MM: Wäre es nicht für Ballack besser gewesen, den Platz
freiwillig zu räumen?
Völler: Das glaube ich nicht. Er wird bei uns in Leverkusen
noch zwei gute Jahre spielen und es spricht nichts dagegen, dass er
das auch in der Nationalmannschaft tut.
MM: Besteht nicht die Gefahr, dass das Thema mit der
jetzigen Lösung immer wieder hochkocht und für Unruhe sorgt?
Völler: Das wird sich von selbst erledigen, wenn Michel
Ballack wieder richtig fit ist.
MM: Einer von denen, die mit Ballack auf dem Platz
konkurrieren wollen, ist Sami Khedira. Der spielt jetzt zusammen
mit Mesut Özil bei Real Madrid. Werden die beiden sich dort
durchsetzen?
Völler: Wenn man zu Real Madrid wechselt, ist das immer
schwer. Stars wie Cristiano Ronaldo oder Kaká sind natürlich
gesetzt. Aber Özil und Khedira werden zu ihren Einsätzen kommen.
Sie haben es mit ihrem Talent in der Hand, wie oft das dann sein
wird.
MM: Schon nach wenigen Wochen hat sich Trainer José
Mourinho über mangelnde Integration der beiden geäußert.
Völler: Ach, das darf man bei Mourinho nicht so auf die
Goldwaage legen. Madrid hat im ersten Ligaspiel gegen Mallorca nur
ein 0:0 erreicht. Hätten sie gewonnen, wäre das nie zur Sprache
gekommen.
MM: Die beiden Neu-Madrilenen gehören zu der neuen
Generation der Kicker in der deutschen Nationalmannschaft, die für
ihr schönes Spiel gelobt wird. Früher hörte man oft den Begriff
„Rumpelfußball”. Hat sich das Spiel der Deutschen durch Klinsmann
und Löw geändert, oder finden sich die Wurzeln dafür schon in der
Zeit, als Sie noch Bundestrainer waren?
Völler: Es liegt an der Qualität der Spieler. In den letzten
zehn Jahren hat sich viel getan. Die Vereine haben gute Talente
ausgebildet, davon profitieren auch die Nationalmannschaften des
DFB. Es gibt einfach ein größeres Potential an jungen, talentierten
Spielern. Das ist letztendlich der Schlüssel zum Erfolg.
MM: Was fehlt der Mannschaft noch zu dem legendären Team,
das 1990 mit Ihnen den Weltmeister-Titel holen konnte?
Völler: Nicht viel. Unsere jetzige Mannschaft ist nah dran,
die Qualität ist hoch. Man braucht manchmal das Quentchen Glück und
muss jetzt etwas Geduld haben. Vielleicht schlagen wir dann ja in
zwei Jahren die Spanier.
MM: Was war denn eigentlich das Besondere an Ihrer
90er-Mannschaft?
Völler: Wir waren gut. Einfach eine richtig gute Mannschaft.
Qualitativ hochwertig besetzt, ein guter Trainer – da kannst du
dann schon mal Weltmeister werden ...
MM: Spanien wurde erst Europa- und danach Weltmeister.
Hält der Höhenflug an?
Völler: Das hängt davon ab, wir lange die Mannschaft in
dieser Form noch zusammenspielt. Aber ich traue den Spaniern schon
zu, noch einige Jahre vorne im Weltfußball mitzuspielen.
MM: Mit Raúl und Jurado kicken jetzt zwei Spanier in der
deutschen Bundesliga. Auch andere Stars kamen hinzu. Wie ist die
deutsche Liga im Moment aufgestellt?
Völler: So, wie es schon in den letzten Jahren absehbar
gewesen ist. Die Qualität ist einfach besser geworden. Wir werden
dieses Jahr ganz sicher die Italiener in der Fünfjahreswertung der
Uefa überholen und somit auch den vierten
Champions-League-Startplatz zurückholen. Wir werden uns auch den
Engländern und Spaniern wieder annähern. In Spanien gibt es mit
Barcelona und Real Madrid zwei absolute Top-Mannschaften – hinter
dem Rest der Primera División müssen sich die deutschen
Bundesligisten aber nicht verstecken.
MM: Wer ist denn hier Favorit? Barça oder Real
Madrid?
Völler: Für mich ganz klar Barcelona. Die Mannschaft ist
eingespielt, Mechanismen funktionieren. Es wird aber wieder ein
Zweikampf.
MM: Ihr voller Terminkalender lässt es nicht zu, dass Sie
sich ständig um Ihre Neckermann-Fußballschule hier in Cala Millor
kümmern. Der Betrieb wird schon seit dem Start vor zwölf Jahren von
Ihrem Freund und ehemaligen Mitspieler Michael Kutzop geleitet.
Tauschen Sie sich trotzdem ab und zu über das aus, was hier so
passiert?
Völler: Ja sicher, vor allem hinsichtlich der Trainer. Aber
der Michael macht seine Arbeit sehr gut, hat alles im Griff. Es
geht natürlich darum, dass den Kindern in der Fußballschule etwas
beigebracht wird. Doch die haben hier Urlaub, und da ist der
Spaßfaktor nicht zu vernachlässigen.
Mit Rudi Völler sprach MM-Redakteur Nils Müller
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