Gefühlt ist Rafael Nadal schon längst die Nummer eins -
zumindest bei seinen mallorquinischen Bewunderern. Tatsächlich aber
belegt der frisch gekürte Wimbledon-Sieger in der Weltrangliste
noch immer den zweiten Platz. Hinter Roger Federer. Seit vier
Jahren müht sich der Manacori vergeblich, den Schweizer in der
Rangliste der besten Tennisspieler der Welt zu überholen. In diesem
Sommer könnte es erstmalig so weit sein.
Wann genau, ist aber unklar, denn das System, nach dem die
Vereinigung der Profitennisspieler (ATP) die Weltrangliste
berechnet, ist nicht unkompliziert. Klar ist, dass der Spieler mit
den meisten Punkten vorne steht. Roger Federer hat derzeit 6600,
Nadal 6055 Punkte. In die Wertung fließen alle Punkte ein, die die
Spieler bei Turnieren in den vergangenen 52 Wochen gesammelt haben.
Es wird also nicht zu Saisonbeginn im Januar immer wieder bei null
begonnen, sondern nach und nach fallen Punkte aus der Wertung,
während andere neu hinzukommen.
Veränderungen bei der Punktzahl kommen dann zustande, wenn der
Spieler bei einem Turnier früher ausscheidet oder weiter kommt als
im Vorjahr. Da Roger Federer im vergangenen Jahr das Turnier von
Wimbledon gewonnen hatte, diesmal aber im Finale verlor, hat er nun
300 Punkte weniger auf dem Konto (für einen Sieg bei einem
Grand-Slam-Turnier gibt es 1000 Punkte). Rafael Nadal dagegen war
vor einem Jahr im Finale unterlegen und konnte diesmal gewinnen,
hat also 300 Punkte hinzugewonnen und seinen Rückstand also auf
einen Schlag um 600 Punkte verkürzt.
Wegen dieses Systems des Punktesammelns und -verlierens hat
Nadal nun gute Karten, Federer endlich zu überholen. Denn der
Schweizer kann in den kommenden Monaten viele Punkte verlieren,
weil Turniere aus der 52-Wochen-Wertung fallen, bei denen er es
weit geschafft hatte. Federer holte im vergangenen Jahr in Toronto
350 (Halbfinale), in Cincinnati 500 Punkte (Sieger). Als
Titelträger der US Open 2007 wurden ihm sogar 1000 Punkte
gutgeschrieben. All diese Punkte muss der Schweizer in den nächsten
Wochen "verteidigen", um seinen Vorsprung gegenüber Nadal nicht
einzubüßen. Der hingegen kann eigentlich nur gewinnen: Denn ihm
droht nur der Verlust von 225 Punkten aus Toronto, wo er 2007 im
Halbfinale ausschied. In Cincinnati holte er gar nur fünf Punkte
(Aus in der zweiten Runde). Sollten diese beiden Turniere nicht
ausreichen, um den Rückstand wettzumachen, könnte Nadal bei den US
Open einen weiteren Großangriff auf die Nummer eins starten: Dort
war für ihn 2007 bereits im Achtelfinale Endstation, sodass er nur
150 Weltranglisten-Punkte einheimste.
Sollte es Nadal gelingen, den Schweizer vom Thron zu stoßen,
würde er eine denkwürdige Bilanz beenden. Federer steht seit mehr
als 230 Wochen ununterbrochen an der Spitze der Weltrangliste. Das
hat vor ihm noch keiner geschafft. Rekordhalter an der Spitze der
Weltrangliste ist Pete Sampras (286 Wochen mit Unterbrechungen).
Außerdem wäre Nadal nach Carlos Moyà (der Tennisprofi aus Palma war
1999 zwei Wochen lang Erster) und Juan Carlos Ferrero (acht Wochen
im Jahr 2003) der dritte Spanier an der Spitze der
Weltrangliste.
Allen, die ihn jetzt schon als "wahre Nummer eins" sehen,
erteilt er jedoch eine klare Absage: "Ich fühle mich nicht als
Nummer eins", sagt Nadal, der seinen Realitätssinn auch nach dem
Sieg in London nicht eingebüßt zu haben scheint: "Ich fühle mich
nicht als Nummer eins, weil ich es nicht bin."
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