Marc Jörgens liebt das Understatement: „Anscheinend ist schon
ein bisschen Talent vorhanden bei mir”, sagt der 30-Jährige, kurz
bevor ihm Palmas Bürgermeisterin die Siegermedaille um den Hals
hängt. Jörgens hat soeben den TUI-Marathon gewonnen – in neuer
Strecken-Rekordzeit (2:35:58). Und das als Hobby-Läufer. Der
Bürokaufmann aus Wermelskirchen joggt täglich rund zwei Stunden,
wie er sagt. Weil man dabei so gut „den Tag Revue passieren lassen
kann”. Wirklich entspannt war der Lauf für ihn am vergangenen
Wochenende aber nicht. „Es war schon hart. Vor allem auf dem
Rückweg vom Ballermann hatten wir Gegenwind.”
Der machte auch Birgit Schönherr-Hölscher zu schaffen, der
schnellsten Frau auf der Marathon-Strecke (3:10:08). Trotzdem war
der Lauf in Palma für die Wittenerin eine reine Spaßveranstaltung
zum Saisonausklang, wie sie sagt: Die 38-Jährige ist deutlich
längere Distanzen gewöhnt. Sie ist Europameisterin und Deutsche
Meisterin über 100 Kilometer – ein Grund, warum sie so überhaupt
nicht erschöpft aussieht nach ihrem Zieleinlauf vor der malerischen
Kulisse unterhalb von Palmas Kathedrale.
Nicht jeder der insgesamt 3778 Teilnehmer machte nach getaner
Arbeit noch so einen frischen Eindruck. Selbst mancher gestandene
Sportler hatte sich offenbar ein wenig verschätzt. Kathrin Boron
etwa war noch Stunden nach ihrem Zieleinlauf völlig fertig und
nicht in der Lage, den Liegestuhl im VIP-Zelt aus eigener Kraft
wieder zu verlassen. Boron ist immerhin achtfache Weltmeisterin und
vierfache Olympiasiegerin im Rudern. „Mir ist total übel”, haucht
sie.
Ein paar Schritte weiter kauert ein weiterer Leistungssportler,
der sich nicht so recht an dem malerischen Blick auf Palmas
Yachthafen erfreuen kann. Sven Ottke, mit eng ums Gesicht
geschnürter Kapuze. „Wegen dem Wind”, wie er sagt. Der
Ex-Boxweltmeister wollte eigentlich den Halbmarathon schaffen, nach
zehn Kilometern gab er aber auf. „Ich stehe ja jetzt jeden Tag in
der Eishalle”, sagt er, „da habe ich mir eine Erkältung
eingefangen. Mein Puls war schnell bei 180. Da musste ich
aufhören.” Für einen deutschen Fernsehsender steht er zurzeit als
Eiskunstläufer vor der Kamera. Erst am frühen Sonntagmorgen war
Ottke in Palma gelandet, am Montagmorgen ging es schon wieder
zurück nach Deutschland.
Etwas mehr Zeit auf Mallorca gönnen sich Claus (57) und Gisa
(63) Hülstrunk aus Radevormwald. Die beiden halten rund zwanzig
Minuten vor dem Startschuss noch ein wenig Distanz zum Pulk der
Läufer und treten ein wenig nervös vom einen Bein aufs andere.
Dabei sind die Hülstrunks erfahrene Läufer. Schon zehnmal haben sie
die Marathon-Distanz bewältigt, unter anderem in New York, London
und Berlin. Diesmal begnügen sie sich aber mit der halben Strecke.
„Reine Vorsichtsmaßnahme”, sagt Gisa, die genau weiß, wie heiß es
auch im Oktober noch auf Mallorca werden kann. „Als wir das erste
Mal hier mitgelaufen sind, waren es 35 Grad. Ich habe noch nie so
viele Menschen kollabieren sehen.” Ihr Mann Claus schwärmt von der
„super Organisation” und von der eindrucksvollen Streckenführung
durch Palmas Altstadt. „Das hat richtig Erlebniswert, durch die
vielen kleinen Gässchen zu laufen. Ich bin ein richtiger Palma-Fan
geworden.” Damit erfüllt Hülstrunk exakt Catalina Cirers
Erwartungen. Denn Palmas Bürgermeisterin hofft vor allem auf den
Werbeeffekt des Marathons. „So können wir die andere Seite von
Palma zeigen”, sagt sie: „Das Meer kennt ja jeder, bei dem Weg
durch die Altstadt lernen viele aber noch neue Ecken kennen. Der
eine oder andere kommt dann vielleicht einmal wieder.” Die
Teilnehmerzahl könne sich in den nächsten Jahren durchaus noch
verdoppeln, findet sie.
Ihre Landsleute teilen die Begeisterung jedoch noch nicht. Zwar
dominierten vor allem auf der Halbmarathon-Strecke die spanischen
Läufer, insgesamt stellten die Deutschen aber doch die mit Abstand
größte Läufergruppe. Rechts und links der Strecke wehten
dementsprechend vor allem deutsche Fähnchen. Und auch die mehr oder
weniger bekannten Gesichter im Teilnehmerfeld stammten in erster
Linie aus Deutschland. Nicht nur Schlagersänger Jürgen Drews war
auf der Halbmarathonstrecke dabei (2:16:08), auch TV-Moderatorin
Andrea Ballschuh schaffte ihren ersten Wettlauf über zehn Kilometer
(1:05:01). Ex-Radcross-Weltmeister Mike Kluge überstand den
Halbmarathon (1:40:20), Triathletin Nicole Leder lief auf der
gleichen Strecke gar aufs Siegerpodest (3. Platz in 1:23:35). Ihr
Mann Lothar legte die zehn Kilometer in 36 Minuten zurück. „Der
Lauf über den Paseo Marítimo war spektakulär. Ich kenne den sonst
nur als Autobahn. Diese Veranstaltung hat Zukunft.”j
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