Wie ein Deutscher erst in Hollywood, dann auf Mallorca lebt – und beim „Tatort” zeigt, was er drauf hat

Kameramann Rainer Lipski hat Filme mit Stars wie Mick Jagger und Matthew McConaughey gedreht. Nach 15 Jahren USA lebt der Berliner jetzt auf der Insel und landete zugleich sein Comeback in Europa

Rainer Lipski: Schon in seinem Elternhaus in Berlin waren Kameras allgegenwärtig. | Patricia Lozano

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Am 9. März zeigte die ARD den Köln-Tatort „Colonius”. Es war der 93. Fall für die Ermittler Ballauf (Klaus J. Behrendt) und Schenk (Dietmar Bär), Regie führte Charlotte Rolfes. Und was hat das, bitte schön, mit Mallorca zu tun hat? Nun, hier lebt Rainer Lipski, der Kameramann des Films. Nach 15 Jahren in Hollywood hatte er erstmals wieder die Bilder einer europäischen Produktion gestaltet.

Lipski, geboren 1975 in Berlin, wuchs in einem Elternhaus auf, in dem Kameras allgegenwärtig waren. „Mein Vater war begeisterter Hobbyfotograf”, erzählt er. „Auf seiner Hochzeitsreise vor 50 Jahren hatte er zwei Leica-Kameras dabei – eine für Schwarz-Weiß, eine für Farbe – und eine Super-8-Kamera im Rucksack.”

Während der Schulzeit wusste Lipski noch nicht, was er werden wollte. Seine Mitschüler im Leistungskurs „politische Weltkunde” lachten ihn aus, als er „Globetrotter” als Berufswunsch angab. Doch Lipski war klar: Sein künftiger Beruf sollte sich überall auf der Welt ausüben lassen und folglich an eine universelle Sprache gebunden sein. Es war die Sprache der Bilder.

Nach seinem Abitur 1996 besuchte Lipski zunächst die Kaskeline Filmakademie in Berlin. Sein Erstlingswerk als Student: Ein Kurzfilm, bei dem er nicht nur Regie führte. „Ich hatte einen hohen Anspruch an die Bilder. Und weil ich keinen Top-Kameramann gewinnen konnte, machte ich aus der Not eine Tugend und griff selbst zur Kamera.” Was Lipski nicht erwartet hatte: Andere Regisseure fragten ihn daraufhin zunehmend, ob er für ihre Projekte auch die Kamera übernehmen könne. Von 2001 bis 2006 machte er Nägel mit Köpfen, absolvierte ein Masterstudium in Bildgestaltung an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg.

Ein prägendes Erlebnis war 2004 ein Stipendium an der University of California mit einem Monat Seminare in Hollywood. 2008 wagte Lipski dann richtig den Sprung über den großen Teich. „Obama war gerade gewählt, ,Yes, we can’ – die Stimmung im Land war unglaublich.” Seine heutige Frau Sandra lebte bereits in Los Angeles. Beide hatten sich auf Mallorca kennen- und später während eines Filmprojekts in Köln auch liebengelernt. Geplant war ein Jahr Hollywood, es wurden 15 Jahre.

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In dieser Zeit drehte Lipski zehn Spielfilme, rund 100 Werbespots, Musikvideos und 20 Kurzfilme. Er arbeitete mit Stars wie Mick Jagger, Ed Sheeran und Matthew McConaughey und erhielt mehrere Auszeichnungen. „Es macht natürlich Spaß, da drüben zu arbeiten, weil die Qualität der Crews und der Casts Hollywood zu einem Epizentrum machen.”

Trotzdem ließ sich die Familie 2023 auf Mallorca nieder. Die Gründe waren vielfältig: die politische Situation in den USA, der Ausbruch sozialer Unruhen, nachdem ein weißer Polizist den Afroamerikaner George Floyd bei der Festnahme getötet hatte, die Pandemie, die wachsende Obdachlosigkeit in Los Angeles. Vor allem aber spielte die Schulbildung seiner sechsjährigen Tochter Alma eine Rolle. „Es gab keine Schule, wo nicht ein Maschendrahtzaun direkt vorm Fenster war.” Und die in amerikanischen Schulen üblichen „Active Shooter Drills” – Übungen für den Fall eines bewaffneten Eindringlings – so sollte seine Tochter nicht aufwachsen.

Ein gewichtiger Grund für den Umzug war auch das Evolution Mallorca International Film Festival, das seine Frau Sandra vor 14 Jahren gründete und seither leitet. Rainer Lipski unterstützt das international anerkannte Festival als Co-Gründer und „Strategic Director” des „Cinematography Focus”. Diese Sektion bringt die besten Vertreter der Branche nach Palma und macht das Festival einzigartig. Weltweit widmen sich nur zwei weitere Festivals speziell auch der Kameraarbeit.

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Rainer und Sandra Lipski mit Tochter Alma und Hündin Muppi.

Seinen Wiedereinstieg in die europäische Filmszene feierte Lipski mit dem Kölner Tatort „Colonius”. „Ich wollte mich in Deutschland mit einem Flaggschiff zurückmelden”, erklärt er. Die große Reichweite des „Tatorts”, aber auch die kreativen Möglichkeiten seien wichtige Kriterien gewesen.

Zweimal schon, beim Film Festival Cologne und bei Evolution Mallorca, hat Lipski den Tatort „Colonius” (hier mit einem Link zum Interview der Hauptdarsteller) auf der Leinwand erlebt. Am vergangenen Sonntagabend sah er ihn mit Freunden zu Hause erstmals im TV. Als Zuschauer oder als strenger Kritiker seiner selbst? „Man weiß beim Gucken jedes Mal, was man besser machen würde”, sagt er. „Aber im Idealfall, wenn der Film funktioniert, achte ich nicht auf meine Bilder.”