Der Schuss, der Katharina Büchler tötete, muss
weithin zu hören gewesen sein. Denn in Cala Murada geht es ruhig
und gesittet zu. Es gibt keine knatternden Motorräder, kein
Rasenmäher röhrt. Auf dem Tennisplatz spielen zwei Paare Doppel, in
der Bar am Dorfplatz sitzen vier Touristen und klimpern mit den
Kaffeelöffeln. Im Supermarkt gegenüber macht eine ältere Dame ihren
Tageseinkauf. Alle kennen sich, jeder grüßt jeden. Alles geht hier
seinen geordneten Gang. Fast immer.
Am 23. Juli 2006 war es plötzlich vorbei mit dem Sommeridyll in
dem kleinen Ort an Mallorcas Ostküste. Noch nicht einmal die
Nachbarshunde bellten, als plötzlich der Schuss fiel. Heute kommen
sie laut kläffend an den Gartenzaun gerannt, wenn ein Fremder in
die Sackgasse biegt, in der vor zwei Jahren der erste Mord in der
Geschichte Cala Muradas geschah. Die fast 50-jährige Siedlung
besteht vor allem aus Sommerresidenzen. 70 Prozent der Hausbesitzer
sind Deutsche. Während rund 3000 Personen hier die warmen Monate
verbringen, bleiben nur wenige Hundert auch über den Winter. "Dies
ist ein absolut sicherer Ort", sagt Toni Martí, Präsident der
Eigentümervereinigung von Cala Murada und gleichzeitig Wirt im
Gasthaus mitten im Ort. Vor vier Jahren sei einmal die Bank
überfallen worden. Die Täter aber kamen nicht weit. "Sie waren
blutige Anfänger."
Das Familiendrama in der Vía de Catalunya hat auch Martí hautnah
miterlebt. Neuigkeiten pflegen hier in Cala Murada nicht lange
geheim zu bleiben - und so war es auch mit der Nachricht von dem
Mord in der Villensiedlung. Schon bald drängten sich die Nachbarn
vor den Absperrbändern der Polizei. Zunächst wollte sich niemand
vorstellen, dass der damals 71-jährige Messerer seine
Lebensgefährtin kaltblütig ermordet haben könnte. Ausgerechnet der
eigene Nachbar? Gewissheit wurde das erst, als sich seine Version
von dem Einbrecher, der sich klammheimlich in das gemeinsame Haus
geschlichen und die 62-jährige Frau ermordet haben sollte, als
unhaltbar erwies. Wäre es so gewesen, hätten doch die Hunde
gebellt, waren sich die Leute schnell einig.
"Wir wollen nur, dass er nicht wieder aus dem Gefängnis kommt",
sagt eine Frau, die nicht weit von dem zweistöckigen Haus entfernt
lebt, in dem Täter und Opfer jahrelang lebten. Während Katharina
Büchler als freundlich und beliebt galt, soll Messerer einen
schwierigen Charakter haben, aufbrausend und jähzornig. "Keiner
wollte mit ihm Tennis spielen", sagt ein Anwohner. Gerüchten
zufolge plante Büchler die Trennung. Was genau zum Streit führte,
wird aber wohl erst der Prozess zeigen.
Zwei Jahre lang warten die Angehörigen des Opfers nun schon auf
dessen Beginn - ebenso wie der Beschuldigte. Messerer sitzt seit
dem Verbrechen im Gefängnis in Palma und ist mittlerweile 73 Jahre
alt. "Es geht ihm gar nicht gut", sagt sein Anwalt Carlos Portalo,
der bereits mehrere Anträge auf Haftentlassung gestellt hat. Sie
wurden allesamt abgelehnt. Portalo will es wieder versuchen. Nach
seiner Überzeugung ist sein Mandant zu alt und zu krank für das
Gefängnis.
In Cala Murada geht derweil das Gerücht um, dass der
Beschuldigte ohnehin nicht lange im Gefängnis wird sitzen müssen.
"Alte Leute müssen hier doch nicht ins Gefängnis, oder?", sagt eine
Anwohnerin. Ein Irrglaube, denn die Haftverschonung muss im
Einzelfall von einem Richter verfügt werden. Jaime Campaner geht
jedenfalls davon aus, dass Messerer der Täter ist und für 22 Jahre
hinter Gittern verschwinden sollte. Campaner ist der Anwalt der
Tochter des Opfers, vertritt damit die Nebenklage und hat in der
vergangenen Woche bei Gericht in Palma seine Anklageschrift
eingereicht. Derzufolge hat Messerer am Nachmittag des Tattages
seine Lebensgefährtin durch einen gezielten Schuss aus seiner
Pistole getötet - "ohne dass sie auch nur die geringste Chance zur
Selbstverteidigung gehabt hätte", so die Anklageschrift.
Anschließend habe er die Waffe und die restliche Munition in der
Küche versteckt und die Polizei alarmiert. Nach tagelangen Verhören
führte er die Beamten schließlich zum Versteck der Pistole. Neben
der Haftstrafe fordert Campaner für die Tochter des Opfers eine
Entschädigung in Höhe von 180.000 Euro.
In Cala Murada ist derweil wieder Ruhe eingekehrt. Wäre
tatsächlich ein Fremder der Täter gewesen, dann hätte das Idyll im
Osten vielleicht gelitten, meint Wirt Toni Martí. "So war es halt
nur ein Familienstreit."
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