Elvira schlägt mit der Hand im
Gummihandschuh auf den glibbrig weißgrauen Körper. Da wo ihre
Finger die dicke Haut berühren, geht ein Zucken durch die Krake.
"Und wie der noch lebt!", die Verkäuferin von Pescados Gracia im
Mercado de Olivar lacht. "So ein Pulpo hält wahnsinnig viel aus."
Seepolypen sind Einzelkämpfer des Meeres, leben versteckt in
Felsnischen und Tiefen bis zu 200 Meter. Sie gelten als die
intelligentesten wirbellosen Tiere der Erde - und als
Delikatesse.
3'99 Euro kostet das Kilo "Pulpo vivo" aus Mallorca. Vollends
das Zeitliche segnen wird der Oktopus im heißen Wasser. "Eine
Dreiviertelstunde kochen, auskühlen lassen, in Scheiben schneiden
und mit Öl und Paprikapulver bestreuen und schon ist Pulpo à la
gallega fertig", sagt Elvira, "ein Gedicht - und ganz einfach."
Doch nur für den, der sich auskennt. Schließlich wird im Deutschen
meist einheitlich mit Tintenfisch übersetzt, wo Spanier zwischen
Calamar, Chipirones, Sepia, Pota, Calamar de Potera, Pulpo oder
Chopitos unterscheiden. Pep Cunill von Peixos Teresa erklärt die
Unterschiede: Pulpos sind die Kraken, erkennbar an ihren acht
langen und zwei kurzen Fangarmen mit unterschiedlich großen
Saugnäpfen. Sie sind meist sehr unterschiedlich gefärbt von
Grauweiß über Grünlich bis hin zu Braunrot.
Auf den ersten Blick sehr ähnlich erscheinen Calamares (auch
Chipirón, Jibia oder Jibión genannt) und Sepia (auch Choco oder
Chopo genannt), die der Familie der Kalamare angehören. Während
Calamares meist durchgehend rosa-, rot- oder braungesprenkelt sind,
ist die Sepia auf der Oberseite braungrün-schwärzlich marmoriert
und auf der Unterseite weiß schimmernd. Aber auch die Form der
Sepia mit ihrem seitlichen Flossensaum und dem abgeflachten Körper
ist im Vergleich runder und gedrungener als der zylindrische
Calamar. Während Letzterer im freien Wasser lebt, ziehen Sepien
Seegraswiesen oder Sandboden als Lebensraum vor. Das
augenscheinlichste Unterscheidungsmerkmal aber verbirgt sich im
Inneren der Tiere: Die innere Schale, auch Schulp genannt. Während
dieser bei der Sepia aus weichem Kalk besteht, ist der des Calamars
durchsichtig wie aus Glas. Flink stülpt Katy von Pescados Katy den
Körper des Calamars einmal um, zieht den Schulp heraus.
Ein Vorgang, der dem Hobbykoch zu Hause normalerweise erspart
bleibt, "im Fachverkauf säubern wir die Tiere alle, so dass man sie
daheim ganz leicht zubereiten kann". Das bedeutet auch, das kleine
Tintensäckchen zu entfernen, das beide Tiere in sich tragen. "Mit
Wein und Gewürzen vermengt lässt sich daraus eine wunderbare Sauce
herstellen", erklärt sie. Die Tinte sei auch separat in Tüten
verpackt zu erstehen. Große Kochkünste seien nicht vonnöten, um
Sepia oder Calamares gut zuzubereiten.
Anders als Pulpo, der gekocht werden muss, machen sie sich gut
in der Pfanne oder auf dem Grill. Soll auch der Pulpo angebraten
zubereitet werden, muss er vorgekocht werden. Anders bei Sepia und
Calamar: "Das Fleisch ist schnell durch, zwei Minuten auf jeder
Seite, sobald es sich weißlich färbt, ist es gar." Besonders weich
wird es, wenn das Tier zuvor eingefroren wurde, da dieser Vorgang
die Zellstruktur zerstört, was einen weichen, geschmeidigen Effekt
hat. Sepia wird meist als ganzes Tier serviert, der Klassiker ist
Sepia mit Knoblauch-Petersilien-Olivenölsauce. Der Mantel - so
nennt sich der lang gezogene Körper - des Calamars dagegen eignet
sich auch gut dazu, daraus Ringe zu schneiden. In Mehl gewendet und
frittiert werden daraus die bekannten Tintenfischringe "Calamares a
la Romana".
Bei Tintenfischringen als Fertigprodukt wird übrigens häufig
Pota verwendet, statt Calamar - auch Calamar volador oder Lura
genannt. Pota ist dem Calamar sehr ähnlich, aber sein Fleisch ist
zäher und von geringerer Qualität. Pota ist daher oft wesentlich
günstiger als Calamar.
Die edelste Variante des Calamar ist dagegen Calamar de Potera:
Dabei werden die Tiere nicht wie sonst mit dem Netz geholt, sondern
einzeln geangelt - was nur bei bestimmten Licht- und
Wasserverhältnissen möglich ist. Durch dieses Verfahren bleibt das
Fleisch des Calamars unverletzt und in seiner Konsistenz zart und
geschmeidig. Beim Kauf von Sepia und Calamar sollte darauf geachtet
werden, dass das Fleisch fest ist und die Tinte ohne Klümpchen,
dann ist das Tier frisch. Je kleiner ein Tier, desto zarter ist
meist sein Fleisch.
Auch die Mini-Exemplare von Pulpo, Sepia und Calamar sind sehr
schmackhaft. Kleine Sepias stehen meist als Chopitos auf der Karte,
Baby-Calamare als Chipirones. Letztere sind frittiert und mit
Zitrone übergossen ein begehrter und knuspriger
Meeresfrüchtegenuss.
Allerdings: Wer sie auf dem Markt erstehen will, muss schon
etwas suchen, nur wenige der Händler haben sie im Angebot.
Mini-Pulpos werden vor allem in ihrer eigenen gewürzten Tinte
gegessen, ein Gericht, das gerade auf dem Festland geschätzt wird,
"in Balearen-Gewässern werden die kleinen Pulpos nämlich gar nicht
gefischt", betont Pep Cunill.
Und Pepe von Pescados Pepe gibt zu bedenken: "Calamare aus
anderen Gewässern gehen meist mehr ins Pinke, der mallorquinische
ist heller, meist fast weich - und er schrumpft beim Kochen auch
nicht so stark zusammen." Saisonabhängig sind die Tintenfische
nicht - allerdings ist der Sommer eine ausgesprochene Calamar-Zeit,
Pulpo und Sepia sind am besten im Winter.
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