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Was Joji Hattori und Hyung-Ki Joo gestern Abend in den Abendhimmel über Schloss Bellver zauberten, kann man getrost als spanische Nacht bezeichnen, auch wenn nur einer der drei gespielten Komponisten ein waschechter Spanier war: Joaquín Turina. Die anderen zwei, Maurice Ravel und Emmanuel Chabrier, hatten einen französischen Pass. Aber beide hatten eine ausgeprägte Vorliebe für spanisches Kolorit und ließen sich von den Musen Hispanias gern küssen. Ravel bereits in seinem frühen Werk Pavane pour une infante défunte von 1899, mit dem der Abend begann.

Ravel, französischer Impressionist mit spanischen Wurzeln – er hatte eine baskische Mutter - schrieb die Pavane zunächst für Klavier und orchestrierte sie erst zehn Jahre später. In dieser Fassung hat sie die Konzertsäle (und die Wunschkonzerte) erobert. Trotz des großen Erfolgs, der dem Werk auch nach der begeistert aufgenommenen Uraufführung treu blieb, schätzte der Komponist das Stück nicht allzu sehr, weil er es stark von Chabrier beeinflusst sah. Joji Hattori und (für diesen Abend) sein Orchester machten ein opulentes Klangereignis daraus. Der Dirigent, der in Wien auch ein Feinschmeckerlokal betreibt, möchte Musik – das hat er mir letztes Jahr im Interview gesagt – für sein Publikum zu einem kulinarischen Erlebnis werden lassen. Dass das auch gestern Abend wieder gelang, ist nicht zuletzt den glänzend disponierten Sinfonikern zu verdanken. – Dass er seinen Zuhörerinnen und Zuhörern in erster Linie Freude bereiten will, sah man auch dem Pianisten Hyung-Ki-Joo an, der sich nach der Pavane mit Esprit und Verve über das G-dur-Klavierkonzert von Maurice Ravel hermachte. Der Komponist hatte darin impressionistische Elemente (Klavier-Glissandi, Harfen-Soli, Patchwork-Arbeit á la Debussy) mit handfesten Jazz-Rhythmen konterkariert. Joo wurde beidem gerecht. Für die atmosphärischen Seiten des Konzerts war der relativ weich intonierte Steinway bestens geeignet, die Läufe perlten nur so. Den forschen rhythmischen Zugriff unterstrich Joo durch vernehmbares Stampfen. Impressionismus goes Jazz – und ein Vollblutpianist am Flügel – das Publikum war begeistert. – Bei der Zugabe konnte Joo den Entertainer, der er als Teil des Komiker-Duos Igudesman&Joo auch ist, nicht länger zurückhalten: Sein Joke über die ersten Worte eines Säuglings (Mama, Caca, Papa - in dieser Reihenfolge!) zündete auch gestern Abend wieder, und dann beteiligte er auch noch den Dirigenten an seinem Encore: zusammen mit Hattori, der von Haus aus Geiger ist, gab er sein „Schlaflied für Leon“ zum besten, sehr zum Amüsement des Publikums.

Dass Joji Hattori von der Violine her kommt und damit eine besondere Affinität zu den Streichern hat, konnte man nach der Pause auch in der Sinfonischen Rhapsodie für Klavier und Streichorchester von Joaquín Turina erleben. Was er da mit Violinen, Bratschen und Celli veranstaltete, erinnerte stellenweise an den süffigen Mantovani-Sound. Er, Mantovani, Meister der verliebten Geigen, soll einmal gesagt haben, er könne diesen speziellen Klang mit nur einer Probe aus jedem beliebigen Orchester „herausholen“. Ganz so wird es wohl nicht gewesen sein, denn ohne eine solide handwerkliche Basis geht das nicht. Hattori indes bewies, dass er zumindest die Streicher des OSIB zu einer großartigen kulinarischen Klangentfaltung motivieren kann. Die Geigen klangen zuckersüß – Hattori, der Candy Man am Dirigentenpult! – Die „Mantovaniana“ setzte sich auch im nächsten Stück fort: im „Gebet des Toreros“ für Streicherensemble von Torina kam man gar nicht dazu, darüber zu sinnieren, worum ein Torero eigentlich vor dem Kampf betet. Aber das war auch egal. Man ließ sich einfach gefangen nehmen von der Klangpracht, die die fabelhaften Streicher des OSIB unter Hattoris Händen entfalteten. – Das Schlussstück war als Rausschmeißer gedacht, und so klang es auch. Das Orchester konnte noch einmal richtig aufdrehen und den Drive und die instrumentatorische Delikatesse, die Emmanuel Chabrier in seinen Reißer España gepackt hatte, ausspielen. Das Publikum tobte, bevor es sich glücklich auf den Heimweg machte. – Das letzte Konzert der Sommersaison findet bereits am kommenden Mittwoch statt. Chefdirigent Pablo Mielgo wird es leiten, unter anderem steht das dritte Klavierkonzert von Beethoven auf dem Programm. Es ist bereits ausverkauft.