Mallorca. Manchmal ist es gar nicht so schlecht, sich
nicht an alles erinnern zu können - zumindest wenn man die Nacht an
der Playa de Palma zum Tage gemacht hat.
Denn eines ist klar: Die berühmt-berüchtigte Partymeile des
Hauptstadt-Strandes unsicher zu machen, ohne einen Tropfen Alkohol
zu trinken, ist wie Pommes Rot-Weiß ohne Ketchup und Mayo. Das soll
kein Aufruf zum Besäufnis werden und es bedeutet auch nicht, dass
der gemeine Ballermann-Besucher Alkoholiker sein muss, aber ein
paar alkoholische Getränke, oder, besser noch, ein Rausch, gehören
schon dazu, um das Klischee zu erfüllen; und das Treiben am
Ballermann bestätigt nun einmal sämtliche Vorurteile und
Klischees.
Doch das ist auch gut so, denn dann wissen alle, worauf sie sich
einlassen. Nur, wer danach abstreitet, dort gewesen zu sein, sollte
sich auch dafür schämen. Ein Besuch sind Bier- und Schinkenstraße
allemal wert, allein um die Bandbreite menschlicher Abgründe einmal
mitzuerleben.
Wer dennoch Skrupel verspürt oder Angst um seinen Ruf hat, hier
eine "Ballermann-Anleitung": Zunächst am Strand ein paar Bier, um
sich dem allgemeinen Niveau anzupassen. Danach ab in eine der
zahlreichen Partyhallen, zum Beispiel in den Megapark, allerdings
immer mit dem Bewusstsein im Hinterkopf, dass es später noch
weitergeht.
Hier ist das "Eimersaufen" (vorzugsweise Sangria) Pflicht und es
hat auch einen Vorteil: Je mehr man trinkt, desto weniger
hinterfragt man die Texte solch hochanspruchsvoller Lieder wie "Das
rote Pferd", "Cowboy und Indianer" oder "Zehn nackte Frisösen".
Man muss genug trinken, um sich unkritisch der Masse anpassen zu
können, was soviel heißt wie: auf alles steigen, was erhöht ist
(Tische, Bänke, Stühle und Podeste) und mitgrölen, am besten (wenn
man denn männlichen Geschlechts ist) mit nacktem Oberkörper. Ein
bisschen Eigenständigkeit darf man nur beweisen, indem man
zwischendurch die Schlachtgesänge der heimischen Fußballmannschaft
anstimmt, was jedoch nicht immer die ungeteilte Zustimmung der Fans
anderer Teams findet.
Überhaupt sind hier Stadiongesänge angesagt, man polarisiert und
stößt entweder auf große Ab- oder Zuneigung. Außerdem demonstriert
der gemeine Ballermann-Besucher so die intimsten Kenntnisse der
örtlichen Gegebenheiten nach dem Motto: "Seht her, ich kenne mich
hier aus, denn ich bin betrunken und ich gehöre dazu, gleichzeitig
grenze ich mich aber durch meine lokal- oder regionalpatriotischen
Gesänge von dem ganzen Volk hier ab!" Dass solche Widersprüche
nicht immer konfliktfrei verlaufen, ist abzusehen und so geraten
hin und wieder auch einmal Betrunkene aneinander. Was auf jedem
deutschen Volksfest und in jedem Fußballstadion passiert, darf auch
an Palmas Partymeile geschehen. Meist gehen solche Reibereien
glimpflich aus, doch sie sollten für die Beteiligten der
Startschuss zum Weiterziehen sein.
Also raus aus dem Megapark und hinein ins Vergnügen: Draußen
kommt man nicht weit und die Suche nach der nächsten
Feier-Örtlichkeit fällt nicht schwer, denn alle zwei Meter
umschwärmen einen junge Menschen, die von ihrem "Schuppen"
überzeugen wollen, sei es das "Oberbayern", "Riu Pa-#lace",
"Almrausch" oder der "Bierkönig". In Letzterem kein anderes
Programm als zuvor: trinken, mitsingen und auf Podesten tanzen.
Wer noch nüchtern genug ist, kann sich als neutraler Beobachter
betätigen und das Spektakel quasi als Live-Show genießen. Als
besonders beobachtenswert (weil interessant und amüsant) ist dabei
das Balzverhalten der betrunkenen und aufgeheizten Partygäste zu
empfehlen, spannend sind auch die Reaktionen nicht ganz so
paarungswilliger Frauen bei entsprechend aufdringlichen
Werbern.
Irgendwann wird es neblig im Kopf, allerhöchste Zeit um
aufzubrechen. Draußen ist immer noch die Hölle los, es gäbe genug
Gelegenheiten weiterzuziehen, doch man muss seine Grenzen
kennen.
Am nächsten Tag taucht die Gedächtnislücke auf, das sichere
Zeichen dafür, alles richtig gemacht zu haben. "Da muss mir doch
jemand Alkohol in den Wodka gemischt haben!" Würde man sich
erinnern, dann könnte man sich womöglich schämen und auf die Idee
kommen, dass es am Ballermann zwar recht primitiv und vulgär
zugehen kann, man aber trotzdem verdammt viel Spaß hatte.
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