Lässig und zugleich selbstbewusst nimmt Ben Jakober an der langen Seite am Kopf der Holztafel platz. Seine aufgeweckten Augen leuchten hinter den rosa getönten Brillengläsern, als er beginnt über das Sa Bassa Blanca Museum zu erzählen. „Wir hatten nie geplant, ein Museum zu erschaffen, es ist einfach so passiert”, erklärt der 92-jährige Künstler und lacht.
Gemeinsam mit seiner Frau Yannick Vu – ihres Zeichens ebenfalls Künstlerin – ließen sie einen Ort entstehen, der bei jedem Besuch eine neue Entdeckung bereithält. Sie suchten nicht explizit nach einem Gebäude und verfolgten auch nicht das Ziel, Kunst zu sammeln. Es fügte sich alles einfach ineinander, und so zählt Sa Bassa Blanca heute sogar zum Kulturerbe der Balearischen Inseln.
Angefangen hat alles mit dem Bau des Hauptgebäudes: ein weiß getünchtes Atriumhaus, inmitten der Natur, an der Bucht von Alcúdia gelegen. Das 1978 vom ägyptischen Architekten Hassan Fathy entworfene Anwesen vereint moderne Architektur mit antiken Elementen. Ein Baukunstwerk mit Fokus auf Nachhaltigkeit, das zu Zeiten von Zweckbauten errichtet und nach nur zwei Jahren Bauzeit fertiggestellt wurde. Damals war es das Wohnhaus der Künstler und schon seinerzeit war es genau das, was die Kunststiftung heute ausmacht: ein Wunderkabinett mit eklektischen Sammlungen, über diverse Thematiken, aus diversen Ländern, von diversen Künstlern.
„Nicht nur das Kunstobjekt ist uns wichtig – der Ort, an dem es steht, sowie der Bezug zu den anderen Exponaten ist ebenfalls von großer Bedeutung für die Ausstellung”, erläutert Ben Jakober das Konzept des Museums. „Als Kunstsammler ist der Heureka-Moment (auch als Aha-Erlebnis bekannt; Anm. d. Red.) entscheidend. Man sieht etwas und es entstehen direkt Verbindungen, Emotionen, Erinnerungen und weitere Ideen im Kopf”, schildert Jakober. „Wenn das passiert, dann weißt du, dass du etwas Bedeutsames vor dir hast. Es passt alles zusammen und bildet ein großes Gesamtkunstwerk.”
Dieses Setzkastenprinzip ist auf dem gesamten Gelände des Sa Bassa Blanca Museums zu entdecken. So befinden sich im Hassan-Fathy-Gebäude, dem ehemaligen Wohnhaus, das 2006 offiziell als Museum umfunktioniert wurde, Ausstellungsräume mit zeitgenössischen Arbeiten von Künstlern, die mit den beiden Sammlern im engen Kontakt standen. Unter anderem eine Sammlung von Fotografien des Kunstkritikers Werner Krüger, Zeichnungen des italienischen Malers Domenico Gnoli sowie der Raum der Stühle mit Exponaten von Damien Hirst, Gerrit Rietveld und weiteren in der Szene bekannten Namen. Die Bibliothek mit mehr als 10.000 Büchern über Kunst, Architektur und Fotografie sowie der Eingangsbereich lassen noch im entfernten Sinne auf die ehemalige Wohnnutzung schließen. „In jeder Ecke findet man Kunst”, sagt Kunstführerin Maria-Antonia Ramis und zeigt auf zwei Vitrinen im Eingangsbereich, die bis oben hin mit kleinen Modellen und Artefakten bestückt sind. „Ein einziger Besuch im Sa Bassa Blanca reicht nicht aus. Die Ausstellungen verändern sich stetig. Mal kommt was dazu, mal wird etwas umgeräumt, damit es wieder passt”, erklärt Ramis.
Ein Gestaltungskonzept, das nicht nur Experten, sondern vor allem Kinder anspricht. „Um der nachfolgenden Generation die Kunst nahezubringen, müssen wir sie interessant präsentieren und nicht in einem sterilen Raum ausstellen”, beschreibt Ben Jakober das Konzept des Bildungsresorts seiner Stiftung. „Kinder lernen, indem sie sich wohlfühlen und Spaß haben.” So kann der Skulpturengarten mit seinen zum Teil übergroßen Tierplastiken von Ben Jakober und Yannick Vu eher als Safari-Park mit Fabelwesen beschrieben werden.
„Kunst sollte nicht zu ernst genommen werden”, sagt Maria-Antonia Ramis lächelnd, als sie an einem übergroßen Ei aus Granit vorbeiläuft. „Vor allem Ben lässt seinen Humor gerne unterschwellig in seinen Arbeiten durchblitzen”, erzählt sie und öffnet die Tür zu einem wahren Kuriositätenkabinett : Die Ausstellungshalle des Sokratesraums beherbergt ein fossiles Nashornskelett, das neueste Elektroauto, antike Masken aus diversen Kulturkreisen, einen Vorhang aus Swarovski-kristallen, Einsteins Formel zur Raum-Zeit-Relation als Neon-Schriftzug und viele weitere Werke, die im Zusammenspiel eine Verbindung zwischen der Vergangenheit, der Gegenwart und den kulturellen Unterschieden und Gemeinsamkeiten aufzeigen. „Ein Sammelsurium an Kunst, das zum Schmunzeln anregt”, resümiert Musemsführerin Ramis die Exponatszusammenstellung.
Weniger modern, aber dennoch mit viel Bedacht zusammengetragen, ist die Sammlung von Kinderporträts aus dem 16. bis 19. Jahrhundert, die sich unterirdisch in dem ehemaligen Wasserreservoir befindet. „Es fing mit einem Porträt an und hörte dann nicht mehr auf. Also mussten wir anbauen,” erklärt Ben Jakober, wie es zu dieser Ansammlung an Kinderbildnissen kam.
„Ein Kunstsammler hört erst auf, wenn er pleite ist oder stirbt”, schließt Ben Jakober seinen Exkurs über das Sa Bassa Blanca und lacht herzhaft. „Wir haben ein stetig wachsendes Gesamtkunstwerk geschaffen, mit dem wir Mallorca zurückgeben wollen, was wir über all die Jahre bekommen haben”.
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