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Vor 30 Jahren noch konnte ein harmloser Strandausflug auf Mallorca durchaus im Gefängnis enden. So berichtete das Mallorca Magazin im Sommer 1977 etwa von drei jungen Frauen, die sich plötzlich in Polizeigewahrsam wiederfanden. Ihr Vergehen: Sie hatten sich zwecks nahtloser Bräune obenherum frei gemacht. Das aber war damals noch verboten, wie MM seine Leser aufzuklären wusste: „In der letzten Zeit gab es viel Oben-Ohne-Baden auf Mallorca”, heißt es in dem Artikel nicht ohne Tadel. „Manchmal kommen die Damen davon, aber es ist noch immer verboten und es kann mit ziemlich hohen Strafen gerechnet werden.” Strenge Sitten herrschten damals noch, im Jahr zwei nach dem Tod des Diktators Franco. Für moralische Werte war damals allein die katholische Kirche zuständig.

Andererseits war die Insel früh auch Einflüssen von außen ausgesetzt. Der Tourismus brachte die Inselbevölkerung in Kontakt mit Urlaubern und deren Moralvorstellungen. Manch Mallorquiner erlebte auf diese Weise seine erste Sommerromanze mit einer blonden Nordländerin. Die US-Marine, die Palmas Hafen viele Jahre lang mit ihrer Mittelmeerflotte anlief, tat das ihrige. Immerhin wollten sich hier in regelmäßigen Abständen Hunderte, wenn nicht Tausende Soldaten auf ihrem Landgang vergnügen und so war Palmas Nachtleben bei Weitem nicht so prüde, wie es die strengen Vorschriften an den Badestränden vermuten ließen.

Im Gegenteil. In mancher Hinsicht ist Mallorca spanienweit sogar Vorreiter einer neuen Sexualmoral gewesen. So gab es bereits 1979 in Palma einen Sex-Shop – mehrere Jahrzehnte nach Beate Uhses Markteinstieg zwar, in Spanien aber war es eine Premiere. „Die Leute waren zuerst etwas scheu, den Laden zu betreten”, berichtete MM damals. „Jetzt aber benimmt man sich äußerst normal.” Schon sehr früh hatten auf der Insel auch homosexuelle Paare die Möglichkeit, eine eheähnliche Partnerschaft einzugehen. So ermöglichte die damalige Bürgermeisterin von Calvià, Margalida Nájera, schon 1999 einem schwulen Paar den Eintrag ihrer Lebenspartnerschaft – lange bevor das Gesetz zur „Homo-Ehe” in Spanien 2005 in Kraft trat.

Heute ist von katholischen Werten unter Mallorcas Jugendlichen nicht viel zu spüren, bestätigt Maria José Monzó von der Beratungsstelle für Jugendliche „Infojove”, die unter anderem ein Info-Telefon für Sexualfragen betreibt. Dass Jugendliche heute immer früher Sex hätten, sei auch in Spanien Realität. Allerdings scheint es in Sachen Aufklärung noch viel Arbeit zu geben. So sah sich die Balearen-Regierung angesichts überdurchschnittlich hoher Abtreibungszahlen im September veranlasst, in Zukunft die „Pille am Tag danach” gratis auszugeben. Das Aufklärungsgespräch zur rechten Zeit scheint noch nicht überall die Regel zu sein – eine Beobachtung, die auch Maria José Monzó gemacht hat. Bei einer Umfrage vor einigen Jahren, in der es unter anderem um Fragen zur Sexualität ging, verweigerte bei eben diesen Themen jeder Zweite die Aussage. „Viele sprechen noch immer nicht ernsthaft über Sexualität”, sagt Monzó.