Wer sich am Nachmittag auf den Weg macht, dem kommen sie bereits entgegen, all die behelmten Sportler und Kletterer, die jetzt, in diesen regenreichen Tagen, sich die Gelegenheit zum Canyoning, dem angeseilten Kraxeln in Wildwasserbächen nicht haben entgehen lassen wollen. Erschöpft aber glücklich kehren sie in ihren Neoprenanzügen zu den abgestellten Autos zurück.
Die Wasserfälle von Orient zeigen sich nach den üppigen Niederschlägen angeschwollen wie sonst nie. In mehreren Stufen rauscht das Wasser im Wald kaskadenhaft in die Tiefe, zwei der vertikalen Schwälle sind schätzungsweise acht bis zwölf Meter lang.
Salt des Freu, „der Sprung der Schlucht”, heißt die Stelle, die man erst nach einem mühseligen Anmarsch über Stock und Stein, durch Matsch und Pfützen erreicht. Dann aber wird die Anstrengung belohnt durch das Eintreten in einen geradezu verwunschen wirkenden Eichenwald, der durch seine tiefe Stille überrascht. Bald aber ist ein Rauschen zu vernehmen. Es nimmt zu, während man an Abhängen behutsam hinabklettert, um dann – je nach Höhenlage – an den Wasserfällen zu stehen und ihre Sprühnebel auf der Haut zu spüren.
So urtümlich der Wald erscheint: In den vergangenen Jahrhunderten dürfte diese Stelle deutlich belebter gewesen sein. Denn mindestens zwei verfallene Wassermühlen sind an dem Bachlauf zu sehen, wo früher per
Maulesel Säcke voll Korn hin- und voller Mehl zurück in die Dörfer befördert wurden. Caspar David Friedrich, der Maler der deutschen Romantik, der bevorzugt Kirchenruinen in dunklen Eichenwäldern auf die Leinwand bannte, hätte angesichts der Gemäuer am Salt des Freu unverzüglich die Pinsel gezückt.
Heute sind es eher einzelne Besucher, die, berauscht von den Wasserfällen, ihre Smartphones hervorziehen und sich per Selfie verewigen. Hier sind es Eltern mit kleinen Kindern, dort ein junges Paar, weiter drüben zwei Ausflügler mit Hund. Allen steht die Überraschung ins Gesicht geschrieben, auf der Sonneninsel mit ihren Stränden am Meer, einen solch ungeahnten Naturschatz im (Regen-)wald zu sehen zu bekommen. Der Salt des Freu wird weiterhin die Menschen verzaubern, solange ihm die Regengötter das notwendige Nass zuführen.
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