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Jetzt, während der Öffnungszeiten, sind die schweren Eisengitter vor den Fenstern und der Eingangstür verschwunden. Doch das kleine Geschäft in einem Industriegebiet in Palma macht noch immer einen gut gesicherten Eindruck.

Wer Einlass verlangt muss klingeln, erst dann wird die Tür geöffnet. Eintreten darf nur, wer älter als 18 ist. Schilder weisen darauf hin, dass der Laden per Videokamera und Alarmanlage überwacht wird.

Das mag kein Wunder sein, denn in dem Geschäft wandert vor allem Edelmetall über den Ladentisch. "Compro Oro", "ich kaufe Gold", steht über dem Schaufenster, und der Name ist Programm. Die unansehnliche Klitsche ist ein Ort, an dem Interessierte ihre Eheringe, Schmuck und Geschmeide, aber auch das geerbte Zahngold der Vorfahren loswerden können - gegen Bargeld.

Seit Beginn der Wirtschaftskrise befinden sich die Goldankäufer auf den Inseln im Hochbetrieb. In Palma eröffneten eine Reihe dieser Läden, selbst auf Menorca ist seit November eine "Casa de Oro" zu finden. In Zeiten mit hoher Arbeitslosigkeit und finanziellen Engpässen versucht so mancher Besitzer von Goldkettchen oder Münzen, den Besitz zu "versilbern", um über die Runden zu kommen.

Gold ist gefragter denn je. In den vergangenen sechs Jahren hat sich der Preis für das Edelmetall verdreifacht. Kostete die Feinunze Gold im Jahre 2004 knapp 400 US-Dollar, sind es derzeit über 1200 Dollar.

Die Feinunze Gold, das sind 31'1 Gramm oder 1'097 der Gewichtseinheit Unze. Wem das zu theoretisch ist, der nehme diese Einheit: Ein Kilo Gold wird derzeit mit rund 30.800 Euro notiert.

Begüterte Anleger, die aufgrund der Bankenkrise und den hochverschuldeten Staatshaushalten dem internationalen Währungssystem nicht mehr so recht trauen, investieren Teile ihres Vermögens in Gold. Das bringt zwar anders als ein Sparguthaben oder Aktien weder Zinsen noch Dividenden, im Banksafe fallen auch noch Einlagerungsgebühren an. Doch selbst wenn die gesamte Weltwirtschaft zusammenbrechen und zum Teufel gehen sollte, bleibt Gold als nahezu unverwüstliches Material wertbeständig. Gold ist eben Gold.

"Ich habe hier ein Goldkettchen und einen Kreuzanhänger", sagt der Mann und will wissen, was er dafür bekommt. Die Verkäuferin reibt das Metall an einen schwarzen Stein, dort bildet sich ein metallischer Glimmer. Mit einer Pipette tropft sie ölige Säure darauf. Ist das Gold hochwertig, bleibt der Glanz bestehen. Andernfalls verfärbt sich der Glimmer schwarz. "Keine Ahnung, was das hier für Chemikalien sind", sagt die Mitarbeiterin, "ich weiß nur, wie ich damit umgehen muss." Dem Schmuck selbst macht die Reibung an dem Stein gar nichts aus.

Tatsächlich ist das Kruzifix nur von minderer Qualität, die Kette weist dagegen einen Feingoldgehalt von "18k" auf. Das "k" steht für Karat, im Spanischen hingegen für "quilate", der Gewichtseinheit für Feingold. Daran lässt sich ferner ersehen, aus wieviel Prozent reinem Gold die Kette besteht, und wieviel Prozent andere Metalle als Legierungen hinzugesetzt wurden. 18k steht auch für einen Feingoldgehalt von 750/000. Das bedeutet, die Kette besteht zu 75 Prozent aus reinem Gold, dem sogenannten Feingold.

Für die 16'3 Gramm schwere Kette bietet die Käuferin zum aktuellen Tagessatz 195 Euro. Will der Mann den Schmuck loswerden, muss er sichausweisen und seine Personaldaten hinterlegen. Doch jetzt, wo er weiß, dass er tatsächlich ein hochwertige Goldkette besitzt, will er sie lieber doch selbst behalten.

Es sei üblich, dass die Ankäufer Preise unter den jeweiligen Tagesnotierungen für Gold bezahlen, sagt ein Sprecher der baleraischen Sparkasse Sa Nostra. "Sie erwerben günstig und veräußern teurer." Läden dieser Art, die "tiendas de oro", seien Begleiter von Wirtschaftskrisen, sie boomen dann, wenn die Konjunktur flau ist.

"Physisches Gold", also konkrete Barren oder Münzen wie den südafrikanischen "Krügerrand" und den "American Eagle" aus USA, kann man bei der balearischen Sparkasse nicht erwerben. Mit einer Ausnahme: Einmal im Jahr werden am ehemaligen Hauptsitz "Monte de Piedad" in Palmas Altstadt gegenüber der Sant-Francesc-Kirche Schmuckstücke versteigert. Hierbei handelt es sich um Pfandstücke, die von ihren Besitzern nach Ablauf der Frist nicht wieder eingelöst wurden. Häufig sind es Schmuckstücke, die mit Edelsteinen oder anderen Edelmetallen verziert sind. Waren, wie man sie auch beim Juwelier finden kann. In diesem Jahr versteigerte die Sparkasse rund 540 Pfandeinlagen im Wert von 230.000 Euro.

Der Trend, dass Wohlhabende zum Schutz vor Inflation Teile ihres Vermögensdepots in Gold umschichten, hat sich auf Mallorca noch nicht bemerkbar gemacht, sagt der Sa-Nostra-Mitarbeiter. "Unsere Anleger sind konservativ und setzen auf traditionelle Werte wie etwa Immobilien." Wer dennoch indirekt in Gold investieren wolle, dem stünden sogenannte ETF-Produkte "Exchange Trade Fonds" zur Verfügung.

Kunden erwerben dabei Wertpapiere mit Anrecht auf Gold, die konkrete Auslieferung des Metalls entfällt. Diese Produkte werden als risikoreich eingestuft, weil der Goldwert in diesem Geschäftsbereich sehr "volatil", also schwankend sei. Da braucht man also Nerven wie Drahtseile. Am besten aus Gold.