Martin García ist kein Unbekannter auf Mallorca. 2023 begeisterte er open air auf Schloss Bellver mit dem 2. Klavierkonzert von Rachmaninoff (ich habe darüber berichtet). An seinem Anliegen, Musik so zu interpretieren, dass sie zu Herzen geht, hat sich nichts geändert. Seine phänomenale Technik gestattete es ihm, selbst der etwas kühlen nordischen Romantik des Grieg-Konzerts herzliche Töne abzugewinnen. Ein etwas weniger hart intonierter Flügel hätte sie noch ein wenig herzlicher klingen lassen, aber was das Instrument nicht hergab, glich der Pianist durch geschickte Agogik aus. Der Dirigent übte sich in bescheidener Zurückhaltung und überließ das Feld dem jungen Virtuosen. Der zeigte (nicht nur in der langen auskomponierten Kadenz des ersten Satzes), dass er sowohl zarte lyrische Töne als auch atemberaubende Akkord-Kaskaden beherrscht. Diese beiden Seiten seines Spiels kamen auch in der Zugabe, mit der er sich für den stürmischen Applaus bedankte, zum Ausdruck.
Der Untertitel „Das Jahr 1905«, den Schostakowitsch seiner 11.Sinfonie gab, verweist auf den programmatischen Charakter des Werkes. Die vier Sätze schildern die dramatischen Ereignisse jenes 9.Januar, der als Blutsonntag in die Geschichte eingegangen ist. Der erste Satz eröffnet die Sinfonie mit einer düsteren und bedrohlichen Atmosphäre, die die Spannung und die Erwartungen der bevorstehenden Ereignisse widerspiegelt. Langsame, schwermütige Melodien dominieren diesen Abschnitt und lassen die Ruhe vor dem Sturm spürbar werden. Der zweite Satz schildert die dramatischen und chaotischen Ereignisse des Blutsonntags. Rasende Rhythmen und dissonante Klänge erzeugen ein Gefühl von Panik und Gewalt, das die Schrecken des Massakers musikalisch darstellt. Im dritten Satz tritt eine trauernde und reflektierende Stimmung in den Vordergrund. Schostakowitsch gedenkt hier der Opfer des Blutsonntags mit melancholischen Melodien und Klagegesängen, die tiefe Emotionen und Trauer vermitteln. Der abschließende vierte Satz symbolisiert den Aufstand und die Hoffnung auf Veränderung. Kräftige, aufrüttelnde Motive und wiederkehrende thematische Elemente verleihen diesem Abschnitt eine aufwühlende und ergreifende Anschaulichkeit. Die Schilderung dieser vor-sowjetischen Geschehnisse bildet indes den Rahmen für die Verarbeitung des Grauens, das Schostakowitsch später in der Ära Stalin am eigenen Leib erleiden musste. Angesichts dessen, was sich gerade unter Putin abspielt, ist eine Aufführung im Jahr 2025 hochaktuell. Pérez koordinierte den ungeheuren Klangapparat souverän und erzeugte so eine beklemmende Atmosphäre, in der sich die Schrecken der Diktatur eindringlich entfalteten.
Das nächste Konzert des OSIB findet am 13.03 im Teatre Principal statt. Francisco agiert als Solist und Dirigent in Vivaldis „Vier Jahreszeiten« und führt davor Beethovens Achte auf. Im Auditorium gehen die Abokonzerte dann am 20.03. weiter. Pablo Mielgo dirigiert die berühmte Pavane von Gabriel Fauré. Das Konzert für Viola und Orchester von Joseph Schubert mit Sara Ferrández als Solistin und als Höhepunkt des Abends Gustav Mahlers 1.Sinfonie („Der Titat«).- Karten gibt’s wie immer auf der Webseite des Auditoriums.
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