Als die Polizei vor etwas mehr als einem Jahr
das Rathaus von Andratx stürmte und den der Korruption bezichtigten
Bürgermeister in Handschellen abführte, kam das einem Beben gleich,
das international für Aufsehen sorgte. Aber der „Fall Andratx” ist
nur ein Beispiel unter vielen: Es vergeht kaum eine Woche auf
Mallorca, in der nicht ein mehr oder weniger großer Skandal ans
Tageslicht kommt.
Bezeichnenderweise war es eine Baustelle in Andratx, auf der
einem Angestellten des dortigen Bauamts Mitte Dezember ein
unmoralisches Angebot gemacht wurde. „Wie viel willst du?”, habe
ihn ein Angestellter der Baufirma gefragt, als er sich anschickte,
einen Bericht über einen Verstoß gegen die Bauauflagen
anzufertigen. Dass der Angestellte des Bauamts den
Bestechungsversuch meldete, könnte jedoch ein Hinweis darauf sein,
dass der Skandal um den Bürgermeister zu einem Umdenken in der
Küstengemeinde geführt hat.
Lax geht es aber offenbar in anderen mallorquinischen Rathäusern
zu. So sah sich Palmas Bürgermeisterin Aina Calvo kürzlich
genötigt, einen ihrer Mitarbeiter anzuzeigen, der seine Aufgaben im
Bauamt offenbar nicht klar genug von seinen Privatinteressen
getrennt hatte. Der Beschuldigte soll an zwei Bauunternehmen
beteiligt sein und Bekannten Gefälligkeiten erwiesen haben.
Wie eine Lappalie wirkt da, dass die Gemeinde Inca den Bau einer
Markthalle genehmigt hat, die rund zwei Meter in die angrenzende
Straße ragt und gegen so ziemlich jede Bauvorschrift verstößt. Der
sozialistisch geführte Inselrat und Incas PP-Bürgermeister Pere
Rotger streiten nun um die Konsequenzen.
Einer der größten Aufreger der vergangenen Wochen aber war eine
Entscheidung des Obersten Gerichts der Balearen. Der zuständige
Richter hatte geurteilt, es sei nicht miteinander vereinbar,
Gesundheitsminister zu sein und eine Apotheke zu besitzen. Genau
das aber traf von 1999 bis 2003 auf die Sozialistin Aina Salom zu.
Obendrein soll ihre Apotheke Gesundheits- einrichtungen des
Inselrats mit Medikamenten beliefert haben. So geht's nicht, findet
der Richter – wenn auch einige Jahre zu spät.
Noch keine Entscheidung ist in einem anderen Verfahren
abzusehen. Die Unió Mallorquina (UM) soll es bei der Vergabe von
Subventionen mit der Transparenz nicht allzu genau genommen haben.
Es laufen Ermittlungen gegen die Associació d'Activitats
Socioculturals de Mallorca, die vom UM-geführten Inselrat im Jahr
2004 insgesamt 180.000 Euro bekommen haben soll. Die aktuelle
Sportdezernentin des Inselrats, Dolça Mulet (UM), musste nun vor
Gericht rechtfertigen, warum sie und zehn weitere Funktionäre im
Jahr 2004 als „Betreuer” eine Reisegruppe der soziokulturellen
Vereinigung nach Sizilien begleitet haben – auf deren Einladung.
Bei ihrer Aussage vor dem Richter bekräftigte Mulet, alle
Inselratsfunktionäre hätten während der Reise gearbeitet. Die neue
Inselratspräsidentin Francina Armengol (PSOE) sah sich jedenfalls
genötigt, in ihrer Weihnachtsansprache „mehr Transparenz” zu
versprechen: „Die Bürger haben ein Recht zu wissen, was mit den
Steuern passiert.”
Nichts Gutes ahnen lässt auch die kürzlich publik gewordene
Selbstanzeige des städtischen Versorgers Emaya. Die neue
Emaya-Chefin Cristina Cerdó (UM) hat der Staatsanwaltschaft
Dokumente übergeben, die Unregelmäßigkeiten in zwei Fällen beweisen
sollen, die sie als „sehr gravierend” bezeichnete. Emaya habe Geld
an Personen überwiesen, ohne dass es dafür eine Gegenleistung gab –
in der vergangenen Legislaturperiode wohlgemerkt (als die PP bei
Emaya das Sagen hatte).
Unzweifelhaft hat der Regierungswechsel auf den Balearen und der
allerorten folgende Kassensturz dazu geführt, dass immer mehr
Skandale ans Tageslicht gelangen. Und so sind die gegenseitigen
Schuldzuweisungen fester Bestandteil der politischen
Auseinandersetzung auf der Insel – was jetzt auch der Vorsitzende
des Obersten Gerichts in Palma beklagt hat. Die „Politisierung” der
Verfahren behindere die Arbeit der Richter, sagte er.
Der leitende Anti-Korruptionsanwalt Juan Carrau beklagt derweil
angesichts der Vielzahl von Ermittlungsverfahren den Personalmangel
seiner Behörde. Denn die genannten Fälle sind nur ein Teil des
Problems. Die Staasanwaltschaft ist auch mit dem Verkauf des
Grundstücks in Can Domenge befasst, das der Inselrat aus
unbekannten Gründen zu einem Preis veräußerte, der weit unter dem
eigentlichen Wert der Fläche lag. Ein katalanischer Bauunternehmer,
der den Zuschlag nicht erhielt, obwohl er deutlich mehr Geld
geboten hatte, hat unter anderem die ehemalige Inselratspräsidentin
Maria Antònia Munar angezeigt. Ferner laufen Ermittlungen gegen
mehrere Politiker wegen Unregelmäßigkeiten beim Zustandekommen des
Territorialplans und bei der Umwidmung eines Gebiets in Son Oms.
Hier sollen Insider-Informationen weitergegeben worden sein, die
Spekulationsgewinne in Millionenhöhe ermöglichten.
Nicht strafbar, wohl aber zweifelhaft ist dagegen das Vorgehen
einiger Politiker in Santa Margalida. Dort war kurz vor der Wahl im
Mai von der PP-Bürgermeisterin eine Bibliothek eröffnet worden –
die schon wieder geschlossen war, bevor der neugewählte
Bürgermeister Martí Àngel Torres (PP) sein Amt überhaupt angetreten
hatte. „Purer Stimmenfang” sei die Einweihung gewesen, kritisiert
nun die Opposition.
Den gleichen Vorwurf musste sich die abgewählte
PP-Balearen-Regierung gefallen lassen, als die kurz vor dem
Wahltermin eingeweihte Metro von Palma beim ersten Regen mit Wasser
volllief. Aus wahltaktischen Erwägungen sei der Bau beschleunigt
und dabei gepfuscht worden, so der Vorwurf der neuen
Mitte-Links-Koalition. Immerhin scheint die PP daraus gelernt zu
haben und überraschte nun mit dem Vorschlag, das Wahlgesetz zu
ändern: Einweihungen und Grundsteinlegungen sollen nicht mehr in
den acht Wochen vor einer Wahl erfolgen dürfen.
Zumindest die Bürger scheinen die Verhältnisse ziemlich genau zu
durchschauen. So ergibt das Korruptions-Barometer von Transparency
International, dass die Spanier vor allem eine Bevölkerungsgruppe
für korrupt halten: die Politiker.
Kein Kommentar
Um einen Kommentar schreiben zu können, müssen Sie sich registrieren lassenund eingeloggt sein.
Noch kein Kommentar vorhanden.