Pünktlich zum ersten Ballwechsel ist das
Mittagessen beendet. Die fünfköpfige Familie in der mitten in
Manacor gelegenen Bar widmet sich nun trotz bestem Strandwetter dem
wichtigen Teil des Nachmittags: Dem Finale von Wimbledon zwischen
Roger Federer und Rafael Nadal. "Das ist doch klar", sagt der
Familienvater, nachdem er seinen Stuhl auf den Flachbildschirm an
der Wand ausgerichtet hat. "Schließlich ist er einer von uns."
Nadal lebt keine 300 Meter entfernt von hier. Während die großen
Stars des Tennis-Zirkus üblicherweise ihren Wohnsitz in eine der
Steueroasen verlegen, sobald die Preisgelder etwas üppiger zu
sprudeln beginnen, bleibt Rafael Nadal bodenständig und der Heimat
treu. "Dies ist der beste Ort der Welt", sagt Rafael Nadal. Noch
immer lebt der 22-Jährige in seiner Geburtsstadt Manacor. Und nicht
nur das: Seine Familie bewohnt weiterhin das Haus mitten in
Mallorcas zweitgrößter Stadt, in dem "Rafa" auch seine Kindheit
verbrachte. Nadals Lebensgefährtin kommt ebenfalls von hier, in
Manacor hat er seine Freunde, hierhin kehrt er zurück, wenn er sich
vom Rummel auf der Tennis-Tour erholt. Seinen Urlaub verbringt er
am liebsten in Portocristo - einem Küstenort, der ebenfalls zur
Gemeinde Manacor gehört. Hier kann er sich beinahe unbehelligt
bewegen, wie ein deutscher Resident aus Portocristo beobachtet hat:
"Hier fragt ihn noch nicht mal jemand nach einem Autogramm, wenn er
durchs Dorf läuft."
Manacor selbst hat einem mehrfachen Millionär wie ihm nicht
wirklich viel zu bieten. Fast 20 Millionen US-Dollar hat Nadal
bisher allein an ATP-Preisgeldern eingestrichen. In Manacor gibt es
weder schicke Läden noch teure Restaurants. Mallorcas Schickeria
ist hier nicht zu Hause. Das scheint Nadal aber nicht zu stören.
Starallüren und Luxusgehabe sind dem Weltranglistenzweiten fremd.
Die einzige Extravaganz, die er sich leistet, sind die
dreiviertellangen Piratenhosen, die er bei seinen Auftritten auf
den Tennisplätzen der Welt stets trägt, und die dem Dresscode des
"weißen Sports" streng genommen widersprechen.
Auch dass er nach dem in fast fünf Stunden errungenen Sieg über
Roger Federer (6-4, 6-4, 6-7, 6-7, 9-7) schnurstracks die
Zuschauertribüne hinaufkletterte, zuerst seine Eltern umarmte und
dann auch noch verschwitzt dem spanischen Prinzenpaar die Hände
schüttelte, deckt sich zwar nicht mit den üblichen Gepflogenheiten
im ehrwürdigen "All England Tennis Club", zeigt aber, warum die
Mallorquiner ihren "Rafa" so verehren.
Tausende Manacoris hatten sich am Dienstagnachmittag vor dem
Rathaus der Stadt versammelt, als Nadal zum offiziellen Empfang
beim Bürgermeister eintraf. Aus den Lautsprechern dröhnte "We are
the champions". Siegt Rafael Nadal, siegt ganz Manacor.
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