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Wer dieser Tage von Mallorca aus die Eskalation des Nahost-Konfliktes verfolgt, der kommt nicht umhin, mit Verwunderung die einseitige Sichtweise auf die Ereignisse zur Kenntnis zu nehmen. Sowohl in der politischen Auseinandersetzung als auch in den Medien: Wann immer sich jemand zu Wort meldet, folgt die Einschätzung der Lage in der Krisenregion doch meist einem vereinfachenden Täter-Opfer-Schema. Hier der kaltherzige Aggressor, Israel, dort die gepeinigten Opfer, die Palästinenser. Die Bilder des Grauens, die die spanische Presse ohne jegliche Zurückhaltung veröffentlicht, prägen die Interpretation des Geschehens: Blutüberströmte Kinderleichen, abgerissene Gliedmaßen und verzweifelte Flüchtlinge gehören wie selbstverständlich zur Bildsprache, die den Nahost-Konflikt hierzulande illustriert.

Dass da wenig Verständnis für das Vorgehen Israels aufkommt, ist kein Wunder. Dementsprechend groß ist die Mitschuld der Presse an dem in Spanien vorherrschenden Zerrbild der israelisch-palästinensischen Auseinandersetzung. Denn viel zu spät hat eine sachliche und differenzierte Analyse des Geschehens eingesetzt. Erst in den vergangenen Tagen, als die Fronten in der spanischen Meinungslandschaft längst geklärt waren, verschafften sich auch Stimmen Gehör, die die Rolle der Hamas beim Zustandekommen des Konfliktes kritisch hinterfragen – ausgerechnet in Spanien, muss man sagen. Denn wo sonst wäre Sensibilität gegenüber Opfern des Terrorismus zu erwarten, wenn nicht in einem Land, das seit Jahrzehnten unter einer nicht totzukriegenden Truppe von Bombenlegern leidet.

Noch eines aber zeigt die spanische Sichtweise auf den Nahost-Konflikt ganz deutlich: Hierzulande ist die israelisch-palästinensische Auseinandersetzung ein Konflikt wie viele andere. Spanien kann sich eine undifferenzierte Sicht der Dinge leisten. In Deutschland ist das bis heute nicht so. Wer Israel dort pauschal kritisiert, wie es in diesen Tagen in Spanien regelmäßig geschieht, der würde sich unzweifelhaft dem Vorwurf des Antisemitismus aussetzen.