Nach nur sechs Stunden Beratung haben die
Geschworenen im Mordprozess gegen den 74-jährigen Rudolf Messerer
am Donnerstag ihr Urteil gefällt: Sie sehen es als erwiesen an,
dass der Deutsche am 23. Juli 2006 in Cala Murada seine
Lebensgefährtin Katharina B. kaltblütig erschossen hat.
Ursprünglich war der Urteilsspruch erst für Freitag, 22. Mai,
erwartet worden.
Die Staatsanwaltschaft fordert nun 22 Jahre Haft wegen Mordes
und illegalen Waffenbesitzes. Der Anwalt der Tochter des Opfers
will zudem 180.000 Euro als Entschädigung für seine Mandantin. Der
Anwalt des Angeklagten wiederum plädierte auf das Mindeststrafmaß,
15 Jahre und sechs Monate. Er kündigte aber zugleich an, Berufung
einlegen zu wollen. Das Strafmaß wird nun in den kommenden Tagen
der Richter verkünden.
Neben ihrem Schuldspruch plädierten die Geschworenen wegen des
hohen Alters und des schlechten Gesundheitszustandes des
Angeklagten auf eine Strafminderung. Auch die besonders lange
währende Untersuchungshaft (3 Jahre) wird der Richter strafmildernd
berücksichtigen. Rudolf Messerer nahm den Schuldspruch am
Donnerstagabend im Gericht von Palma ohne sichtliche Gefühlsregung
hin. Angehörige des Opfers äußerten sich zufrieden mit der
Entscheidung der Geschworenen: "Jetzt widerfährt Katharina
wenigstens zum Teil Gerechtigkeit."
Das Mallorca Magazin hat den Prozess vom ersten Tag an
begleitet:
Rudolf Messerers rechtes Bein zittert. So heftig, dass die
Gummisohle seines Turnschuhs auf dem frisch gebohnerten
Steinfußboden im Gerichtssaal quietscht. Der 74 Jahre alte Deutsche
sitzt auf einem mit rotem Samt bezogenen Stuhl, seine Hände liegen
gefaltet im Schoß und durch den Stoff seines gestreiften Hemdes
zeichnen sich die Schulterblätter ab. Mit der zerbeulten Jeans, dem
zerzausten Resthaar und dem scheuen Blick könnte er auch gut in
einem Seniorenheim im Schaukelstuhl sitzen, ohne weiter
aufzufallen.
Die Tat, die ihm vorgeworfen wird, will so gar nicht zu dem Bild
des gebrechlichen Rentners passen, das er an diesem Montagmorgen im
Gericht von Palma abgibt. Messerer soll am 23. Juli 2006 in Cala
Murada seine Lebensgefährtin Katharina B. kaltblütig erschossen
haben. Mit einem Gewehr, das er einst in Australien gekauft und für
das er in Spanien keinen Waffenschein besaß. 22 Jahre Gefängnis
fordert die Anklage.
Die meiste Zeit sitzt Messerer mit gesenktem Kopf da. Es ist
nicht zu erkennen, ob er versteht, was da auf Spanisch gesprochen
wird - als der Gerichtsmediziner beschreibt, wie die Kugel erst das
Herz des Opfers durchschlug und dann rechts durch die Rippen wieder
austrat; als die Polizisten berichten, er sei an jenem Sommertag
sehr nervös gewesen und so gar nicht betroffen; als die
Sachverständigen beschreiben, welcher Kraftaufwendung es bedarf, um
den Abzug der Waffe zu betätigen.
Selbst die Worte der Dolmetscherin, die ihm während seiner
Aussage am Montag die Fragen der Staatsanwälte, des Richters und
seines Verteidigers übersetzt, scheint er nur mit Mühe verarbeiten
zu können. "Ich verstehe die Frage nicht", sagt er mehrfach. Oder
aber er versteht sie falsch.
So will der Staatsanwalt etwa von ihm wissen, ob er denn Jäger
sei. "Jäger? Nein", antwortet Messerer wahrheitsgemäß. Denn diesen
Beruf hat er nie ausgeübt. Wofür er sich denn dann das Gewehr
gekauft habe, hakt der Vertreter der Anklage nach. "Zum Jagen",
antwortet Messerer zur Verwunderung aller: "Ja, aber Sie haben doch
eben gesagt, dass Sie kein Jäger sind", wendet der Richter ein.
"Bin ich ja auch nicht", sagt Messerer.
Einfach ist die Aufgabe für niemanden in diesem Prozess. Es gibt
keine unmittelbaren Zeugen. Laut Anklage hat Messerer nach einem
Streit am Nachmittag des Tattages einen gezielten Schuss auf die
damals 62-jährige Deutsche abgefeuert. Sie war sofort tot.
Messerer dagegen beharrt darauf, es sei ein Unfall gewesen. Er
habe sein Gewehr reinigen wollen und sei dabei versehentlich an den
Abzug gekommen. Sein Anwalt plädiert auf zwei Jahre Haft wegen
fahrlässiger Tötung und unerlaubten Waffenbesitzes.
Was tatsächlich geschehen ist, das werden die Geschworenen
entscheiden müssen (mehr dazu im Artikel oben). Helfen können ihnen
dabei nur die Aussagen der Nachbarn und Gutachter. Lautes Geschrei
soll auf dem Grundstück, auf dem das Paar seit 20 Jahren lebte, zu
hören gewesen sein an jenem Tag. Überhaupt sei Messerer ein
jähzorniger Mann, eifersüchtig und aufbrausend. Angeblich wollte
sich Katharina B. von ihm trennen.
Außerdem war sein Verhalten am Tattag eigenartig. So soll er
versucht haben, die Blutlache wegzuwischen, die sich auf dem Boden
gebildet hatte. Am schwersten aber wiegt wohl, dass Messerer
gelogen hat. Denn zunächst behauptete er steif und fest, ein
Einbrecher sei über den Gartenzaun geklettert und habe Katharina B.
erschossen. Erst Tage später räumte er ein, diese Version erfunden
zu haben. Aus Angst davor, man werde ihm nicht glauben, dass sich
der Schuss versehentlich gelöst habe, sagt er.
Die Angehörigen des Opfers verfolgen all das mit Schaudern. Die
Tochter ist aus Deutschland angereist, um vor Gericht auszusagen.
Der Prozess möge nun bald vorüber sein und bei der Aufarbeitung des
Geschehens helfen, so die Hoffnung der Hinterbliebenen, die nun
fast drei Jahre auf diesen Moment warten mussten.
Ebenso wie der Angeklagte. Messerer sitzt seit Ende Juli 2006 im
Gefängnis von Palma. Die Jahre in der Untersuchungshaft haben
Spuren hinterlassen. Während Fotos, die an den Tagen nach der Tat
aufgenommen wurden, einen Mann zeigen, der aufrecht, mit nacktem
Oberkörper und kräftigen Beinen durch die Feriensiedlung in Cala
Murada schlendert, kauert Messerer nun mit herunterhängenden
Schultern auf seinem Stuhl. Sein Anwalt hat wegen seines
Gesundheitszustandes mehrfach erfolglos Haftverschonung
beantragt.
Auch das deutsche Konsulat in Palma verfolgt den Prozess genau.
Das werde bei Verfahren, bei denen ein öffentliches Interesse
besteht, stets so gehandhabt, sagt Wolfgang Wiesner. Wegen der drei
Jahre währenden Untersuchungshaft habe man laut Konsul ein
Interesse daran gehabt, zu erfahren, wann es zur Verhandlung komme.
Unter anderem beobachte man nun, ob der Angeklagte dem Prozess auch
folgen kann.
Die Entscheidung über Messerers Schuld fällt voraussichtlich an
diesem Freitag, 22. Mai. Das Strafmaß wiederum wird dann erst im
Laufe der nächsten Wochen verkündet.
Wie viel das Urteil wert sein wird, ist derweil offen. Denn
zwischen Richter und Verteidiger kam es mehrfach zu heftigen
Wortgefechten. Der Vorsitzende sei nicht immer unparteiisch
gewesen, so der Vorwurf, und könnte auf die Weise die Geschworenen
beeinflusst haben. Möglich, dass dies ein Berufungsgrund ist,
sollte Messerer schuldig gesprochen werden.
Am Mittwoch endete die Beweisaufnahme, das letzte Wort hatte der
Angeklagte. Er entschuldigte sich dafür, nicht von Anfang an die
Wahrheit gesagt zu haben.
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