Und sie kommen doch, die Heiligen Drei Könige.
Nach tagelangen Protesten hat die Stadtverwaltung von Palma
eingelenkt und gestattet Kaspar, Melchior und Balthasar nun doch
den Auftritt auf dem Rathausbalkon. Aus Sicherheitsgründen hatte
der Verlauf des traditionellen Umzugs am 6. Januar geändert werden
sollen. Dem Sturm der Entrüstung, den diese Ankündigung auslöste,
konnte die Stadtverwaltung nun jedoch nicht länger Stand halten. Es
bleibt also alles so, wie es schon immer war.
Der Vorfall, der sich in diesen Tagen auf der Insel zugetragen
hat, zeigt, wie tief religiöse Traditionen in der mallorquinischen
Gesellschaft verwurzelt sind. Der jahrhundertelange Einfluss der
katholischen Kirche ist auch heute allgegenwärtig - auch in Sitten
und Gebräuchen der Menschen. Andererseits belegt der Streit um die
Heiligen Drei Könige das Spannungsverhältnis zwischen Tradition und
Moderne: Nicht nur auf der Insel, in ganz Spanien befindet sich der
katholische Glaube auf dem Rückzug - ein oft schmerzhafter
Prozess.
Während Spanien lange Jahre als das katholische Land schlechthin
galt, hat sich die Gesellschaft seit dem Ende der Franco-Diktatur
grundlegend verändert. Statistiken belegen den Wandel der Werte. So
hat die Zahl der Eheschließungen auf den Balearen allein in den
Jahren 1991 bis 2005 rapide abgenommen. Gleichzeitig sank die Zahl
der durchschnittlich in einem Haushalt lebenden Personen von mehr
als drei auf gerade einmal zwei. Die jährliche Zahl der
Abtreibungen ist auf den Inseln allein in den Jahren von 1991 bis
2005 von rund 1000 auf fast 2800 gestiegen - als die regierenden
Sozialisten in den 80er Jahren erste Überlegungen anstellten,
Schwangerschaftsabbrüche gesetzlich zu regeln, kam es zu heftigen
Auseinandersetzungen zwischen Regierung, konservativer Opposition
und katholischer Kirche. Ähnlich umstritten war der Weg zu einem
zeitgemäßen Scheidungsrecht. Heute dagegen hat Spanien sogar eines
der fortschrittlichsten Gesetze zur gleichgeschlechtlichen Ehe -
und außer den konservativsten Kreisen der Kirche und der
politischen Rechten regt sich niemand mehr darüber auf.
77 Prozent der Spanier bezeichnen sich heute noch als
katholisch. Vor zehn Jahren waren es sechs Prozent mehr.
Gleichzeitig stieg laut einer Untersuchung des Soziologischen
Forschungsinstituts CIS die Zahl der Menschen rapide, die nicht in
die Kirche gehen. Im vergangenen Januar sagten 56 Prozent der
Befragten, sie gingen "nie" zum Gottesdienst. Zehn Jahre zuvor
waren es noch 33 Prozent. Seit einigen Jahren hat die katholische
Kirche nun auch das Problem, dass ihr immer mehr Menschen endgültig
den Rücken kehren wollen. 2007 hat sich die Zahl derjenigen, die
dem christlichen Glauben abgeschworen haben, versechsfacht. 20.000
Gläubige soll die katholische Kirche landesweit Jahr für Jahr
verlieren. Auf Mallorca sind laut Bistum zwischen 2002 und 2007
rund 100 Menschen aus der Kirche ausgetreten.
Skepsis gegenüber der Kirche, Kritik an ihren Grundwerten - das
ist die eine Seite. Gleichzeitig erfreuen sich katholische
Traditionen auch auf Mallorca größter Beliebtheit. Nicht nur die
Ankunft der Heiligen Drei Könige wird groß gefeiert, auch die
Karwoche gehört zu den wichtigsten Festlichkeiten des Jahres, ganz
zu schweigen von den Patronatsfesten, die jede Gemeinde zu Ehren
ihres Schutzheiligen abhält und die stets Volksfestcharakter haben.
Auch bei den jährlich in verschiedenen Orten Mallorcas
nachgestellten Eroberungsschlachten zwischen Mauren und Christen
schwingt bei aller ausgelassenen Feierstimmung ein Hauch religiöser
Eifer mit. Der Historiker Carlos Collado nennt dies
"fol-kloristische Religiosität" oder auch "Scheinreligiosität".
Beides sei trotz aller Liberalisierungstendenzen bis heute in ganz
Spanien zu beobachten.
Religiöse Traditionen hier, eine liberale Gesellschaftspolitik
dort - das sorgt notwendigerweise für Spannungen und Streit. So hat
es jüngst zum ersten Mal in Spanien ein "Kruzifix-Urteil" gegeben.
Ein Verwaltungsgericht entschied, eine Schule in Valladolid müsse
die Kruzifixe aus den Klassenräumen entfernen und sorgte damit für
einen Sturm der Entrüstung in konservativen Kreisen. Der Vater
einer Schülerin hatte gegen das religiöse Symbol geklagt.
Umstritten ist auch das von der aktuellen Zentralregierung in
Madrid eingeführte Schulfach Bürgerkunde. Kritiker befürchten, der
Staat versuche, den Schülern hier moralische Werte zu vermitteln -
in Spanien lange Jahre alleiniges Privileg der katholischen
Kirche.
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