasserfällen von Orient. Im Schatten des ausgreifenden Kronendaches ragen die Stämme der Baumriesen zwischen bemoosten Felsbrocken in die Höhe. Hier scheint seit der Besiedlung der Inseln durch die ersten Menschen kaum Zeit vergangen zu sein. Es verwundert kaum, dass die Eichenhaine schon in der Antike als sakrale Orte verehrt wurden.

Doch gerade den unverwüstlich wirkenden Eichen - Mallorcas ureigensten Urwäldern - droht Gefahr. Sollte die langfristige Tendenz zu sinkenden Niederschlagsmengen und steigenden Temperaturen anhalten, dürften die Steineichen (Quercus ilex) absterben und von anderen Baum-arten wie der weit verbreiteten Aleppokiefer (Pinus halepensis) verdrängt werden, sagt Toni Muñoz, Artenschutzexperte der mallorquinischen Naturschutzorganisation GOB. Die Eichen wären damit ein Opfer des Klimawandels.

Ähnlich sieht es Joan Antoni Santana, Forstmitarbeiter im balearischen Umweltministerium. "Vor allem unsere Eichenwälder sind teils überaltert, seitdem dort keine Bäume für die traditionelle Holzkohle-Produktion geschlagen werden. Es fehlt an nachwachsenden Jungbäumen. Wenn der Klimawandel sich einstellt, könnten ihn junge Bäume besser verkraften als alte." Notwendig sei daher eine behutsame Erneuerung der Inselwälder.

Hier kommen die jüngsten Erkenntnisse der Wissenschaftler ins Spiel. Sie machen sich stark dafür, den Wandel des Weltklimas gerade mit Hilfe der Wälder aufzuhalten und abzumildern. Es ist erkannt worden, dass die Wälder des Planeten eine tragende Rolle bei der Stabilisierung beziehungsweise Abfederung der Wetterphänome spielen. Auch aus diesem Grund haben die Vereinten Nationen 2011 zum "Internationalen Jahr des Waldes" ausgerufen.

Neben den angestammten schützenswerten Gütern der Wälder wie Artenvielfalt, Landschaftsbild, Naherholungsgebiet, Wasserspeicher und Rohstoffquelle wird verstärkt die Fähigkeit des Walds herausgestellt, Emissionen von Kohlendioxid (CO2) zu binden. Dies geschieht, indem die Bäume den Kohlenstoff aus der Luft aufnehmen und durch ihr Wachstum zu Holz umbilden. "Natürlich kann ein mediterraner Wald nicht so viel CO2 binden wie ein nordeuropäischer, Wald, auch weil das Wachstum hier klima- und trockenheitsbedingt viel langsamer abläuft als bei uns", sagt der schottische Waldexperte Professor Nicholas Hanley (Universität Sterling), der vergangene Woche auf Einladung des Wirtschaftswissenschaftlichen Forschungszentrums CRE (getragen von der Balearen-Universität und der Sparkasse Sa Nostra) in Palma einen Vortrag hielt.

Doch auch ohne Regenüberfluss wie Schottland gedeihen und wachsen die balearischen Wälder. Dabei filtern sie nach Berechnungen des Umweltministeriums der Balearen jährlich knapp 100.000 Tonnen CO2 aus der Atmosphäre.

Wirtschaftswissenschaftler des CRE haben zudem errechnet, welchen Wert jede absorbierte Tonne Kohlendioxid tatsächlich darstellt. Er beträgt 55 Euro. Anhand dieser Größe haben die Ökonomen eruieren können, welche Werte in den Wäldern der Inseln stecken, auch wenn hierfür keine regulären Marktpreise existieren. (Mit Ausnahme für Holz: Der Wert dieses Rohstoffs in den Balearen-Wäldern wird mit 164 Millionen Euro angegeben.) Der touristische Wert der Wälder als Erholungsgebiet liegt dagegen fast siebenmal höher: bei 1'07 Milliarden Euro. Der umwelt- und klimabeeinflussende Wert wiederum der Wälder ist mit 1'04 Milliarden Euro fast genauso hoch.

CRE-Direktor Toni Riera hat aufgrund dieser wirtschaftlichen Größen bereits 2008 eine "Vision grüner Strategien" präsentiert, die unter anderem auf den Schutz, den Ausbau und die effiziente Nutzung der Wälder setzt. Denn ökonomisch betrachtet ist nach Rieras Worten Klimaschutz mit Hilfe der Wälder "jetzt" billiger, als wenn später die negativen Folgen des Klimawandels in Rechnung gestellt werden. "Ein ganz einfaches Beispiel", sagt Riera, und verweist auf das Bergdorf Bunyola: "Ohne die Waldungen dort wäre das Dorf längst verschwunden." Denn es sei die dichte Vegetation der Wälder oberhalb des Dorfes, die ein Abrutschen und Fortspülen der Erdschichten, die Erosion des Berges, verhindern.