Deutsche Touristen erkenne man am Kaufverhalten. Von ihren
europäischen Nachbarn unterscheiden sie sich nämlich durch die
Vorliebe, am liebsten sich selbst zu beschenken. Zahlreiche Händler
in Playa de Palma und Palmas Innenstadt sind sich einig: die
Germanen sind Egomanen.
Doch das sollte keine Erklärung für die diesjährige Krise in
Einzelhandel sein. Vielmehr ist es eine Konsequenz der
vergleichsweise schwachen Besucherzahlen sowie der Tatsache, dass
das Geld nicht mehr so locker sitzt wie noch vor wenigen
Jahren.
Im ersten Halbjahr 2002 gingen die Einnahmen der
mallorquinischen Einzelhändler zwischen 30 und 60 Prozent zurück,
je nach Urlaubszone, so Angel Puyol vom Verband mittelständischer
Unternehmen Pimem. So sind beispielsweise Puerto de Pollença und
Santanyí, wo Spanier das Gros der Touristen ausmachen, weniger von
Einbußen betroffen als etwa die Playa de Palma oder Calvià.
Das teilweise überaus starke Minus begründet Puyol einerseits
damit, dass Touristen maximal nur noch einen Tag ihres Aufenthalts
fürs Shoppen reservieren. Und andererseits mit der Erfahrung, dass
Urlauber ihr Geld eher in Restaurants und Bars ausgeben, als es in
Andenken zu investieren.
Weil derzeit vor allem die Deutschen ausbleiben, konzentrieren
sich die Einzelhändler verstärkt auf die Briten. „Bis spätestens
zur nächsten Sommersaison soll, wie bereits in Fliegern der TUI auf
Deutsch, ein englischsprachiger Einkaufsführer verteilt werden”, so
Puyol.
Auf dem Souvenirmarkt tut sich derweil nicht viel Neues.
„Blödsinn verkauft sich komischerweise noch am besten”, sagt
Margarita vom Souvenirladen Comas in Playa de Palma, und zeigt
dabei auf die Aschenbecher in Form bunter Rastafari-Figuren mit
Joints zwischen den Lippen. Bis vor zwei Jahren verkaufte sie fast
ausschließlich an deutsche Touristen, jetzt seien die Belgier ihre
besten Kunden. Andenken mit Mallorca-Bezug setzten in den Regalen
Staub an, höchstens die wenigen französischen und italienischen
Touristen könnten sich für Castañetten und Stiere im Kleinformat
noch begeistern.
Schleppend läuft auch das Geschäft von Ana María, direkt am
Strand von der Playa del Palma. „Rund 30 Prozent weniger als im
Vorjahr” verkaufe sie in ihrem Schmuckladen. Als Trend dieser
Saison bezeichnet sie Stahlschmuck mit bunten Rubinen oder
Saphiren, der sich „vor allem bei Leuten um die 30 ganz gut
verkauft”. Belgier stellen auch bei ihr das Gros der Klientel.
Weitgehend krisenresistent und immer noch angesagt ist das
vergängliche Henna-Tattoo. Männer bevorzugen die Körperkunst in
Form chinesischer Schriftzeichen auf Nacken, Oberarm und Waden.
„Acht von zehn Frauen halten lieber die Nierengegend hin”, sagt der
Besitzer eines Studios an der Playa de Palma. Kosten: zwischen
sechs und 30 Euro.
Nur unwesentlich besser als ihren Kollegen an der Playa de Palma
ergeht es Händlern in Palmas Innenstadt. Fragt man nach dem Ausmaß
der Einbußen im Vergleich zum Vorjahr, kommt meist ein Zahl
zwischen 20 und 30 Prozent.
Würde Pedro für das Ablichten seines mit Sobrasadas zugehangenen
Ladens Colmado Santo Domingo Geld verlangen, er wäre innerhalb
kürzester Zeit ein gemachter Mann. Seine mallorquinischen
Delikatessen gehen indes dieses Jahr längst nicht mehr so gut wie
in der Vergangenheit. „Früher haben Urlauber schon mal eine ganze
Keule Serranoschinken mitgenommen, heute begnügen sie sich mit
Probier-Rationen”, klagt er.
Die Deutschen seien immer noch die besten Kunden, sagt
Verkäuferin Maria im Camper-Schuhladen, doch auch hier sei das
Verkaufsvolumen im üblichen Bereich zurückgegangen. Obwohl längst
nicht mehr neu, fragten die meisten Kunden nach wie vor nach dem
Schuh mit dem markanten Knubbel-Profil.
Mit Wehmut denkt Portrait-Malerin Inga an den vergangenen Sommer
in Marbella zurück. „Dort verlangte ich mehr Geld pro Bild, hatte
dennoch mehr Kunden.” Die Deutschen nehmen in ihrer Rangfolge nach
den Briten und Spaniern nur Platz drei ein.
Einen nach nationaler Herkunft unterschiedlichen Geschmack beim
T-Shirt-Design hat Sara festgestellt. Mit ihrem Freund betreibt sie
in den engen Gassen Palmas den Souvenirladen Mallorca Spirit, wo
sie in erster Linie bunte Leibchen im Mallorca-Design verkaufen.
„Die Deutschen wollen den Schriftzug Mallorca möglichst klein, die
Italiener schön groß.” Was sich dieses Jahr besonders gut verkaufe,
seien Comic-Figuren im Surf-Look.
Einer, der Souvenirs nicht verkauft, sondern herstellt, ist Marc
Ribas aus Palma. Neu im diesjährigen Ansichtskarten-Sortiment ist
ein rundes eingelassenes Fenster mit original Mallorca-Sand plus
kleinen Muscheln. Dafür scheut Ribas offenbar keine Mühen: „Groben
Sand holen wir in Ciudad Jardín, feinen in der Cala Brava, und den
ganz besonderen in Illetes”, zählt er auf.
Im großen Stil loslegen will er mit den Karten nächstes Jahr,
diesen Sommer testet er an vier Verkaufsstellen die Akzeptanz, und
die „ist nach Händlerangaben sehr hoch”.
Auch wenn er selbst nicht mit dem Touristen als Endverbraucher
in Berührung kommt, Ribas will deren Kaufverhalten bereits studiert
haben. „Briten kaufen aus Freude am Shoppen. Die Deutschen denken
praktischer, suchen einen Sinn hinter dem Erwerb.”
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