Die Verwandelten“ würde die Ausstellung heißen, fände sie in
deutschem Umfeld statt. Doch da sich das nur sehr schlecht griffig
übersetzen lässt, ist der hiesige Titel „Dietrich Klinge.
Transformaciones“. Zu sehen zurzeit im historischen Wasserreservoir
des Museums für Moderne und Zeitgenössische Kunst Es Baluard.
„Die Idee der Transformation ist eine menschheitsgeschichtliche
Sache“, sagt Dietrich Klinge (Heiligenstadt/Thüringen 1954). Um
Verwandlungen geht es ihm. Und Verwandelte sind seine Figuren, in
dieser Ausstellung immer überlebensgroß. Man könnte auch sagen, sie
seien unvollständig. Immer fehlt etwas, mal die Arme, mal der
Körper, mal ein Bein. Immer sind es Wesen aus einer anderen Welt.
Oder sind es gar wir selbst? „Das Auge ergänzt das automatisch“,
sagt Dietrich Klinge, „so werden die Figuren wieder zu einer
Einheit in sich.“
Auch sonst sind die Skulpturen nicht eindeutig, wenn der
Künstler auch selbst sehr genau wissen lässt, wer männlich, wer
weiblich ist. Der Betrachter tut sich da schwerer. Aber Dietrich
Klinge selbst möchte, dass immer etwas Verborgenes bleibt. Deshalb
bezeichnet er auch – anlässlich einer Diskussion über die
Beleuchtung der Skulpturen – den gewölbten Raum des „Aljub“ eher
als Gefäß denn als Bühne.
„Heute leben wir vornehmlich für den Moment“, sagt er, „wir
bekommen alles auf den Punkt serviert. Eine Ausstellung ist kein
Fernsehen. Es geht doch um ein größeres Kontinuum.“
Die Auswahl der Skulpturen, die aus den Jahren 2000 bis 2008
stammen, hat Dietrich Klinge eigens für den Raum zusammengestellt.
Wichtig ist ihm die Skulptur „Entwurf für eine große Figur“: „Man
weiß nicht, ob sie aufsteht oder gerade hinfällt.“ Sie steht
gegenüber einer Figur, die Klinge, wie andere auch „Gordian“ nennt,
nach dem Gordischen Knoten, der nur mit dem Schwert durchschlagen
werden konnte. Auch sonst stehen sich die Figuren wie Totempfähle
gegenüber, bilden eine Art Krönungsweg. Nur weiß man nicht, in
welche Richtung man sich zu bewegen hat. Die Gesichter der Figuren
spiegeln Schmerz, Leiden, Anstrengung, Überheblichkeit: „Jeder hat
seine eigene Geschichte“, sagt Klinge und fügt hinzu: „Der
Betrachter muss sich ein bisschen anstrengen, hat aber auch die
Freiheit, selbst zu interpretieren. Es ist wie mit unserer Umwelt,
wie mit der Welt verfahren wird. Man hat die Freiheit. Aber nutzt
man sie?“, sagt Klinge.
Rätselhafte Namen gibt Klinge seinen Skulpturen: „Mada“, „Wonne
bi“, „Empty Spoon“ oder „Nighthart“. Ein Spiel mit Worten, Sprachen
und Begriffen?
Wer die Skulpturen berührt, erwartet, Wärme zu spüren. Und es kommt
Kälte. Denn die Figuren sind in Bronze gegossen, nach der Urform
aus Holz. „Ich arbeite zunächst mit der Kettensäge. Mit der
Maschine habe ich Zugriff und Zufälligkeit. Beides gleichzeitig.
Absicht und Absichtslosigkeit, was charakteristisch ist für das
heutige Leben. Der Arbeitsprozess ist schnell und langsam zugleich.
Die Bronzegüsse sind aus Gründen der Statik nötig.“
Den mythologischen, archaischen Aspekt seiner Arbeit möchte
Klinge nicht vergessen sehen: „Mich interessiert etwas Einfaches.
Wir leben nur, weil andere Menschen vor uns gelebt haben. So mündet
die Vergangenheit in unsere Gegenwart. Durch Medien, durch das
Computerwesen verläuft die Welt heute nur im Hier und Jetzt.“
<`p> Die Figuren des Dietrich Klinge weisen auf ein Stück
Ewigkeit hin.
Dietrich Klinge, Museum für Moderne und Zeitgenössische Kunst Es
Baluard, Palma, Plaça Porta de Santa Catalina.
Geöffnet bis 6. Juni.
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